Langsame Heimkehr: Martin Kuˇsejs Liebeserklärung an das Burgtheater
Wien bekommt 2019 einen international renommierten Regisseur und Intendanten für die größte Sprechbühne des Landes. Das lässt hoffen.
Nun ist er es doch geworden, und das ist auch gut so für Wien. Schon einmal, 2006, als Martin Kusejˇ höchst erfolgreich Theaterdirektor bei den Salzburger Festspielen war, galt der Kärntner mit slowenischen Wurzeln als Favorit für die Nachfolge Klaus Bachlers am Burgtheater, dessen Amtszeit 2009 auslaufen sollte. Damals zählte Kusejˇ längst zu den besten deutschsprachigen Regisseuren. Zudem hatte er in Salzburg auch bewiesen, dass er ein kluger Programmmacher ist.
Doch Staatssekretär Franz Morak von der ÖVP überraschte dann die Szene mit der Ernennung des etwas weniger renommierten, wiewohl mindestens so ehrgeizigen deutschen Konkurrenten Matthias Hartmann. Die Folgen sind bekannt: Das Burgtheater schlitterte in eine veritable, durch Großmannssucht und ignorante Geschäftsführung verschuldete Finanzkrise. Hartmann wurde 2014 gefeuert, Ex-Vizedirektorin Karin Bergmann reaktiviert. Mit ruhiger Hand hat sie das undankbare Geschäft der Sanierung erfolgreich betrieben, das Ensemble zusammengehalten. Bei widrigen Umständen ist ihr bisher zudem ein seriöses Programm gelungen.
Kusejˇ zog es vor zu grollen, indem er das Burgtheater lange Zeit mied. Er widmete sich verstärkt der Opernregie, übernahm 2011 das Bayerische Staatsschauspiel, krempelte es um. München wurde für diesen Kämpfertyp ein heikler Lernprozess. Samuel Beckett würde dazu sagen: „Ever tried. Ever failed. No matter. Try Again. Fail again. Fail better.“Das ist Kusejˇ dann auch gelungen. Ganz diskret hat jedoch bald eine langsame Heimkehr begonnen, vorerst mit einer Professur am Max-Reinhardt-Seminar. A ls Bergmann in diesem Frühjahr ankündigte, dass sie Mitte 2019 ihre Tätigkeit am Burgtheater beenden würde, war der Weg frei für den inzwischen deutlich gereiften Kärntner, längst schon ein Wunschkandidat von Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) und Christian Kircher, dem Geschäftsführer der BundestheaterHolding, der mit dem Selektionsprozess beauftragt worden war. Offensichtlich wurde gut gearbeitet, denn die kolportierten drei Kandidaten, aus denen Drozda dann gewählt hat, brennen fürs Theater. Thomas Ostermeier hat die Berliner Schaubühne wieder auf Vordermann, Andreas Beck das Drei-Sparten-Haus in Basel zum Glänzen gebracht. Was also lässt nachvollziehen, dass Kusej,ˇ der in München durchwachsene Jahre hatte, die beste Wahl sein könnte?
Ganz vordergründig und etwas billig populistisch, aber in Zeiten des Spin aktuell: Der Glamour. Es ist wieder an der Zeit, dass ein hervorragender Regisseur das Burgtheater leitet, dessen Inszenierungen stilbildend sind. Zwar hat der designierte Direktor bei seiner Vorstellung im Ministerium am Freitag angekündigt, dass er an sich nur bei einem Stück pro Saison Regie führen wolle. Doch das kann eine Tugend sein – nicht Masse, sondern Klasse. Wenige mustergültige Aufführungen bewirken die stärksten Veränderungen, das hat er an der Burg mit tollen Inszenierungen von Stücken Grillparzers, Nestroys und Schönherrs wiederholt bewiesen. U nd das hintergründig Entscheidende? Wesentlich mehr Energie wird Kusejˇ wohl der Teambildung widmen. Jung soll es sein. Er will zudem die neue österreichische Dramatik aufwerten. Man darf vermehrt auf Uraufführungen hoffen – die bekanntlich stets riskant sind. Weitere Richtungsvorgaben: Kunst sei politisch, Wien multikulturell. Neben solchen Pflichtaussagen gab der designierte Direktor eine Liebeserklärung an die „analoge Welt des Theaters“ab, die in Konkurrenz zur digitalen stehe. Er ging auf Distanz zur Postdramatik, leugnete auch nicht, dass er zuweilen ein Teil davon war: „Wir haben uns in eine Sackgasse manövriert.“Das klingt abgeklärt für einen einst jungen, sensiblen Wilden. Kommt die Bestellung an die Burg vielleicht um ein Jahrzehnt zu spät? Nein, hoffentlich gerade recht! Die Erfahrungen mit den abgelaufenen Wiener Festwochen haben gezeigt: Es ist nicht immer das Avantgarde, was als solche deklariert wird, sondern zuweilen die Reaktion auf diese.