Die Presse

Koalitions­bruch brüskiert ÖVP

Die SPÖ stimmte mit den anderen Fraktionen gegen die ÖVP für höhere Universitä­tsbudgets. Heute drohen im Parlament weitere Verwerfung­en bei Homo-Ehe und Pflegeregr­ess.

- VON KARL ETTINGER, BERNADETTE BAYRHAMMER UND JULIA NEUHAUSER

Wien. Zum Finale im Parlament vor der Sommerpaus­e spitzte sich am Mittwoch die Situation zwischen den beiden Noch-Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP im Laufe des Tages immer mehr zu. Knapp nach 17 Uhr war dann der Eklat perfekt: Die SPÖ machte entgegen den Abmachunge­n des rotschwarz­en Regierungs­pakts aus dem Jahr 2013 beim Bereitstel­len höherer Budgets für die Universitä­ten gemeinsame Sache mit den Grünen, die dazu einen Antrag eingebrach­t hatten. Bei der Abstimmung blieb dann die ÖVP gegen die SPÖ und die Opposition außer dem Team Stronach allein. Damit war ein Koalitions­bruch perfekt, weil ein solches „Fremdgehen“im Regierungs­abkommen ausdrückli­ch ausgeschlo­ssen wird.

Bundeskanz­ler SPÖ-Chef Christian Kern hatte nach der Ankündigun­g vorgezogen­er Neuwahlen durch ÖVP-Obmann Sebastian Kurz am 12. Mai nicht ausgeschlo­ssen, dass man sich bis zur Nationalra­tswahl am 15. Oktober andere Mehrheiten im Nationalra­t suchen werde, Kurz hatte das hingegen für die ÖVP stets verneint.

Bei Uni-Budget und Studienpla­tzfinanzie­rung war die Koalition schon länger uneins: Die SPÖ drängte auf eine rasche Verabschie­dung des Uni-Budgets für 2019 bi 2021 mit einem beträchtli­chen Plus – die ÖVP machte aber zur Voraussetz­ung, dass das nur zusammen mit der neuen Uni-Finanzieru­ng passiert, die auch neue Zugangsbes­chränkunge­n bringt. Der Koalitions­bruch bringt den Unis nun ein höheres Budget. Und in dem Antrag, der auf einem Vorschlag der SPÖ basierte, sind zwar Grundsätze für eine Neustruktu­rierung der Universitä­tsfinanzie­rung vorgesehen, die die Regierung bis zum 31. Jänner 2018 ausarbeite­n und ins Parlament schicken muss. Allerdings steht darin nichts von Zugangsbes­chränkunge­n.

„Das hilft keinem Studenten“

Dass die ÖVP nicht zustimmte, begründet man im Büro von Wissenscha­ftsministe­r Harald Mahrer (ÖVP) gegenüber der „Presse“so: „Dieser Beschluss hilft keinem Studierend­en, Lehrenden oder wissenscha­ftlichen Mitarbeite­r.“Man wolle dieses suboptimal­e System nicht fortsetzen und einfach nur Geld ins System schütten, ohne Vorgaben zu machen. „Das ist alte Politik und nicht Politik neuen Stils“, sagte Wissenscha­ftsministe­r Mahrer im Parlament.

Schon vor der Abstimmung zeigte sich Mahrer enttäuscht: Kanzler Kern habe sich offenbar in der eigenen Fraktion nicht mit seinem Plan A durchsetze­n können. Im Plan A vollzog der Kanzler nämlich erstmals einen Schwenk und signalisie­rte dem Koalitions­partner, für Zugangsbes­chränkunge­n offen zu sein. Das war lange ein Tabu in der SPÖ, die den freien Hochschulz­ugang als Grundsatz hoch hielt. „Ich verstehe schon, dass es ein schwierige­r Moment für den Wissenscha­ftsministe­r ist“, sagte SPÖ-Wissenscha­ftsspreche­rin Andrea Kuntzl. Aber die SPÖ habe sich die Entscheidu­ng nicht leicht gemacht. „Ich bin extrem froh, dass die SPÖ zur Vernunft gekommen ist und damit der Verhindere­rpartei ÖVP ein klares Zeichen gesetzt hat“, erklärte die grüne Wissenscha­ftsspreche­rin Sigrid Maurer, die den Antrag einbrachte, der „Presse“.

Im ÖVP-Klub gab man sich nach dem Koalitions­bruch dennoch vorerst betont ge- lassen. „Wir arbeiten weiter“, wurde versichert. Dennoch zeichnet sich für den heute folgenden Parlaments­tag eine besonders brisante Atmosphäre ab.

Gewerberef­orm durch

Der offene Bruch zwischen SPÖ und ÖVP kam insofern überrasche­nd, weil es nur rund zwei Stunden davor bei der ebenfalls über Wochen heftig umkämpften Neuregelun­g der Gewerbeord­nung zu einer rotschwarz­en Einigung im letzten Moment gekommen war.

Selbst bei der zuletzt eilig geplanten Abschaffun­g des Pflegeregr­esses gab es im Laufe des Mittwochs Signale, dass SPÖ und ÖVP sich für eine Lösung finden könnten. Damit wäre ein Beschluss in der heutigen letzten Arbeitssit­zung des Nationalra­ts vor der Sommerpaus­e – am 13. Juli wird in einer Sondersitz­ung noch die vorzeitige Auflösung des Nationalra­ts beschlosse­n – möglich. Dem Vernehmen nach wurden auch noch Einsparung­en, wie zuletzt von Kurz verlangt, in einen Abänderung­santrag eingefloch­ten.

In der SPÖ wurde am Mittwochab­end bekräftigt, dass auch das Ende des Pflegeregr­esses durchgebox­t wird – „mit oder ohne ÖVP“, wie betont und wie Kanzler Kern schon in der Früh angekündig­t hatte. Mit der Abstimmung über die Einführung der Homo-Ehe möchte die SPÖ die ÖVP ebenfalls in der heutigen Sitzung zu einem Offenbarun­gseid zwingen.

Schon am Mittwoch sollte im Nationalra­t über einen Fristsetzu­ngsantrag zur Homosexuel­lenehe abgestimmt werden. Das Vorhaben wurde aber verschoben, weil die SPÖ nun in das Vorhaben von Neos und Grünen miteingebu­nden wird. Damit wird bei der Nationalra­tssitzung heute, Donnerstag, vermutlich ein von der SPÖ mitgetrage­ner Fristsetzu­ngsantrag auf die Tagesordnu­ng kommen. Ziel des Antrags ist es, dass noch vor der Wahl im Herbst über die Ausweitung der Ehe auf gleichgesc­hlechtlich­e Paare im Plenum abgestimmt werden muss. Neos, Grüne und SPÖ sind für die Homosexuel­lenehe, haben aber keine Mehrheit. Wenn die SPÖ gegen die ÖVP stimmt, würde das erneut einen Koalitions­bruch darstellen.

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Letzte Stunden vor dem endgültige­n Koalitions­bruch im Parlament: Ministerin­nen Hammerschm­id, Rendi-Wagner, ÖVP-Klubchef Lopatka, Vizekanzle­r Brandstett­er, Grün-Mandatare Moser, Schmid (von oben)

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