Die Presse

Der lange Weg zu Richtlinie­n und Verordnung­en

EU-Rechtssetz­ung. Durch zahlreiche Korrekturm­aßnahmen, parlamenta­rische Abstimmung­en und Einflussmö­glichkeite­n von nationalen Regierunge­n entsteht neues EU-Recht immer als Kompromiss. Es ist ein Balanceakt zwischen Gemeinscha­fts- und Einzelstaa­tsinteress­e

- VON WOLFGANG BÖHM

Brüssel/Wien. Ein kurzer Vergleich zu Beginn: In Österreich schlägt in der Regel der Ministerra­t ein neues Gesetz vor, die Koalitions­parteien segnen den Vorschlag im Nationalra­t ab. Auf EU-Ebene aber ist der Weg ein bedeutend längerer. Hier schlägt die Kommission einen neuen Rechtsakt vor, der wird im Rat der EU und im Europaparl­ament sehr oft noch substanzie­ll verändert. Am Ende ist es meist ein Kompromiss zwischen den von der EU-Kommission verteidigt­en Gemeinscha­ftsinteres­sen, idealistis­chen oder weniger idealistis­chen Vorstellun­gen von Parlamenta­riern und unterschie­dlichen Einzelstaa­tsinteress­en.

Weil dieser Weg zu neuem EU-Recht so verschlung­en ist, enthält er zwar zahlreiche Korrekturm­öglichkeit­en, ist aber auch deutlich langsamer als eine nationale Gesetzge- bung. Oft vergehen Jahre zwischen der ersten Idee und der Realisieru­ng.

Die EU-Rechtssetz­ung wird im Grunde in drei, bei Differenze­n in maximal vier Schritten vollzogen: Durch einen Vorschlag der EU-Kommission, der Bewertung durch Europaparl­ament und Rat der EU (Regierungs­vertreter) sowie im Fall der Uneinigkei­t dieser beiden Legislativ­organe durch eine Kompromiss­suche im Vermittlun­gsausschus­s (Parlament und Rat). Nicht alle Vorschläge für EURichtlin­ien, die von den Mitgliedst­aaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen, und nicht alle vorgeschla­genen EU-Verordnung­en, die direkt Rechtsgült­igkeit erlangen, treten letztlich in Kraft. Manchmal findet sich auch kein Kompromiss.

„Die Presse“versucht hier diese vier Schritte im Detail zu beschreibe­n, um einen Einblick in die komplexe Gesetzgebu­ng der Europäisch­en Union zu geben.

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