Die Abschiedstour einer rasenden Lichtgestalt
Porträt. Usain Bolt, 30, ist seit knapp einem Jahrzehnt der Superstar der Leichtathletik, jetzt startet der schnellste Mann der Welt seine finale Saison mit nur drei Rennen. Die Läufe des Jamaikaners begeisterten, seine Zeiten verwunderten.
Ostrau/Wien. Es gibt Leichtathleten, deren Auftritte man nie vergessen wird. Typen, die nicht nur schneller laufen als alle anderen, sondern auch für Show und Sprüche gut, zugleich über ewig anhaltende Verdächtigungen erhaben sind. Athleten, die nicht vor Muskeln strotzen, sondern deren 41 Schritte über 100 Meter Physiker begeisterten, Zeitnehmer verzweifeln und Fotografen mit automatischen Selbstauslösern einfach nur laut jubeln ließen. Treten solche Ausnahmeerscheinungen ab, laufen unbestritten Wehmut und Nostalgie mit, allerdings manchmal auch ein letztes Mal Bewunderung.
Der Jamaikaner Usain Bolt, 30, macht es richtig. Dem Sprint-Superstar unterläuft nicht der Fehler, den andere Größen oft und gerne begehen, indem sie den richtigen Augenblick des Absprunges in purer Selbstüberschätzung überse- hen. Also startet die Lichtfigur der Leichtathletik, die bei Olympia seit Peking 2008 acht Goldene und bei Weltmeisterschaften seit 2009 elf Siege feiern konnte, heute in Ostrau, Tschechien, ihre Abschiedstournee. Sie findet mit Monte Carlo (21. Juli) und der WM in London (ab 4. August) noch zwei Stopps, dann wird Bolt ein letztes Mal vor seiner Fangemeinde posieren.
Es gibt zwar glamourösere Orte für den Abschied als Ostrau, doch für Bolt – er hält seit Berlin 2009 den 100-m-Weltrekord in 9,59 und die Bestmarke über 200 Meter mit 19,19 Sekunden – gab es keine andere Wahl. Hier hat 2006 alles begonnen, dieses Meeting hatte ihn als erstes eingeladen. Treue und Loyalität schreibt der Multimillionär seit jeher groß.
Sprint mit offenen Schuhen, gigantische Schrittlängen (2,43 – 2,95 Meter) und prüfende Blick zurück vor der Ziellinie, auch ein Fehlstart (WM-Finale 2011) machten den 1,95 Meter großen Sprinter zur Ikone seines Sports. Er ist der schnellste Mensch der Welt, knallte 44,72 km/h Höchstgeschwindigkeit auf die Rennbahn. Das hatte seinen Preis, Ausrüster Puma bezahlte jährlich neun Millionen Dollar. Und jedes Meeting, wird in der Szene gemunkelt, musste vorab 250.000 Dollar überweisen.
IAAF-Präsident Sebastian Coe brachte es auf den Punkt: „So ein Charisma kannte ich nur von Muhammad Ali, und für mich gehört Bolt in dieselbe Kategorie.“Wer ihm aber nachfolgen, ob Bolt als Trainer weitermachen wird? Coe wusste es nicht. Nur Jennifer Bolt, die Mutter des Stars, hat klare Vorstellungen: „Ich hoffe, dass er heiratet, eine Familie gründet. Erst dann hat er alles gewonnen.“