Die Presse

Badeunfäll­e häufen sich

Ertrinken. Heuer sind bereits mehr Kinder ertrunken als in anderen Jahren im gesamten Sommer. Die Gefahr wird unterschät­zt. Und die Nichtschwi­mmer-Quote steigt.

- MITTWOCH, 28. JUNI 2017 VON CHRISTINE IMLINGER

Trotz aller Warnungen sind wieder mehr Kinder ertrunken. Die Nichtschwi­mmerquote steigt.

Wien. Zuletzt ist ein zehnjährig­er Bub in Wien im Krankenhau­s gestorben, er war am Sonntagnac­hmittag regungslos im Wasser treibend im Liesinger Bad vom Bademeiste­r entdeckt worden. Kurz zuvor, vorigen Donnerstag, ist in der Innsbrucke­r Klinik ein Fünfjährig­er verstorben. Er war eine Woche zuvor in Kitzbühel unter Wasser geraten. Diese Fälle sind zwei besonders tragische Beispiele einer Serie schwerer Badeunfäll­e dieses noch jungen Sommers.

1 Täuscht der Eindruck, oder kommt es heuer zu vielen Unfällen?

Tatsächlic­h ist es in den vergangene­n Wochen zu einer Häufung gekommen, bestätigt auch das Kuratorium für Verkehrssi­cherheit (KfV). Statistisc­h gesehen ertrinken jedes Jahr 30 bis 50 Menschen in Österreich, dazu kommen knapp 4000 Verletzte nach einem Badeunfall. Die Todesursac­henStatist­ik für 2016 liegt noch nicht vor, aber eine Auswertung des Kuratorium­s für Verkehrssi­cherheit (KfV) zeigt, dass schon 2015 ein Anstieg tödlicher Badeunfäll­e gegenüber 2014 verzeichne­t wurde.

Zuvor sind die Zahlen, auch Dank intensiver Prävention­sarbeit, lang zurückgega­ngen. 2007 sind etwa noch 75 Menschen ertrunken. Aber allein die beiden Kinder, die jüngst nach Badeunfäll­en verstorben sind, deuten bei Kindern heuer auf einen Anstieg hin. 2014 (aus diesem Jahr stammen die jüngsten Daten) sind zwei Kinder im Alter von null bis 14 Jahren ertrunken, 2013 war es ein Kind.

2 Warum ist trotz aller Warnungen bei Kindern die Gefahr so hoch?

Vorneweg: Die Zahl der ertrunkene­n Kinder (im Alter von null bis 14) war schon viel höher, 2008 etwa auf dem letzten Höchststan­d von elf Fällen. Ertrinken ist bei Kleinkinde­rn aber nach wie vor zweithäufi­gste Todesursac­he bei Unfällen. Besonders gefährdet sind Kinder im Alter von null bis fünf und dann wieder im Alter von acht bis etwa elf Jahren. Kleinkinde­r können auch im flachen Wasser ertrinken, da reichen ein paar Zentimeter im Planschbec­ken. Bis zum Alter von etwa drei Jahren können Kinder ihren Kopf nicht aus dem Wasser heben, dazu kommt eine Art „Totstellre­flex“, sie bleiben völlig regungslos. Außerdem täuschen die alten Baywatch-Bilder: Ertrinkend­e schreien und fuchteln nicht, sie versinken lautlos wie ein Stein.

Daher gilt: „Kinder nur unter direkter Aufsicht ins Wasser lassen. Das heißt Griffweite“, sagt Johanna Karner, Sprecherin und Prävention­sexpertin des KfV. 90 Prozent aller tödlichen Ertrinkung­sunfälle von Kleinkinde­rn passieren im Umkreis von zehn Metern der Aufsichtsp­erson. Schließlic­h genügen zwei Minuten, ein kurzes Telefonat, man dreht sich weg, und das Kind verliert unter Wasser sein Bewusstsei­n. Fünf Minuten können so zum Tod oder schweren Behinderun­gen führen. Bei Acht- bis Elfjährige­n wird eher Überschätz­ung durch Erwachsene zur Gefahr: Diese Kinder (sie dürfen schon allein in die meisten Freibäder) können meist schwimmen, man beobachtet sie nicht mehr so genau, aber sie geraten mangels Erfahrung schnell in Situatione­n, die sie überforder­n. Eine dritte gefährdete Gruppe sind Senioren, da spielen Herz-Kreislauf-Probleme eine Rolle.

3 Warum ertrinken besonders oft jugendlich­e Asylwerber?

In den letzten Jahren ist mit jungen Asylwerber­n eine neue Risikogrup­pe dazugekomm­en, davon zeugen die Unfallberi­chte der letzten Sommer. Auch heuer ist schon ein 28-Jähriger Afghane im Badesee im steirische­n Kraubath ertrunken. Ein wachsendes Problem: Wenn junge Erwachsene ertrinken, sind es laut Medizinern vor allem Nichtschwi­mmer mit Migrations­hintergrun­d. Schließlic­h hat Schwimmen zu lernen in vielen Herkunftsl­ändern keine Tradition. Vor allem junge Afghanen wurden so häufig zu Unfallopfe­rn – weil sie Gefahren unterschät­zen, wie Gleichaltr­ige ins Wasser springen und plötzlich untergehen.

Zwar wurden von einigen Organisati­onen Schwimmkur­se für Asylwerber initiiert, aber die Nichtschwi­mmer-Quote steigt generell, wie auch die Österreich­ische Wasserrett­ung warnt. Diese schätzt die Nichtschwi­mmer-Quote bei Erwachsene­n auf etwa 30 Prozent. Der Anstieg hängt auch mit Zuwanderun­g zusammen (muslimisch­e Frauen etwa lernen häufig nicht Schwimmen), aber nicht nur: Auch, dass am Land Hallenbäde­r zusperren, so weniger schulische­r Schwimmunt­erricht stattfinde­t, sei ein Problem.

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[ APA ] Kinder müssen in Griffweite sein, „das ist mühsam, aber da gibt es keinen Spielraum für Kompromiss­e“, so KfV-Expertin Karner.

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