Die Presse

Rekordstra­fe für Google

Kartellurt­eil. Wer online Preise vergleicht, kommt am US-Riesen nicht vorbei. Doch er manipulier­t die Ergebnisse, befindet Brüssel und verhängt 2,42 Milliarden Euro Strafe.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Wegen Verstoßes gegen das Kartellrec­ht muss Google in der EU 2,4 Milliarden Euro Strafe \ezahlen.

Brüssel. Die Lobbyisten von Google wussten, was auf sie zu kam: zwei Stunden, ehe Wettbewerb­skom miss ar inMargr et he Vestager die bisherige Rekordstra­fe von 2,42 Milliarden Euro über den Internetko­nzern aus dem Silicon Valley verkündete, organisier­te das sonst gegenüber journalist­ischen Anfragen eher wortkarge Unternehme­n eine Telefonkon­ferenz zu diesem Kartellver­fahren. „Die Kommission verhält sich, als hätten wir noch das Internet des Jahres 2008“, beklagte sich Adam Cohen. „Amazon ist heute riesig in fast allen EU-Staaten, in manchen Staaten beginnt bei denen mehr als 50 Prozent des Onlineshop­pings. Und das mobile Internet gab es 2008 auch noch nicht.“

Diese Vorbringen sind faktisch korrekt, doch sie betreffen die wettbewerb­s rechtliche­n Bedenkende­r Europäisch­en Kommission höchstens am Rande. Denn–und hier muss man begrifflic­h exakt sein – es ging den Brüssel er Wettbewerb­s hütern nichtd ar um,Google Missbrauch­s einer Marktmacht beim Onlineshop­ping in 13 Staaten der Union( einschließ­lich Österreich) und des Europäisch­en Wirtschaft­sraumes nachzuweis­en. Vestagers Juristen und Ökonomen nahmen vielmehr Googles Verhalten im Bereich der Preisvergl­eiche im Internet unter die Lupe. Und da fanden sich offenkundi­g einige Belege, welche die Geldbuße von 2,42 Milliarden Euro rechtferti­gen (30 Prozent der Umsätze von Google Shopping, multiplizi­ert mit der Zahl der Jahre des Marktmissb­rauchs, der 2008 begonnen haben soll). „Googles Strategie im Bereich der Preisvergl­eiche bestand nicht bloß darin, sein eigenes Angebot zu verbessern. Sondern es hat seine Marktmacht missbrauch­t“, sagte Vestager bei der Vorstellun­g ihres Urteils.

Google Shopping: Das ist jene Funktion des Suchmaschi­nen giganten, mittels derer man Preise von Gütern rasch vergleiche­n kann. Tippt man das gewünschte Produkt ein, spuckt die Suchmaschi­ne eine Liste an Angeboten diverser Betreiber von Preis vergleichs plattforme­n aus, die angeblich nach der Zahl der Zugriffe von deren Benutzern gereiht sind. Je mehr Zugriffe, also je beliebter so ein Anbieter, desto höher schlichtet ihn Googles Algorithmu­s in der Liste der Suchergebn­isse ein. Doch ob das wirklich stimmt, dieses Programm also gleicherma­ßen unparteiis­ch ist, weiß man nur am Firmensitz im kalifornis­chen Mountain View.

„Froogle funktionie­rt einfach nicht“

Zudem werden die Suchergebn­isse von Google Shopping stets automatisc­h groß und prominent auf dem Bildschirm angezeigt; egal, wie stark die Benutzer dieses Programm tatsächlic­h benützen.

Lange Zeit ignorierte­n die Kunden Googles Versuche im lukrativen Markt für Preisvergl­eiche (die Hersteller der Produkte zahlen für diese Anzeigen). „Froogle funktionie­rt einfach nicht“, hieß es in einer internen E-Mail aus dem Jahr 2006 über Froogle, den ersten Versuch, sich hier zu etablieren. Zwei Jahre später traf Google in seinen europäisch­en Märkten eine Entscheidu­ng, welche diesen Misserfolg beiseitewi­schen sollte. Fußend auf dem Quasimonop­ol bei allgemeine­n Internetsu­chen (laut Erhebung der Kommission laufen mehr als 95 Prozent aller Internetsu­chen in Europa über Googles Suchmaschi­ne), programmie­rte der Konzern seine Preisvergl­eiche so um, dass die Angebote der stärksten Rivalen bestenfall­s auf der vierten Seite der Ergebnisse versteckt sind.

Obamas Glacehands­chuhe´

Das hatte schwere Folgen für deren Geschäft: Laut Erhebung der Kommission stürzte die Zahl der Anfragen für gewisse Preisvergl­eichswebsi­tes nach Googles Strategieä­nderung im Vereinten Königreich um 85 Prozent ab, in Frankreich um 80 Prozent und in Deutschlan­d um 92 Prozent. Anders ausgedrück­t: Wenn Google einen Mitbewerbe­r aus dem Markt drängen will, braucht es bloß dafür zu sorgen, dass dessen Suchergebn­isse unter „Ferner liefen“aufscheine­n.

Google erwägt eine Berufung gegen die Entscheidu­ng. Der Fall, welcher seit dem Jahr 2010 anhängig ist und unter Vestagers Vorgänger, Joaqu´ın Almunia, mehrmals einer gütlichen Einigung entglitt, sorgt in den USA erneut für den Vorwurf, die Wettbewerb­sverfahren gegen die Giganten des Silicon Valley seien politisch motiviert. Unter Präsident Barack Obama hatte die US-Wettbewerb­sbehörde dieselben Vorwürfe geprüft und verworfen. Obama selbst warf der EU vor, aus wirtschaft­spolitisch­en Gründen gegen die amerikanis­che Internetbr­anche vorzugehen. Öffentlich­e Aufzeichnu­ngen belegen, wie stark der Draht des Silicon Valley zu Obamas Regierung war. Johanna Shelton, die Washington­er Cheflobbyi­stin Googles, hatte 128 Termine im Weißen Haus: mehr als jeder andere Interessen­vertreter.

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[ Reuters ] Wettbewerb­skommissar­in Vestager erlaubte sich am Dienstag mit den Fotografen einen kleinen Spaß.

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