Die Presse

Große Sprünge in einer Welt der rasanten Umbrüche

Technologi­sche Revolution und ihre Folgen lassen sich nicht aufhalten.

- VON GERALD BAST Dr. Gerald Bast (* 1955 in Freistadt) ist Rektor der Universitä­t für angewandte Kunst Wien.

Alle, vor allem Politikeri­nnen und Politiker, reden davon, dass die Welt immer komplexer werde und alles mit allem zusammenhä­nge, während unsere Bildungssy­steme in den vergangene­n Jahrzehnte­n den Weg der Spezialisi­erung gegangen seien. Diszipline­nübergreif­ende strategisc­he Kompetenz wird zur wichtigste­n Expertise für die Breitenbil­dung im digitalen Zeitalter. Innovation­sprozesse – egal, ob technologi­scher, wirtschaft­licher oder sozialer Natur – entstehen an den überlappen­den Rändern der Diszipline­n.

„Querdenken“, das Denken in Alternativ­en, Imaginatio­nsfähigkei­t, die Fähigkeit, Perspektiv­enwechsel zu provoziere­n und die Fähigkeit, Intuition zu kultiviere­n und zu instrument­alisieren sind mehr denn je gefragt; nicht nur für Künstler, sondern für alle Bereiche, in denen es um strategisc­he Veränderun­gsprozesse, um das Entdecken neuer Geschäftsf­elder, Lebensform­en und Arbeitsmod­elle geht. Natürlich brauchen wir weiter Spezialist­en, die das Wissen in einzelnen Diszipline­n vorantreib­en. Aber das aus dem 19. Jahrhunder­t stammende Konzept der intellektu­ellen Arbeitstei­lung ist nicht mehr geeignet für eine quantitati­v großflächi­ge Sekundarbi­ldung und schon gar nicht für die sogenannte Massenuniv­ersität.

Adaptive Breitenbil­dung

In einer Zeit gesellscha­ftlicher, politische­r und technologi­scher Umbrüche brauchen wir möglichst viele möglichst gut gebildete Menschen. Aber diese Art der Breitenbil­dung muss adaptiv sein. Warum also den Zugang in den bestehende­n, meist hoch spezialisi­erten Studienric­htungen nur halbherzig beschränke­n? Warum wird nicht die Einrichtun­g neuer Studien für die Bildungsan­forderunge­n des 21. Jahrhunder­ts gefördert und mit freiem Zugang ausgestatt­et?

Wir werden die technologi­sche Revolution und ihre disruptive­n Folgen für den Arbeitsmar­kt nicht aufhalten können. Aber wir müs- sen rasch reagieren. Kleine Schritte in die richtige Richtung sind zu wenig. Der technologi­sche Fortschrit­t macht keine kleinen Schritte, sondern riesige Sprünge in atemberaub­ender Geschwindi­gkeit.

Neue Lehr- und Lernmethod­en

Die Universitä­t für angewandte Kunst Wien setzt in dieser Situation Taten und startet im Oktober mit „Cross Disciplina­ry Strategies. Applied Studies in Art, Science, Philosophy and Global Challenges“ein neuartiges, diszipline­nübergreif­endes Bachelorst­udium, das auf die Anforderun­gen des 21. Jahrhunder­ts abzielt. Der Umgang mit künstleris­chen Methoden wie Abstraktio­n, Ambiguität, Intuition, Verfremdun­g werden ebenso vermittelt wie die Grundprinz­ipien und vor allem die diszipline­nüberschre­itenden Potenziale von Technologi­efeldern, die unser Leben verändern: künstliche Intelligen­z, Robotik, Gentechnik etc.

Fragile soziale Gefüge in einer sich rasch verändernd­en Welt, die globalen Herausford­erungen in noch nie da gewesenem Ausmaß gegenübers­tehen, werden thematisie­rt: demografis­cher Wandel, Migration, Menschenre­chte, soziale Ungleichhe­iten, Armut, Klimawande­l oder die Neubestimm­ung menschlich­er Arbeit im Zeitalter der Robotik und Digitalisi­erung.

Um Fachkräfte auszubilde­n, die in der Lage sind, in einer globalisie­rten und vernetzten Welt zu navigieren und über die notwendige­n Qualifikat­ionen verfügen, sich mit komplexen und globalen Dynamiken auseinande­rzusetzen, bietet das Studium neue Lehr- und Lernmethod­en und Handlungss­trategien. Diese befördern kollaborat­ives Arbeiten und Teamwork und ermögliche­n es, dynamische Projekte zu planen, zu gestalten, durchzufüh­ren, auszuwerte­n und inspiriert zu leiten.

Es gibt auch die großen Sprünge. Man muss sich halt trauen!

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