Der lange Weg zu Richtlinien und Verordnungen
EU-Rechtssetzung. Durch zahlreiche Korrekturmaßnahmen, parlamentarische Abstimmungen und Einflussmöglichkeiten von nationalen Regierungen entsteht neues EU-Recht immer als Kompromiss. Es ist ein Balanceakt zwischen Gemeinschafts- und Einzelstaatsinteresse
Brüssel/Wien. Ein kurzer Vergleich zu Beginn: In Österreich schlägt in der Regel der Ministerrat ein neues Gesetz vor, die Koalitionsparteien segnen den Vorschlag im Nationalrat ab. Auf EU-Ebene aber ist der Weg ein bedeutend längerer. Hier schlägt die Kommission einen neuen Rechtsakt vor, der wird im Rat der EU und im Europaparlament sehr oft noch substanziell verändert. Am Ende ist es meist ein Kompromiss zwischen den von der EU-Kommission verteidigten Gemeinschaftsinteressen, idealistischen oder weniger idealistischen Vorstellungen von Parlamentariern und unterschiedlichen Einzelstaatsinteressen.
Weil dieser Weg zu neuem EU-Recht so verschlungen ist, enthält er zwar zahlreiche Korrekturmöglichkeiten, ist aber auch deutlich langsamer als eine nationale Gesetzge- bung. Oft vergehen Jahre zwischen der ersten Idee und der Realisierung.
Die EU-Rechtssetzung wird im Grunde in drei, bei Differenzen in maximal vier Schritten vollzogen: Durch einen Vorschlag der EU-Kommission, der Bewertung durch Europaparlament und Rat der EU (Regierungsvertreter) sowie im Fall der Uneinigkeit dieser beiden Legislativorgane durch eine Kompromisssuche im Vermittlungsausschuss (Parlament und Rat). Nicht alle Vorschläge für EURichtlinien, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen, und nicht alle vorgeschlagenen EU-Verordnungen, die direkt Rechtsgültigkeit erlangen, treten letztlich in Kraft. Manchmal findet sich auch kein Kompromiss.
„Die Presse“versucht hier diese vier Schritte im Detail zu beschreiben, um einen Einblick in die komplexe Gesetzgebung der Europäischen Union zu geben.