Holpriger Weg auf den Binnenmarkt
Landverkehre. Im Bereich Lkw-Mautsysteme herrscht in Europa nach wie vor Kleinstaaterei. Ab 2018 soll schrittweise alles ganz anders werden.
Fleckerlteppich, Kleinstaaterei – es gäbe noch einige ähnliche Vokabeln, um die Lkw-Maut-Situation in Europa treffend zu beschreiben. Der einzige gemeinsame Nenner ist eine europaweit weitgehend flächendeckende Mautpflicht. Sonst kocht punkto Gebühren, Bezahlsysteme und Technologie nahezu jedes Land bis dato sein eigenes Süppchen. Die einen setzen für die Abrechnung auf ein Vignettensystem, die anderen auf Streckenmaut, manche – wie Österreich – auf einen Mix davon.
Der Teufel liegt im Detail. Nur ein paar Beispiele zur Gebührendissonanz. Großbritannien erhebt eine von der Zahl der Achsen und dem Gewicht abhängige Tagesgebühr, die vor der Einreise zu bezahlen ist. Bulgarien hat eine Vignette, schreibt aber eine Extra-Vignette für Anhänger vor. In Rumänien wiederum spielt, anders als in den meisten anderen Ländern, die Schadstoffklasse keine Rolle für die Höhe der Mautpflicht. Ab welchem Lkw-Gewicht Gebühren eingehoben werden, ist ohnehin in nahezu jedem Land unterschiedlich. In Süd- und Südwesteuropa wird es kostentechnisch besonders unübersichtlich. In Frankreich gibt es rund 20 Autobahnbetreiber mit unterschiedlichen Modellen, in Italien verhält es sich ähnlich.
In Österreich wiederum existiert seit Anfang 2017 ein Berechnungssystem, das aufgrund der EU-Wegekostenrichtlinie Infrastrukturkosten miteinrechnet und einen Zuschlag für die Lärmbelastung vorsieht. Rabatte für schadstoffarme Euro-Klassen fin- den hingegen keine Berücksichtigung. „Demnach werden umweltfreundliche Flotten überproportional stark mit einer Erhöhung im zweistelligen Prozentbereich belastet. Die gesamte Transportwirtschaft ist dadurch mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert“, kritisiert Johannes Hödlmayr, CEO des gleichnamigen Logistikers, das neue Tarifmodell der Asfinag. „Firmen mit modernem Fuhrpark werden in Summe benachteiligt“, heißt es dazu knapp seitens des Transport- und Logistikunternehmens Gebrüder Weiss.
Inkompatible Systeme
Was streckenbezogene Maut betrifft, so wird diese in vielen, aber nicht allen europäischen Ländern automatisch elektronisch erhoben. Auf dem Markt sind im Wesentlichen satellitengestützte Systeme mittels GNSS (Global Navigation Satellite System) wie etwa in Deutschland oder mikrowellengestützte Systeme mittels DSRC (Dedicated Short Range Communication) wie in Österreich. Dazu braucht es in der Regel eine in der Lkw-Fahrerkabine installierte On-Board Unit (OBU), die die Fahrzeugdaten an den Mautbetreiber übermittelt. Das Problem im grenzüberschreitenden Verkehr: Meist sind die Mautsysteme der einzelnen Länder nicht kompatibel und können Daten nur mit der jeweils systemeigenen On-Board Unit austauschen. „So muss ein Lkw-Fahrer für eine Fahrt von der iberischen Halbinsel bis nach Skandinavien mehrere Fahrzeuggeräte mitführen und bedienen können, die häufig noch einen eigenen Vertrag für einen be- stimmten Betreiber verlangen“, erklärt man die Problematik bei Toll Collect, seit 2005 Betreiber des deutschen Mautsystems. Eine europaweite OBU gibt es momentan (noch) nicht.
Leidtragende dieser unterschiedlichen Ansätze sind die durch Europa fahrenden Frächter und ihre Fahrer. Trotz vermeintlichen Binnenmarkts sind Grenzstopps für Mautentrichtung, Vignettenkauf oder GoBox-Besorgung angesagt, dazu kommen vermehrte Kontrollen, die Geld kosten. „Jede Stunde mehr an Wartezeit kostet die Transportwirtschaft allein an den drei Autobahngrenzübergängen Kufstein, Walserberg und Suben 1,38 Millionen Euro“, bringt Erik Wolf, Geschäftsführer der WKO-Bundessparte Verkehr und Transport, ein Rechenbeispiel.
EU-Einheitsplan recycled
Um dem Durcheinander beizukommen, hat die EU-Kommission kürzlich einen Vorschlag vorgelegt. Vorgesehen sind unter anderem unionsweite Standards für die elektronische Mauterhebung, Schlagwort European Electronic Tolling System (EETS). LkwFahrer sollen damit mit nur einem Gerät zur Mautregistrierung (OBU) durch ganz Europa fahren können. Ab 2024 sollen alle Länder, die über Mautsysteme verfügen oder solche einführen wollen, die neuen, einheitlichen EU-Vorgaben erfüllen. Die EUKommission will zudem, dass dann alle Mauten in Europa über digitale Systeme erfasst werden.
Skepsis zur Umsetzung ist angebracht, manch ein Branchenexperte könnte an dieser Stelle ein Dej`´a-vu-Erlebnis haben. „Die Richtlinie sieht vor, dass die europäischen Mautbetreiber den EETS für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen Gesamtgewicht innerhalb von drei Jahren beziehungsweise für alle anderen Fahrzeuge innerhalb von fünf Jahren umzusetzen haben.“So der Wortlaut einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2004.