Sichere Therapie gegen Insektenstichallergie
Wiener Forscher entwickeln Ansätze, um Menschen zu helfen, die gegen Bienen- oder Wespenstiche allergisch sind: Wie kann eine Immuntherapie gezielter ablaufen, und wie kann man deren Nebenwirkungen verringern?
Barfuß im Sommer? Fühlt sich gut an – aber die Gefahr, auf eine Biene zu treten, ist hoch. Jausnen im Freien? Die Wespen werden von Süßem und Fleischprodukten angelockt, auch hier steigt die Gefahr für Kontakte mit bösen Folgen. Für die Mehrheit der Bevölkerung sind Wespen- und Bienenstiche nichts Dramatisches: schmerzhaft zwar, aber ohne Folgen.
25 Prozent der Österreicher zeigen starke Reaktionen direkt an der Einstichstelle mit schweren Schwellungen und Schmerzen länger als einen Tag. „Diese Patienten haben nicht unbedingt eine allergische Reaktion: Das kann durch lokale Entzündungen ausgelöst sein“, sagt Irene Mittermann, Gruppenleiterin der Molekularen Allergencharakterisierung an der Med-Uni Wien. Sie will nun jenen 3,5 Prozent der Bevölkerung helfen, die jedoch schwere allergische Reaktionen nach einem Insektenstich erleben.
„Die systemische Reaktion, die den ganzen Körper betrifft, kann in vier Kategorien eingeteilt werden“, sagt Mittermann. Beim ersten Grad hat der Patient Hautreaktionen wie Juckreiz, Schwellungen und Rötungen, auch abseits der Einstichstelle. Der zweite Grad bringt Übelkeit, Krämpfe und Atembeschwerden. Beim dritten Grad wird es kritischer mit verengten Atemwegen, Erbrechen und Blutdruckabfall. Der vierte Grad ist lebensbedrohlich mit Bewusstlosigkeit und Atemstillstand. Diese Reaktion wird auch als anaphylaktischer Schock bezeichnet.
Wespenstiche am häufigsten
„In der EU gibt es pro Jahr etwa 400 Todesfälle nach Insektenstichen. Für Österreich gibt es keine Zahlen, wir schätzen circa 20 Todesfälle pro Jahr“, sagt Mittermann. Am häufigsten sind hierzulande Wespen-, gefolgt von Bienenstichen. Viel seltener kommt es zu Problemen nach Hornissenoder Hummelstichen bzw. Ameisenbissen. Patienten, die bereits eine systemische Reaktion nach einem Insektenstich erlebt haben, sollten eine Immuntherapie gegen diese Allergie machen. Der Ansatz ist auch als Hyposensibilisierung bekannt: Der Patient wird über längere Zeit mit einer sehr niedrigen, aber ansteigenden Dosis des Insektengifts geimpft, damit der Körper bestimmte Immunglobuline (Ig, Antikörper) herstellt.
„Gute“und „böse“Antikörper
So trainiert man das Immunsystem, „gute“Antikörper, IgG, gegen die Allergene des Gifts zu bilden. „IgG-Antikörper werden auch bei jeder anderen Impfung gebildet, und bei normalen Infektionen. Sie sind Teil der Immunreaktion, die den Körper schützen soll“, erklärt Mittermann.
Die körperlichen Beschwerden einer Allergie werden von anderen Antikörpern im Blut ausgelöst, von IgE. Der Sinn der Immuntherapie ist, so viele „gute“IgG-Antikörper im Körper anzulegen, damit diese bei einem Wespen- oder Bienenstich schnell an die Proteine des Giftes andocken. Dadurch finden die allergieauslösenden IgE-Antikörper keinen Platz mehr an den Allergenproteinen, und es kann somit keine allergische Reaktion stattfinden.
„Viele Patienten, die stark auf Insektenstiche reagieren, können gar nicht unterscheiden, ob es eine Biene oder Wespe war, die sie gestochen hat. Auch wenn man das Blut der Patienten testet, ist oft nicht eindeutig, ob sie nur auf Bienengift, nur auf Wespengift oder wirklich auf beide allergisch reagieren“, sagt Mittermann.
Darum sind Wissenschaftler seit Jahren auf der Suche nach Allergenen, die ganz spezifisch nur in dem einen und nicht in dem anderen Insektengift vorkommen, um die korrekte Diagnose zu stellen und zielgerichtet die notwendige Immuntherapie zu verordnen.
„Auch Kreuzreaktionen sind im Labor oft ein Problem, wenn man genau bestimmen will, gegen welche Allergenquelle sich die Immuntherapie richten soll“, so Mit- termann. Ihr Team entwickelt nun Moleküle, die das Austesten der Blutproben vereinfachen sollen. So gibt es etwa IgE-Antikörper, die nur gegen oberflächliche Zuckerstrukturen gerichtet sind und keine Symptome verursachen. Die Mediziner versuchen nun, im Labor Moleküle zu erstellen, die solche harmlosen IgE-Antikörper von den krankheitsauslösenden IgEAntikörpern unterscheiden.
Im Tiermodell klappt es
Aber die Impfung der Immuntherapie mit Bienen- oder Wespengiften kann bei Patienten trotzdem zu Nebenwirkungen führen: Etwa wenn darin natürlich enthaltene Allergene auch allergische Reaktionen auslösen. „Wir haben nun geschafft, aus großen Allergenen, die zu solchen Nebenwirkungen führen, kleine Fragmente zu machen, die wir an Trägerproteine binden“, beschreibt Mittermann die Ergebnisse des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts. Dadurch können sich keine IgE-Antikörper anheften, die allergische Reaktionen herbeiführen. Aber die „guten“IgG-Antikörper werden trotzdem im Körper gebildet, sodass die Immuntherapie erfolgreich sein kann. „Bisher haben wir es im Tiermodell an Kaninchen gezeigt, dass es klappt. Wir wissen nicht, ob der Schritt in den Menschen funktioniert. Dazu braucht es erst aufwendige klinische Studien, die nicht in unserer Macht als Grundlagenforscher liegen.“