„Europa hat keine andere Wahl als Gas“
Interview. Keiner kennt den Gasmarkt wie Hossein Adeli. Warum der Chef der GECF, auch GasOpec genannt, die EU-Energiepolitik nicht versteht und was ihn beunruhigt, erzählt er der „Presse“.
Die Presse: Das Gas Exporting Countries Forum (GECF) wurde erst 2001 gegründet. Was wurde bisher erreicht? Hossein Adeli: Wir haben den Rahmen für die Kooperation der wichtigsten Exporteure geschaffen, um die Kräfte bei der Vermarktung von Gas als einem der wichtigsten Brennstoffe des 21. Jahrhunderts zu bündeln. 2001 war Gas eher ein inländisches Produkt. Betrug der internationale Gashandel damals etwa 500 Mrd. Kubikmeter pro Jahr, so sind es nun über 1.000 Mrd. Auch ist Gas jetzt als eine der saubersten Energiequellen anerkannt.
Die GECF wurde von Anfang an als Gas-Opec aufgefasst. Könnte sie das irgendwann auch tatsächlich werden? Ich denke, nein. Im Unterschied zum Ölkartell besteht unter den GECF-Mitgliedsstaaten keine Vereinbarung über Förderquoten. Wir machen das Marktmonitoring und sammeln alle Daten entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Diese analysieren wir aus der Sicht der Exporteure und liefern den Mitgliedsstaaten Empfehlungen, wie man den Herausforderungen auf dem Markt begegnen könnte.
Die EU stellt sich gegen den geplanten Ausbau der russischen Ostseepipeline Nord Stream. Verstehen Sie die Skepsis? Nein. Wir nehmen Spuren gewisser geopolitischer Überlegungen in der EU-Skepsis gegenüber Nord Stream 2 wahr. Russisches Gas ist nah und billig, und man weiß, dass Gas eine saubere Energiequelle ist. Wenn Europa seine ambitionierten CO2-Ziele erreichen will, hat es keine andere Wahl als Gas. Mit Erneuerbaren ist es ein langer Weg, und sie müssen mit anderen Brennstoffen ergänzt werden.
Gazprom-Chef Alexej Miller sagte neulich, in wenigen Jahren werde Europa sogar mit der ausgebauten Nord Stream nicht genug Gas haben, um die Nachfrage zu stillen. Stimmen Sie zu? Wissen Sie, es gibt keine absolute Gewissheit darüber, was in Zukunft passiert. Unsere Prognose ist, dass der Gasbedarf in Europa wachsen wird, aber stetig und nicht jäh. In den vergangenen paar Jahren schnellte er nach oben. Und zwar aufgrund der Kälte und der rückläufigen eigenen Produktion.
Europa könnte den Importbedarf auch decken, indem es mehr Flüssiggas (LNG) in der Welt kauft. Die dafür gebauten Regasifizierungsanlagen sind bislang zu weniger als der Hälfte genutzt. Europa bezieht derzeit 88 Prozent seines Gasbedarfes über Pipelines, den Rest in Form von LNG. LNG wird an Bedeutung gewinnen, viele Länder wollen so ihre Bezugsquellen diversifizieren. Aber ökonomisch gesehen, ist LNG gewöhnlich teurer als Pipelinegas, da es mehr Investitionen braucht.
Gut, aber der Preis für LNG ist in letzter Zeit gewaltig gefallen! Der Preis wurde beeinflusst von neuen Angeboten teils aus Australien, den USA und anderen neuen Exporteuren. Und vom Ölpreis.
Ist es also nicht Unsinn, die schon errichteten LNG-Terminals nicht in vollem Umfang zu nützen? Diese Frage stellen wir auch. Man schätzt, dass die Regasifizierungsanlagen in Europa zu 26 Prozent genützt sind. Die Wartung kostet auch. Sie müssten die Entscheidungsträger fragen, warum so viele unnötige Anlagen gebaut wurden.
Sie sehen die Dynamik bei der Gasnachfrage künftig von Asien ausgehen. Wenn gleichzeitig
(64) ist Generalsekretär des in Katar ansässigen Gas Exporting Countries Forum (GECF), das mit 13 Mitgliedern für 65 Prozent des globalen Gasexports steht. Der gebürtige Iraner diente zuvor als Botschafter in diversen Ländern, vertrat den Iran schon in den 1980er-Jahren bei der Opec und wurde mit 36 Jahren Chef der iranischen Zentralbank. Adeli studierte Wirtschaft in Teheran, Kalifornien und Delhi. auch die Nachfrage in Europa wächst, heißt das nicht, dass der Preis anziehen wird? Das Zentrum der Nachfrage in den nächsten 15 bis 25 Jahren wird Asien sein, gefolgt vom Nahen Osten und in Nordafrika. Insgesamt wird der Gasbedarf bis 2040 weltweit um 50 Prozent zunehmen.
Also steigt auch der Gaspreis? Der Preis wird zu jeder Zeit und in jeder Region von Angebot und Nachfrage bestimmt. Andererseits: In den letzten zehn Jahren wurde Gas vermehrt zu einer favorisierten Energiequelle. Wenn also der Ölpreis stieg, stieg auch der Gaspreis. Das hat Investoren ermutigt, viel in den Sektor zu investieren – speziell in LNG etwa in Katar, Australien oder den USA. Sie begannen ihr Gas auch zu liefern, sodass der Preis fiel. Nun haben wir viel Produktionskapazität. Gas ist derzeit sehr wettbewerbsfähig, und bis 2020-2022 wird es das bleiben.
Und was passiert dann? Die Projekte, die nun gebaut werden, werden fertig sein. Was dann passiert, wissen wir nicht.
Wird zu wenig investiert, weil der Preis niedrig ist? Ja. Und trotzdem kämpfen manche Leute in Europa gegen Gas und lobbyieren für Erneuerbare. Es gibt auf dem Gassektor viele Pläne. Mehr noch: Es gibt viel mehr Pläne, als die Welt braucht. Aber bei vielen wurde die endgültige Investitionsentscheidung nach hinten geschoben. Um aber ein Gasfeld zu entwickeln und die Produktion zu starten, dauert es drei bis vier Jahre. Ab 2020-2022 könnte ein Versorgungsengpass entstehen.
Global beträgt der Gasanteil am Energiemix etwa 22 Prozent... ..Ja, und bis 2040 werden es 26 Prozent sein, so die Tendenz anhält.
Interessant: Gas gilt als sauberster Fossilbrennstoff. Aber Experten sagen, die Produzenten selbst hätten ihn nicht genug promotet. Ich denke, die Produzenten haben ihr Bestes gegeben. Aber zwei Entwicklungen trugen dazu bei, dass politische Entscheidungsträger von Gas zu Kohle oder Erneuerbaren (z.B. Deutschland, Anm.) umschalteten. Eine ist die Finanzkrise von 2007/2008, die vor allem die Europäer dazu brachte, aus finanziellen Gründen über billige Kohle nachzudenken. Der zweite Grund sind die geopolitischen Ereignisse zwischen Russland und dem Westen.
Gas erlitt einen Imageschaden? Ja. Hätte Europa sein Gas von anderen Ländern bekommen, vielleicht wäre all dies nicht passiert. Die Spannungen schwappten auf die Quelle der Lieferung über. Gas selbst wurde zum Opfer. Und die Entscheidungsträger sind auch heute noch skeptisch gegenüber Gas. Dabei haben wir in einer Studie gezeigt, dass alle Länder, die in den letzten beiden Jahren eine Reduktion ihrer CO2-Emissionen geschafft haben, dies mit zunehmendem Gasverbrauch, aber nicht mit Erneuerbaren vollbracht haben.