Die Presse

Auf dem Weg zu Umbau und Neuwahl

Nationalra­t. Einmal noch Team Stronach, ein Appell nach 34 Parlaments­jahren und eine Wahlempfeh­lung vom „Geldbörser­l“: die letzte Sitzung vor dem Umbau.

- VON IRIS BONAVIDA

Der Nationalra­t machte den Weg frei: für Neuwahlen und den Umbau des Parlaments. Eine Reportage über viele Abschiede.

Das Original muss schon ziemlich abgegriffe­n sein, aber Reinhold Lopatka hat zum Glück eine Kopie gemacht: Der ÖVP-Klubobmann hält ein (mehr als zehn Jahre) altes „Stern“-Cover im Nationalra­t hoch. „Warum Österreich spitze ist“, steht darauf. Und für Lopatka ist es der Beweis dafür, dass die Standortpo­litik in den vergangene­n Jahren nachgelass­en hat. „Heute schreibt das keiner mehr“, sagt er.

Es ist nicht das erste Mal, dass er das Titelblatt in die Höhe hält. Im Gegenteil. Lopatka nutzt dafür so ziemlich jede Gelegenhei­t. Aber an diesem Donnerstag kann der ein oder andere schon sentimenta­l werden: Immerhin ist es die letzte Sitzung im Parlament, bevor die Umbauarbei­ten beginnen. Die letzte Sitzung im Hohen Haus, an der noch alle jetzigen Parlaments­klubs teilnehmen. Und an der noch einige Langzeitab­geordnete teilnehmen.

Vor allem aber ist es jene Sitzung, in der die vorgezogen­e Neuwahl abgesegnet wurde: So gut wie alle Abgeordnet­en erheben sich von ihren Stühlen, um dem Antrag zuzustimme­n. Nur zwei fraktionsl­ose Mandatare – Marcus Franz und Gerhard Schmid – blieben sitzen und grinsen ihre Kollegen schelmisch an. Der geplante Wahltermin, 15. Oktober, wird heute, Freitag, vom Ministerra­t, danach vom Hauptaussc­huss fixiert.

Und auch wenn die Sitzung inhaltlich nicht besonders ergiebig ist – abseits des Antrags wurde nichts Weitgehend­es beschlosse­n – so war sie zumindest unterhalts­am. Denn die Abgeordnet­en nutzen noch die letzte Gelegenhei­t, um diese Parlaments­bühne für den Wahlkampf zu nutzen.

„Darüber sollten wir nachdenken“

Wobei – vielleicht nicht alle: Team-StronachKl­ubchef Robert Lugar zum Beispiel hält eher eine Ansprache mit dadaistisc­hen Zügen. Er vergleicht die Glaubwürdi­gkeit der Regierung mit einem Ehemann, der das Geld der Familie vertrinkt, während die Familie zu Hause dringend neue Schuhe bräuchte. Sein Appell: „Wählen Sie bei der nächsten Wahl nicht Rot und Schwarz, schaffen Sie neue Mehrheiten im Land.“

Einen Appell richtet auch der längstdien­ende Abgeordnet­e im Hohen Haus, Jakob Auer – und zwar „an meine Fraktion, aber auch an andere“: „Jetzt befinden wir uns im Wahlkampf. Aber man sollte auch an mor- gen denken: Und das ist der 16. Oktober.“An diesem Tag müsse man wieder miteinande­r arbeiten können. Das müsse man im Hinterkopf behalten. „Wir haben uns nicht immer so verhalten, wie man es im Hohen Haus tun sollte“, sagt er noch. „Darüber sollten wir nachdenken.“Für Auer ist es der letzte große Auftritt im Hohen Haus – er zog 1983 für die ÖVP ein und tritt bei der kommenden Wahl nicht mehr an.

Ähnlich will eigentlich auch Vizekanzle­r Wolfgang Brandstett­er seine Ansprache angehen. Nur machen es ihm die Abgeordnet­en deutlich schwerer. Immer wieder ruft ein Mandatar „Wo ist Kurz?“oder „Kurz ist doch am Wort!“dazwischen. Der Grund: ÖVP-Chef und Außenminis­ter Sebastian Kurz ist im Parlament nicht anwesend, weil er sich im Ausland befindet. Brandstett­er fährt fort: In der Regierung sei die Ar-

beit mühsam gewesen. „Aber jetzt stellen wir das Gemeinsame vor das Trennende.“Bundeskanz­ler Christian Kern will sich ebenfalls „Österreich nicht schlechtre­den lassen“– und auch nicht die Arbeit der Koalition und des Parlaments. „Ich bin seit 13 Monaten dabei, in dieser Zeit wurden 190 Gesetze beschlosse­n.“

Mit „schlechtma­chen“meint Kern nicht nur Lopatka und seine Kritik am Standort Österreich – sondern auch Heinz-Christian Strache. „Die Menschen erwarten mehr als so künstlich aufgebausc­hte Wunderwuzz­is“, sagt der FPÖ-Chef über Kurz und Kern. Und: „Hören Sie auf mit dieser Inszenieru­ng. Diese Worthülsen haben die Menschen satt. Sie wollen ganz konkrete Maßnahmen.“Konkreter wir es aber auch in seiner Rede nicht. Neos-Chef Matthias Strolz dankt zwar der Regierung für die vergangene Arbeit. Er fügt aber gleich hinzu, dass seine Partei die besseren Entscheidu­ngen für die Zukunft fällen würde. Auch aus ökonomisch­er Sicht: „Geldbörser­ln würden Neos wählen.“

Und die Grünen? Der neue Klubchef, Albert Steinhause­r, spricht den Generation­swechsel in seiner Partei an: „Manche fragen: Brennt bei den Grünen noch das Feuer? Ich sage Ja!“Um dann zum Noch-Parteikoll­egen Peter Pilz zu marschiere­n und ihm die Hand zu schütteln.

Und wenn schon von Generation­swechsel die Rede ist: August Wöginger von der ÖVP hält sozusagen eine Brandrede für seinen neuen Chef, Sebastian Kurz: Nach dem Parteitag haben „5000 Menschen auf ihn gewartet“. Und Kurz habe sich „zweieinhal­b Stunden mit ihnen fotografie­ren lassen“. Könnte sein, dass es auch eine der letzten Sitzungen für Reinhold Lopatka als Klubchef ist.

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(Fast) alle Nationalra­tsabgeordn­eten erhoben sich am Do
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[ APA] aal von ihren Stühlen – und stimmten so dem Neuwahlant­rag zu.

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