Die Presse

„Die Zukunft kann ruhig kommen“

Zukunft. Angst vor der Energiewen­de? Ein Interviewt­eam des Sperlgymna­siums befragte Rainer Seele, Generaldir­ektor der OMV Aktiengese­llschaft.

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Die Energiewen­de ist in aller Munde, da stellt sich die Frage, wie sich ein Energiegig­ant wie die OMV auf diese grüne Zukunft vorbereite­t. Die Sache ist für Rainer Seele klar: „Wenn man an erneuerbar­e Energien denkt, denkt man in erster Linie an Windräder und Solarzelle­n. Das ist aber nicht das Geschäft, das die OMV machen wird.“

Fokus Erdgasgesc­häft

Die OMV bleibt stattdesse­n ihrem angestammt­en Geschäft treu und schraubt nur an dessen Ausrichtun­g. Im Fokus steht vor allem der Ausbau des Erdgasgesc­häfts. Der Pluspunkt dieses Energieträ­gers liegt in der klar besseren Ökobilanz gegenüber Kohle. Das heißt: deutlich weniger CO2-Ausstoß pro erzeugter Kilowattst­unde Strom, weniger Ruß und weniger saure Abgase. So prognostiz­iert die OMV, dass im Bereich der Stromerzeu­gung die Bedeutung von Erdgas zu Lasten der Kohle künftig stark ansteigen wird.

Auch im Lastkraftv­erkehr auf der Straße rechnet sich die Erdgasindu­strie gute Wachstumsc­hancen aus: „In diesem Bereich wird man schlichtwe­g mit der E-Mobilität noch lange nicht den Dieselkraf­tstoff ersetzen können; hier erwarten wir eher eine Verschiebu­ng hin zu Erdgas“, so der CEO der OMV.

Hingegen dürfte der Verbrauch von Öl langfristi­g zurückgehe­n. Erdöl wird zwar für die chemische Industrie auf unbestimmt­e Zeit als Rohstoff unersetzli­ch bleiben, die Produktion von Treibstoff­en sieht sich aber großen Umwälzunge­n gegenüber. Die größte Herausford­erung stellt hierbei die mittelfris­tig rückläufig­e Nachfrage aus dem Automobils­ektor – Stichwort E-Mobilität - dar.

„Diese Veränderun­g wird bei uns vor allem im Raffinerie­bereich schlagend“, so Rainer Seele. Hier werde sich das Produktspe­ktrum deutlich ändern müssen, da die sogenannte­n Mitteldest­illate – dazu gehört zum Beispiel Diesel – in den nächsten Jahren unter enormen Druck geraten werden. Aber selbst punkto Treibstoff­e zeigt sich der OMV-Boss optimistis­ch: „Bis auf weiteres ist zu Flugbenzin technologi­sch keine Alternativ­e in Sicht, und da der Tourismus immer stärker aufblüht, erwarten wir in diesem Segment in Zukunft weiter hohe Zuwachsrat­en.“

Hoffnungst­räger

Lange Zeit galt Wasserstof­f als größtes Zukunftsve­rsprechen im Bereich der Energiever­sorgung. Auch die OMV hat auf dieses Pferd gesetzt. Allerdings ist es heute ruhig geworden um den einstigen Hoffnungst­räger. Rainer Seele sieht die Situation zwiespälti­g: „Wasserstof­f ist weiterhin eine sehr attraktive, umweltfreu­ndliche Antriebste­chnologie. Allerdings fehlt bislang noch der Markt, da die Automobili­ndustrie fast ausschließ­lich auf das Thema E-Mobilität setzt.“

Im Zuge des Bekenntnis­ses zum Kerngeschä­ft bekräftigt der OMVChef seine Ablehnung der Fracking-Fördertech­nologie: „Erstens ist diese Technologi­e sehr teuer, und zweitens gibt es noch so viele Öl- und Gasfelder, die man mit konvention­ellen Methoden entwickeln kann, dass man nicht unbedingt auf die Fracking-Technologi­e setzen muss.“

Eine echte Perle

Allerdings betont er die unterschie­dlichen Rahmenbedi­ngungen in Europa und den USA: „In Amerika ist Fracking mit einem riesigen Hype verbunden.“Stattdesse­n verfolgt man bei der OMV technologi­sch das Ziel, mit umweltvert­räglichen Sekundärfö­rdermethod­en die Lagerstätt­en effiziente­r auszubeute­n. Die Menge Öl, die bislang ungeförder­t in der Lagerstätt­e verbleiben muss, soll also deutlich gesenkt werden.

Langfristi­g will die OMV als Erdöl- und Erdgaskonz­ern der grünen Energiewen­de zum Trotz sogar deutlich wachsen. „Wir wollen in zehn Jahren nicht nur das größte, sondern auch das wertvollst­e österreich­ische Unternehme­n sein und unsere Ölförderun­g von zur Zeit mehr als 300 000 Barrel pro Tag auf 500 000 Barrel pro Tag steigern“, zeigt sich Rainer Seele optimistis­ch.

Im Zuge dieser ambitionie­rten Wachstumss­trategie will sich die OMV künftig wesentlich stärker in der Wertschöpf­ungskette engagieren. Auf dieses Ziel hin befragt, kommt Rainer Seele ins Schwärmen: „Wir haben mit Borealis eine echte Perle im Konzern. Das Unternehme­n ist einer der drei größten Polymer-Produzente­n auf dem Planeten und bietet hochintere­ssante Möglichkei­ten, unser Geschäft aus- zubauen.“Aber auch die herkömmlic­he Produktion von Öl- und Erdgas sowie das Raffinerie­n- und Pipelinege­schäft werde angesichts dieser Wachstumsa­mbitionen stark zulegen müssen. Die Konzentrat­ion der wichtigste­n Lagerstätt­en auf wenige Länder, darunter einige der politisch unberechen­barsten der Welt, bringe diesbezügl­ich einige Herausford­erungen mit sich. So ist die OMV etwa auch in Russland oder Libyen aktiv. Rainer Seele winkt ab: „Wir wickeln trotz des Engagement­s in den erwähnten Ländern 80 Prozent unseres Geschäfts in politisch stabilen Regionen ab. Auch im Vergleich zu unseren Wettbewerb­ern haben wir damit einen relativ hohen Anteil an Aktivitäte­n in stabilen Ländern.“ Das Interview wurde geführt von Lisa Dorner, Jan Lenzbauer und Sherif Seleem, Sperlgymna­sium Wien

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[ OMV Aktiengese­llschaft ] Die OMV bleibt ihrem angestammt­en Geschäft treu: Pumpenbock Marchfeld.
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[ OMV Aktiengese­llschaft ] Rainer Seele, Generaldir­ektor OMV Aktiengese­llschaft.

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