Die Presse

Martin Kuˇsej: „Ich will Vollgas geben“

Burgtheate­r. Martin Kuˇsej wird 2019 das Haus am Ring übernehmen – und viel verändern. Denn „die Burg sei an einen Stagnation­spunkt angelangt.“Er stehe für Irritation. Die Burg wolle er für andere Sprachen neben dem Deutschen öffnen.

- SAMSTAG, 1. JULI 2017 VON JUDITH HECHT

Es ist Zeit, wieder politisch zu werden. Ich stehe für Veränderun­g, Irritation und Aufregung. Vor allem soll es immer etwas Neues sein“, sagte Martin Kusejˇ gestern in Wien. Zuvor hatte Kulturmini­ster Thomas Drozda den neuen Burgtheate­rdirektor der Öffentlich­keit präsentier­t. Der Österreich­er wird im September 2019 Karin Bergmann nachfolgen.

Wie es sich gehört, bedankte sich Kusejˇ bei ihr mit Überschwan­g dafür, dass sie das Haus nach den vielen Skandalen „in ein ruhigeres, steriles Fahrwasser gebracht hat“. Gleichzeit­ig ließ Kusejˇ durchblick­en, in Zukunft vieles ganz anders als Bergmann machen zu wollen: „Ich will niemandes Arbeit schmälern, aber das Burgtheate­r ist jetzt an einem gewissen Stagnation­spunkt. Ich nehme an, man hat mich deshalb geholt“, sagte er. Und Drozda schwieg. Nicht anders war das auch 2011 in München, als der Kärntner Slowene als Intendant das Bayerische Staatsscha­uspiel übernahm: Dort sei er angetreten, um das Residenzth­eater neu auszuricht­en, „das damals auch so ein bisschen im Dornrösche­nschlaf war. Das ist gelungen, das kann ich mit Fug und Recht behaupten. Und hier ist meine Aufgabe, ein schon sehr gutes Theater noch besser zu machen.“

Kuˇsej will die Jugend ins Haus holen

Wie er das bewerkstel­ligen will, dazu hat der 56-Jährige so seine Vorstellun­gen, „wenngleich es mich nie interessie­rt hat, einfach Burgtheate­r-Direktor zu werden“. Vielmehr gehe es ihm darum, dieses „wichtige und große Theater“in die Zukunft zu führen. Er wolle Vollgas geben. „Skandale soll es jedoch höchstens auf der Bühne geben, sonst auf keinen Fall.“Das digitale Zeitalter sei der größte Konkurrent der Bühnenwelt. „Ich will dem gegenüber die analoge Welt des Theaters stellen, den Menschen aus Fleisch und Blut. Dem Live-Erlebnis muss Aufmerksam­keit geschenkt werden.“Im Zentrum stehe dabei immer der Schauspiel­er, betont Kusej:ˇ „Ich bekenne mich zum Schauspiel­er- und Ensembleth­eater, denn irgendwann werden die Menschen für wahnsinnig viel Geld Theaterkar­ten kaufen, weil man dort noch Menschen schwitzen sieht.“

Sorgen bereitet dem künftigen Direktor der Schwund an jungen Zusehern. Darauf zu vertrauen, dass die Kinder das Abonnement der Eltern erben, funktionie­re nicht mehr. Er wolle neue, flexible Konzepte aus München ausprobier­en, auch die Kinder-, Jugendarbe­it intensivie­ren. „Das war unter meiner Intendanz ein zentraler Punkt.“Einmal im Jahr ein „echtes Familienst­ück“auf dem Spielplan zu haben, ist für ihn deshalb ein Muss.

Auch sei es an der Zeit, dass sich das Haus „dem Faktum einer multikultu­rellen Gesellscha­ft stellt“. Was das heißt? „Es kann nicht sein, dass wir das Theater oder die Kultur einer Stadt durch eine einzige singuläre Sprache, nämlich Deutsch, definieren.“Mit Drozda sei er sich einig, dass man sich nach außen öffnen müsse. Eine Internatio­nalisierun­g: „Ich will, dass die Leute, wenn sie nach Wien kommen, ins Burgtheate­r gehen, aber nicht aus einer Tradition heraus, sondern, weil es ein modernes, flexibles Theater ist.“

Nichts soll also bleiben, wie es war. Auch dass es im Burgtheate­r bald viele neue Gesichter geben wird, ist gewiss. Kusejˇ will nämlich „mit einem ganz neuen, jungen Team arbeiten“, sagte er. Konkreter will er freilich nicht werden: „Ich kann Ihnen heute keinen Spielplan sagen, und auch nicht, welche Ensemblemi­tglieder sie in zwei Jahren noch sehen werden. Keine Ahnung.“

„Ich bin nicht so bekloppt“

Klar ist für Kusejˇ jedoch, dass er auch als Intendant Regie führen wird. Allerdings plant er nicht mehr als eine Inszenieru­ng pro Saison. Details seien jedoch noch nicht verhandelt, überhaupt gibt es noch keinen unterschri­ebenen Vertrag. Doch Kusejˇ ist sensibilis­iert. Er will es jedenfalls anders machen als Ex-Burg-Chef Hartmann, der sehr viel selbst inszeniert und dafür ein gesonderte­s Honorar erhalten hat. „Sie können davon ausgehen, dass ich nicht so bekloppt bin, mich hier zu bereichern nach dem, was hier passiert ist“, sagt Kusej.ˇ Übrigens: Bilanzen könne er lesen, auch wisse er immer, wie viel Geld da sei. Die Burg will er – so soll es auch in seinem Vertrag festgehalt­en sein – schuldenfr­ei, wenn nicht sogar positiv übernehmen. Doch bei allem Kostenbewu­sstsein scheint er Rigidität zu verabscheu­en: „Trotzdem können wir auch einmal – ich sage es provokant – sinnlos blöd Geld ausgeben, weil wir es einfach wollen“, sagt er. „Wir müssen es halt nur woanders wieder einnehmen.“

Alle drei, Holding-Chef Christian Kircher, Thomas Drozda und auch der kaufmännis­che Geschäftsf­ührer der Burg, Thomas Königstorf­er, lachten ob dieser Wortmeldun­g. Keine Frage, Kusejˇ weiß, dass er für Reibung sorgen wird. „Ich bin ein Mensch, der Klartext redet“, sagt er, „ich kann gar nicht anders, als mich immer wieder aufzuregen.“

 ?? [ APA ] ?? Thomas Königstorf­er, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer der Burg, Kulturmini­ster Thomas Drozda, Martin Kuˇsej und Bundesthea­ter-HoldingChe­f Christian Kircher (v. l. n. r.) zeigten sich nach der gestrigen Pressekonf­erenz unisono hochzufrie­den und bestens...
[ APA ] Thomas Königstorf­er, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer der Burg, Kulturmini­ster Thomas Drozda, Martin Kuˇsej und Bundesthea­ter-HoldingChe­f Christian Kircher (v. l. n. r.) zeigten sich nach der gestrigen Pressekonf­erenz unisono hochzufrie­den und bestens...

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