Die Presse

USA drohen dem Assad-Regime

Syrien. Das Weiße Haus wirft Damaskus vor, einen Giftgasang­riff zu planen und kündigt harsche Konsequenz­en an. Moskau protestier­t.

- Von unserem Mitarbeite­r MARTIN GEHLEN

Kairo/Damaskus. So scharf und direkt hat Donald Trumps Regierung dem syrischen Diktator Bashar alAssad noch nie gedroht. Man habe mögliche Hinweise, dass das Regime erneut einen Giftgasang­riff und damit einen Massenmord an Zivilisten vorbereite, erklärte Sean Spicer, Sprecher des US-Präsidente­n, in Washington. Sollte das Regime dieses Vorhaben ausführen, würden Assad und seine Militärs dafür „einen hohen Preis“bezahlen – Sätze, die sofort neuen Streit zwischen Washington und Moskau entfachten. Empört wies der Kreml am Dienstag „die Drohungen gegen die legitime syrische Führung“zurück.

Nach Angaben des Weißen Hauses sind die derzeitige­n Aktivitäte­n ähnlich wie vor dem Angriff am 4. April auf die Ortschaft Khan Sheikhun in der Provinz Idlib, bei dem mindestens 87 Menschen starben, darunter viele Kinder. Als Reaktion ordnete Trump damals Vergeltung­sschläge an und löste damit die erste direkte militärisc­he Konfrontat­ion der USA mit dem Assad-Regime aus. Kriegsschi­ffe im Mittelmeer feuerten 59 Marschflug­körper auf die syrische Luftwaffen­basis Shayrat ab, von wo laut den USA der Jet mit der Giftgasrak­ete an Bord startete.

Luftschlag gegen Gefängnis

Vergangene Woche kam es zu einem weiteren Zusammenst­oß: Ein US-Kampfflugz­eug schoss eine syrische Maschine ab, die mit den USA verbündete Einheiten der Syrisch-Demokratis­chen Kräfte (SDF) attackiert hatte. Inzwischen beeilte sich Pentagon-Chef Jim Mattis zu versichern, die USA hätten nicht vor, sich tiefer in den syrischen Bürgerkrie­g hineinzieh­en zu lassen. Der Fokus liege auf der Bekämpfung des Islamische­n Staates (IS), erklärte Mattis gegenüber Journalist­en auf einem Flug nach Europa. Ziel sei es, den syrischen Bürgerkrie­g mit diplomatis­chen Mitteln beizulegen.

Die von den USA bewaffnete­n und trainierte­n Kämpfer der SDF, in denen vor allem Kurden aktiv sind, belagern seit drei Wochen die syrische IS-Hochburg Raqqa. Teilweise drangen sie bereits auf das Stadtgebie­t vor.

Seit Beginn der Raqqa-Offensive am 6. Juni flogen die USA und ihre Verbündete­n mindestens 384 Luftangrif­fe, bei denen mehr als 700 Zivilisten starben, das sind 35 am Tag. Ein Angriff in der Nacht auf Dienstag galt dem IS-Gefängnis in Mayadin. Dabei wurden nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte 42 Gefangene und 15 IS-Kämpfer getötet.

Streit um C-Waffeneins­atz

Der französisc­he Geheimdien­st hat zu dem Giftgasang­riff im April auf die Ortschaft Khan Sheikhun ein umfangreic­hes Dossier erarbeitet. Die zusammenge­tragenen Fakten lassen aus Sicht von Paris keine Zweifel zu, dass das AssadRegim­e das Nervengas Sarin gegen die Bewohner einsetzte. Damaskus bestreitet das und spricht von einer „hundertpro­zentigen Erfindung“. Die Version der syrischen und auch russischen Regierung lautet, dass bei einem Bombentref­fer von den Rebellen gelagerte C-Waffen und Chemikalei­n freigesetz­t worden seien. Auch der USJournali­st Seymour Hersh bezweifelt nun in einem Artikel, dass es einen Giftgasang­riff der Syrer gegeben habe. Trump habe den Vergeltung­sluftschla­g befohlen, obwohl ihm die Militärs davon abgeraten hätten, so Hersh.

Damaskus beharrt darauf, 2013 alle C-Waffen an die internatio­nale Kontrollbe­hörde, die Organisati­on für das Verbot chemischer Waffen (OPCW), abgegeben zu haben. Deren Chef, Ahmet Üzümcü, jedoch sprach in seinem 75-seitigen Abschlussb­ericht im Juli 2016 von einem „beunruhige­nden Muster unvollstän­diger und unzutreffe­nder Angaben Syriens zu seinem Chemiewaff­enprogramm“. Syriens Erklärunge­n hätten „signifikan­te Lücken“und spiegelten „nicht den vollen Umfang und die Natur meldepflic­htiger Aktivitäte­n“wieder, hieß es in dem Text. Ähnlich äußerte sich kürzlich auch US-Verteidigu­ngsministe­r Mattis: Er habe keinen Zweifel, dass Syrien chemische Waffen zurückgeha­lten habe.

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[ .AFP ] Einsatz in Syrien. US-Elitesolda­ten rücken in gepanzerte­n Fahrzeugen gemeinsam mit kurdischen Kämpfern vor.

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