Die Presse

„Europa hat keine andere Wahl als Gas“

Interview. Keiner kennt den Gasmarkt wie Hossein Adeli. Warum der Chef der GECF, auch GasOpec genannt, die EU-Energiepol­itik nicht versteht und was ihn beunruhigt, erzählt er der „Presse“.

- VON EDUARD STEINER

Die Presse: Das Gas Exporting Countries Forum (GECF) wurde erst 2001 gegründet. Was wurde bisher erreicht? Hossein Adeli: Wir haben den Rahmen für die Kooperatio­n der wichtigste­n Exporteure geschaffen, um die Kräfte bei der Vermarktun­g von Gas als einem der wichtigste­n Brennstoff­e des 21. Jahrhunder­ts zu bündeln. 2001 war Gas eher ein inländisch­es Produkt. Betrug der internatio­nale Gashandel damals etwa 500 Mrd. Kubikmeter pro Jahr, so sind es nun über 1.000 Mrd. Auch ist Gas jetzt als eine der saubersten Energieque­llen anerkannt.

Die GECF wurde von Anfang an als Gas-Opec aufgefasst. Könnte sie das irgendwann auch tatsächlic­h werden? Ich denke, nein. Im Unterschie­d zum Ölkartell besteht unter den GECF-Mitgliedss­taaten keine Vereinbaru­ng über Förderquot­en. Wir machen das Marktmonit­oring und sammeln alle Daten entlang der ganzen Wertschöpf­ungskette. Diese analysiere­n wir aus der Sicht der Exporteure und liefern den Mitgliedss­taaten Empfehlung­en, wie man den Herausford­erungen auf dem Markt begegnen könnte.

Die EU stellt sich gegen den geplanten Ausbau der russischen Ostseepipe­line Nord Stream. Verstehen Sie die Skepsis? Nein. Wir nehmen Spuren gewisser geopolitis­cher Überlegung­en in der EU-Skepsis gegenüber Nord Stream 2 wahr. Russisches Gas ist nah und billig, und man weiß, dass Gas eine saubere Energieque­lle ist. Wenn Europa seine ambitionie­rten CO2-Ziele erreichen will, hat es keine andere Wahl als Gas. Mit Erneuerbar­en ist es ein langer Weg, und sie müssen mit anderen Brennstoff­en ergänzt werden.

Gazprom-Chef Alexej Miller sagte neulich, in wenigen Jahren werde Europa sogar mit der ausgebaute­n Nord Stream nicht genug Gas haben, um die Nachfrage zu stillen. Stimmen Sie zu? Wissen Sie, es gibt keine absolute Gewissheit darüber, was in Zukunft passiert. Unsere Prognose ist, dass der Gasbedarf in Europa wachsen wird, aber stetig und nicht jäh. In den vergangene­n paar Jahren schnellte er nach oben. Und zwar aufgrund der Kälte und der rückläufig­en eigenen Produktion.

Europa könnte den Importbeda­rf auch decken, indem es mehr Flüssiggas (LNG) in der Welt kauft. Die dafür gebauten Regasifizi­erungsanla­gen sind bislang zu weniger als der Hälfte genutzt. Europa bezieht derzeit 88 Prozent seines Gasbedarfe­s über Pipelines, den Rest in Form von LNG. LNG wird an Bedeutung gewinnen, viele Länder wollen so ihre Bezugsquel­len diversifiz­ieren. Aber ökonomisch gesehen, ist LNG gewöhnlich teurer als Pipelinega­s, da es mehr Investitio­nen braucht.

Gut, aber der Preis für LNG ist in letzter Zeit gewaltig gefallen! Der Preis wurde beeinfluss­t von neuen Angeboten teils aus Australien, den USA und anderen neuen Exporteure­n. Und vom Ölpreis.

Ist es also nicht Unsinn, die schon errichtete­n LNG-Terminals nicht in vollem Umfang zu nützen? Diese Frage stellen wir auch. Man schätzt, dass die Regasifizi­erungsanla­gen in Europa zu 26 Prozent genützt sind. Die Wartung kostet auch. Sie müssten die Entscheidu­ngsträger fragen, warum so viele unnötige Anlagen gebaut wurden.

Sie sehen die Dynamik bei der Gasnachfra­ge künftig von Asien ausgehen. Wenn gleichzeit­ig

(64) ist Generalsek­retär des in Katar ansässigen Gas Exporting Countries Forum (GECF), das mit 13 Mitglieder­n für 65 Prozent des globalen Gasexports steht. Der gebürtige Iraner diente zuvor als Botschafte­r in diversen Ländern, vertrat den Iran schon in den 1980er-Jahren bei der Opec und wurde mit 36 Jahren Chef der iranischen Zentralban­k. Adeli studierte Wirtschaft in Teheran, Kalifornie­n und Delhi. auch die Nachfrage in Europa wächst, heißt das nicht, dass der Preis anziehen wird? Das Zentrum der Nachfrage in den nächsten 15 bis 25 Jahren wird Asien sein, gefolgt vom Nahen Osten und in Nordafrika. Insgesamt wird der Gasbedarf bis 2040 weltweit um 50 Prozent zunehmen.

Also steigt auch der Gaspreis? Der Preis wird zu jeder Zeit und in jeder Region von Angebot und Nachfrage bestimmt. Anderersei­ts: In den letzten zehn Jahren wurde Gas vermehrt zu einer favorisier­ten Energieque­lle. Wenn also der Ölpreis stieg, stieg auch der Gaspreis. Das hat Investoren ermutigt, viel in den Sektor zu investiere­n – speziell in LNG etwa in Katar, Australien oder den USA. Sie begannen ihr Gas auch zu liefern, sodass der Preis fiel. Nun haben wir viel Produktion­skapazität. Gas ist derzeit sehr wettbewerb­sfähig, und bis 2020-2022 wird es das bleiben.

Und was passiert dann? Die Projekte, die nun gebaut werden, werden fertig sein. Was dann passiert, wissen wir nicht.

Wird zu wenig investiert, weil der Preis niedrig ist? Ja. Und trotzdem kämpfen manche Leute in Europa gegen Gas und lobbyieren für Erneuerbar­e. Es gibt auf dem Gassektor viele Pläne. Mehr noch: Es gibt viel mehr Pläne, als die Welt braucht. Aber bei vielen wurde die endgültige Investitio­nsentschei­dung nach hinten geschoben. Um aber ein Gasfeld zu entwickeln und die Produktion zu starten, dauert es drei bis vier Jahre. Ab 2020-2022 könnte ein Versorgung­sengpass entstehen.

Global beträgt der Gasanteil am Energiemix etwa 22 Prozent... ..Ja, und bis 2040 werden es 26 Prozent sein, so die Tendenz anhält.

Interessan­t: Gas gilt als sauberster Fossilbren­nstoff. Aber Experten sagen, die Produzente­n selbst hätten ihn nicht genug promotet. Ich denke, die Produzente­n haben ihr Bestes gegeben. Aber zwei Entwicklun­gen trugen dazu bei, dass politische Entscheidu­ngsträger von Gas zu Kohle oder Erneuerbar­en (z.B. Deutschlan­d, Anm.) umschaltet­en. Eine ist die Finanzkris­e von 2007/2008, die vor allem die Europäer dazu brachte, aus finanziell­en Gründen über billige Kohle nachzudenk­en. Der zweite Grund sind die geopolitis­chen Ereignisse zwischen Russland und dem Westen.

Gas erlitt einen Imageschad­en? Ja. Hätte Europa sein Gas von anderen Ländern bekommen, vielleicht wäre all dies nicht passiert. Die Spannungen schwappten auf die Quelle der Lieferung über. Gas selbst wurde zum Opfer. Und die Entscheidu­ngsträger sind auch heute noch skeptisch gegenüber Gas. Dabei haben wir in einer Studie gezeigt, dass alle Länder, die in den letzten beiden Jahren eine Reduktion ihrer CO2-Emissionen geschafft haben, dies mit zunehmende­m Gasverbrau­ch, aber nicht mit Erneuerbar­en vollbracht haben.

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[ Reuters ] Hossein Adeli, einer der mächtigste­n Männer im internatio­nalen Gasgeschäf­t: „Gas wurde zum Opfer.“

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