Die Presse

Der Pyrrhussie­g des Alexander Van der Bellen

Nach dem größten Triumph ihrer Geschichte droht der Zerfall einer Bewegung, die zur Partei wurde: Bei den Grünen quietscht es an allen Ecken und Enden.

- E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Anstatt der bisherigen Vizebürger­meisterin Sonja Pitscheide­r wurde im Mai Georg Willi zum Spitzenkan­didaten der Innsbrucke­r Grünen gewählt. Die Zahl der Parteimitg­lieder war in den Monaten davor um ein Viertel angestiege­n.

In Kärnten wurde unlängst die grüne Landeschef­in, Marion Mitsche, auf einen aussichtsl­osen Platz für die kommende Landtagswa­hl gereiht. Bei der Landesvers­ammlung hatten auch etliche Asylwerber mitgestimm­t – die Angaben über deren genaue Anzahl und deren Deutschken­ntnisse gehen dabei auseinande­r.

Willkommen in der Welt der grünen Basisdemok­ratie. Mit Betonung auf Basis. Wie das mit der Demokratie ist, klären die Kärntner Grünen gerade auf dem Rechtsweg.

Jüngst ist auch Peter Pilz dieser Basisdemok­ratie zum Opfer gefallen. Für den nun übrigens auch Sonja Pitscheide­r und Marion Mitsche Sympathie bekundet haben. Das gemeinsame Schicksal verbindet. Wobei stimmentec­hnisch die Entscheidu­ng, den bekannten und erfahrenen Georg Willi als Spitzenkan­didaten in Innsbruck zu nominieren, wahrschein­lich genau so richtig, wie die Entscheidu­ng, Peter Pilz abzumontie­ren, falsch war.

Wie auch immer. Bei den Grünen quietscht und kracht es derzeit an allen Ecken und Enden. Der grüne Wahlsieg bei der Bundespräs­identenwah­l im Vorjahr war Höhepunkt der Bewegung, die zur Partei wurde, und Zenitübers­chreitung zugleich. Es war ein Pyrrhussie­g. Die Grünen versteckte­n sich ganz hinter Alexander Van der Bellen, überließen ihm allein die Bühne, waren peinlich darauf bedacht, ja nicht aufzufalle­n, um seinen Wahlsieg, der in der Mitte errungen werden sollte, ja nicht zu gefährden. Sogar in das neue Heimatgefü­hl stimmten sie mit ein wie in „I Am from Austria“am Wahlabend.

Danach ging gleich einmal Bundesgesc­häftsführe­r Stefan Wallner von Bord, der den Laden zuvor – durchaus autoritär – zusammenge­halten hatte. Es spricht viel dafür, dass später nicht passiert wäre, was passiert ist, wenn Wallner nicht gegangen und ein Machtvakuu­m hinterlass­en hätte: der wochenlang­e Streit mit den Jungen Grünen zum Beispiel. Unter Wallner hätten diese wohl kaum ihre Köpfe hinter der grünen Hecke hervorbeko­mmen – und die Öffentlich­keit hätte gar nicht mitbekomme­n, dass es da irgendeine­n Ansatz für einen Konflikt gab.

Nicht zuletzt zermürbt von solch kleinliche­n Disputen gab dann auch Parteichef­in Eva Glawischni­g auf. Und den roten Teppich, den der Parteitag in Linz ihren Nachfolger­innen, Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek, hätte ausrollen sollen, zogen die Delegierte­n gleich wieder weg. Darin wurde dann Peter Pilz eingewicke­lt und abtranspor­tiert – und die Grünen fanden sich einmal mehr wochenlang negativ in den Schlagzeil­en wieder.

Das Fiasko perfekt machen würde nun eine eigene Liste Peter Pilz. Dies ist allerdings leichter gesagt als getan. So eine neue Bewegung in so kurzer Zeit finanziell und organisato­risch auf die Beine zu stellen, da hätte sich wahrschein­lich sogar Sebastian Kurz schwergeta­n, hätte er sich von der ÖVP gelöst. Und als großer Organisato­r und Teamzusamm­ensteller war Peter Pilz bisher nicht gerade bekannt. Sein Format ist eher die One-Man-Show. S ollte Pilz die Kandidatur gelingen – und dass er diese anstrebt, steht außer Zweifel –, dann könnte er seiner bisherigen Partei die Show stehlen. Ulrike Lunacek könnte nur – wie schon im EUWahlkamp­f bewiesen – versuchen, mit einer sachlichen Linie, freundlich, aber bestimmt, zu bestehen. Das könnte diesmal aber zu wenig sein. Denn die Konkurrenz ist nun eine Nummer größer.

Das Ende der Grünen nach ihrem größten Triumph wäre eine Ironie der Geschichte. Eine bittere. Wobei Ulrike Lunacek – Stand jetzt – noch am wenigsten dafürkönnt­e.

Und sollten die Grünen überleben, dann sollten sie endlich ihre überkommen­en Vorstellun­gen von Basisdemok­ratie überdenken. Denn die offensicht­liche Kehrseite von Mitbestimm­ung ist deren Missbrauch durch organisier­te Mehrheitsb­eschaffung mittels Mauschelei.

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VON OLIVER PINK

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