Letzte Chance bei der nationalen Umsetzung
nehmen aus besonders stark regulierten Branchen, die gegen Wettbewerb geschützt sind und folglich trotz geringer Produktivität vergleichsweise hohe Gewinnmargen einstreifen können. Die Studienautoren nennen den italienischen Einzelhandelssektor, der sich mit allen Mitteln gegen die Liberalisierung und Öffnung des Marktes für neue Unternehmen wehrt, wie das die Kommission der Regierung in Rom in ihren länderspezifischen Empfehlungen anrät. Resümee: „Die politisch Verantwortlichen müssen sicherstellen, dass Lobbying hauptsächlich dazu dient, notwendige Brancheninformation bereitzustellen, aber nicht den Wettbewerb in Bereichen untergräbt, in denen die Regulierung überschießend erscheint.“
Wenn Unternehmen, Kommunen oder Umweltorganisationen die Kommission oder das Parlament über ihre Anliegen informieren, ist das wichtig und unbedenklich. Problematisch ist es hingegen, wenn – Stichwort Osmose – der rege Personalaustausch zwischen den EU-Institutionen und den Verbänden und Lobbyagenturen allzu schwellenlos geschieht. Dabei geht es weniger um die schlagzeilenträchtigen Fälle, dass ehemalige Kommissare einschlägige Posten annehmen. Bedenklicher ist das tägliche Rotieren der personellen Drehtür. Für viele der jungen Assistenten im Parlament zum Beispiel ist diese mäßig bezahlte und anstrengende Arbeit bloß ein Sprungbrett in einen gut bezahlten Posten als Experte für EU-Fragen in einer Bank oder Versicherung. Und auch hohe Kommissionsbeamte münzen ihre Erfahrung nach Dienstende gern in lukrative Lobbyistenposten um: Erst neulich wechselte der frühere Generaldirektor Robert Madelin ohne Abkühlphase zur Agentur Fipra: als Chief Strategist.
Diese Probleme sind kaum zu beheben. Mitte Juni einigten sich die Spitzen der Parteien im Parlament (gegen den Protest der Grünen) auf ein Mandat zu Neuverhandlungen mit der Kommission und dem Rat über das Transparenzregister. Mit der Begründung, das freie Mandat der Abgeordneten erfordere das, wurde eine Verpflichtung abgelehnt, wonach sie nur registrierte Lobbyisten treffen können sollten. Rechtsanwälte sollen sich weiterhin unter Berufung auf ihre standesrechtliche Schweigepflicht von Offenlegungen freispielen können. Und ob der Rat mit seinen Beamten, die ein ebenso reizvolles Lobbyingziel sind, künftig auch am Lobbyingregister teilnimmt, ist völlig offen. Im Falle von bereits beschlossenen EURichtlinien, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen, versuchen einige Lobbyisten, auch dies zu beeinflussen. Hier agieren allerdings vor allem nationale Interessengruppen, damit eine Neuregelung in ihrem Sinne abgeschwächt, gelenkt oder in einigen Fällen sogar verschärft wird. (wb)