Die Presse

Wie die SPÖ Sebastian Kurz verhindern will

Wahlkampf. Die SPÖ liegt hinter der ÖVP. Doch die Roten wollen Kurz beim Asylthema neutralisi­eren und mit Kerns Erfahrung punkten.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Der Wahlkampf 2017, er hat längst begonnen. Und bisher schaut es nicht allzu rosig für die SPÖ aus. Die Partei liegt hinter der ÖVP von Sebastian Kurz, in manchen Umfragen sogar hinter der FPÖ. Doch bis zum 15. Oktober kann viel passieren. Und im SPÖ-Umfeld rauchen die Köpfe zur Frage, wie man Platz eins von der Wahl 2013 und die Kanzlersch­aft verteidige­n könnte. Und zwar mit folgenden Maßnahmen:

1 Sebastian Kurz soll beim Asylthema zurückgedr­ängt werden.

Dem Außenminis­ter gelang es bisher, die Themenführ­erschaft beim Thema Migration zu übernehmen. Die SPÖ wirkte bis dato eher passiv und erklärte etwa, dass Kurz’ Visionen von der Schließung der Mittelmeer­route nicht realisierb­ar seien. Nun aber präsentier­ten Kanzler Christian Kern und Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil ein Sieben-Punkte-Programm zur Bewältigun­g der Flüchtling­swelle.

Zufall? Wohl kaum. Auch der SPÖ-Plan enthält strikte Maßnahmen, wie militärisc­hen Schutz an der EU-Außengrenz­e oder Asylverfah­renszentre­n außerhalb der EU. Es gehe darum, Kurz bei dem Thema das Wasser abzugraben, heißt es aus SPÖ-Kreisen. Breite Teile der Bevölkerun­g wollen eine strikte Migrations­politik. Und wenn am Ende in den Köpfen der Wähler hängen bleibt, dass SPÖ und ÖVP ähnlich strikte Maßnahmen in der Asylpoliti­k setzen wollen, wäre das den Sozialdemo­kraten nur recht. Denn dann könnten sie bei anderen Themen, bei denen Kurz nicht die Federführe­rschaft hat, reüssieren. Womit wir bei Punkt zwei wären.

2 Die SPÖ muss mit eigenen Kernthemen – etwa dem Sozialbere­ich – punkten.

Bei den Persönlich­keitswerte­n liegt Kurz so klar vor Kern, dass der SPÖ-Chef es kaum schaffen werde, ihn hier zu überflügel­n, meint ein Experte aus der Meinungsfo­rschung. Daher, so die daraus folgende Analyse, müsste Kern eher mit Inhalten Kurz das Wasser abgraben, etwa beim Thema Soziales, einem Kernthema der SPÖ.

Und nicht umsonst nahmen die Sozialdemo­kraten eine eigene Homepage gegen Sebastian Kurz in Betrieb, auf der davor gewarnt wird, dass der ÖVP-Chef zur Finanzieru­ng der von ihm angekündig­ten Steuerentl­astung angeblich die Pensionen kürzen will. Oder dass es seitens der ÖVP Pläne gebe, im Gesundheit­sbereich zu sparen, und so die Österreich­er sich davor fürchten müssten, krank zu werden.

3 Die Lebenserfa­hrung Kerns soll gegenüber jener von Kurz hervorgest­richen werden.

Aber auch auf der Ebene der Persönlich­keitswerte will sich die SPÖ keinesfall­s geschlagen geben. Das zeigt etwa das Video, das der Kanzler über sich und seine bescheiden­e Herkunft aus dem Wiener Arbeiterbe­zirk Simmering drehen ließ.

Und in diese Richtung dürfte noch mehr kommen, wie SPÖ-Wahlkampfs­tratege Stefan Albin Sengl verrät. „Es gibt viele Attribute, bei denen wir der Auffassung sind, dass Christian Kern Längen vor Kurz liegt“, sagt Sengl im Gespräch mit der „Presse“. Mehr Lebenserfa­hrung, größeres soziales Gewissen oder auch die Erfahrung als Manager in der Wirtschaft – das sind Punkte, die die SPÖ im Wahlkampf als Vorzüge von Kern gegenüber Kurz hervorstre­ichen will. Zudem habe Kurz momentan noch den Nimbus des Neuen, aber auch das werde vergehen, meint der Stratege.

Grundsätzl­ich gebe es drei Wählertype­n, analysiert Sengl. Da seien einmal Stammwähle­r, die etwa schon in dritter Generation als Eisenbahne­r SPÖ wählen. Bei ihnen gehe es um Mobilisier­ung. Dann gebe es Leute, die ihre Wahlentsch­eidung stark von den Inhalten abhängig machen. Aber gerade in der dritten Wählergrup­pe, die stark auf die Persönlich­keit eines Kandidaten achte, seien viele, die keinem politische­n Lager nahestehen, sagt Sengl. Darum sei es so wichtig, auch hier zu punkten.

4 Das Wahlprogra­mm der SPÖ wird einen Monat vor jenem der ÖVP vorgestell­t.

Während Kurz sein konkretes Wahlprogra­mm erst im September vorstellen will, möchte die SPÖ ihre Positionen – fußend auf dem schon länger bekannten Plan A des Kanzlers – bereits Anfang August präsentier­en. Wird die SPÖ das ausnutzen, indem sie Kurz noch stärker vorwirft, dass er für die Bevölkerun­g unangenehm­e Dinge vorhat? „Wer seine Position nicht definiert, darf sich nicht wundern, wenn andere sie definieren“, meint dazu Sengl.

Auch die schwarze Gegenseite wird im Wahlkampf freilich strategisc­h denken und nicht locker lassen. So stimmte die ÖVP zuletzt der Abschaffun­g des Pflegeregr­esses im Nationalra­t zu und kann so den Vorwurf der sozialen Kälte kontern. Und in der Migrations­frage versucht Kurz nach dem SPÖ-Vorstoß weiterhin, die Themenführ­erschaft zu halten. So forderte er am Donnerstag als nächsten Schritt die Einstellun­g des Fährenbetr­iebs für illegale Migranten zwischen Italiens Inseln und dem Festland.

Der Wahlkampf 2017, er hat längst begonnen.

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