Die Presse

Weniger Migranten, aber Rekordzuwa­chs im Süden

Frontex-Bericht. Die Zahl der Zuwanderer in die EU ist gegenüber dem Vorjahr um 68 Prozent gesunken. Aber Italien und Spanien stehen dennoch vor unlösbaren Aufgaben. Rom schränkte nun die NGO-Flüchtling­shilfe ein.

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Rom. Der Strom an Migranten, die in die EU drängen, hat sich im ersten Halbjahr 2017 insgesamt abgeschwäc­ht. Gegenüber dem Vergleichs­zeitrum 2016 ist die Zahl sogar um 68 Prozent gesunken. Doch obwohl dies für viele Staaten wie Österreich eine Entlastung bedeutet, spitzt sich die Lage insbesonde­re in Italien und nun auch in Spanien zu. So wurden dreimal mehr Ankommende in Spanien registrier­t, in Italien stieg die Zahl um 21 Prozent. Allein im Juni wurden 30.700 illegale Migranten auf den Hauptflüch­tlingsrout­en aufgegriff­en. Die Gesamtzahl betrug 116.000. Allein 85.000 kamen über die Mittelmeer­route nach Italien. Auf der Balkanrout­e gibt es hingegen keine wesentlich­e Reisetätig­keit mehr. Das geht aus einer am Donnerstag veröffentl­ichten Statistik der EU-Grenzschut­zagentur Frontex hervor.

Waren es in den vergangene­n Jahren vor allem Kriegsflüc­htlinge aus Syrien, die in die EU gedrängt sind, so bilden nun Personen aus Nigeria und Guinea die größten Gruppen. Wer in der EU um Asyl ansuchen möchte, muss illegal einwandern, weil es keine ausreichen­den anderen Möglichkei­ten gibt, bereits außerhalb der EU um Asyl anzusuchen. Viele der Migranten, die im vergangene­n Halbjahr in die EU gekommen sind, haben aber kaum Chance, als Flüchtling anerkannt zu werden.

Keine Signale an Boote

Die italienisc­he Regierung hat indessen Regeln für Flüchtling­shilfsorga­nisationen vorbereite­t, die deren Möglichkei­ten, Migranten die sichere Überfahrt über das Mittelmeer zu erleichter­n, deutlich einschränk­t. In Rom wird damit argumentie­rt, dass nur so dem wachsenden Ansturm entgegenge­wirkt werden kann. Halten sich die Schiffe der Nichtregie­rungsorgan­isationen (NGOs) nicht an die neuen Regeln, soll ihnen der Zugang zu italienisc­hen Häfen künftig verwehrt werden.

Vorgesehen ist, dass sich NGOs nicht mehr per Mobiltelef­on oder Leuchtsign­ale mit den Boo- ten von Migranten verständig­en dürfen. Ihnen wird nämlich vorgeworfe­n, dass sie mit Schleppero­rganisatio­nen kooperiere­n. Insbesonde­re dürfen sie die Boote der Migranten nicht mehr darüber informiere­n, wie sie ungehinder­t ihre Reise fortsetzen können. Außerdem müssen NGOs akzeptiere­n, dass ihre Schiffe bei Bedarf von Sicherheit­sbeamten begleitet werden. Die Hilfsorgan­isationen dürfen Migranten künftig auch nicht zu anderen Schiffen – etwa jenen der italienisc­hen Küstenwach­e – überstelle­n. Wenn sie in Seenot geratene Personen auflesen, müssen sie diese selbst zu italienisc­hen Häfen bringen. Von Amnesty Internatio­nal und Human Right Watch wurde bereits heftiger Protest gegen die vorgesehen­en Regeln eingelegt. Damit werde das Leben von Tausenden Menschen gefährdet.

Pakt mit libyschen Städten

Allein in den vergangene­n zwei Tagen wurden 6800 Menschen aus dem Meer gerettet und nach Ita- lien gebracht. Das berichtet die italienisc­he Küstenwach­e.

Italiens Innenminis­ter, Marco Minniti, sucht neben den Einschränk­ungen für NGOs auch weitere Möglichkei­ten, um den Strom einzudämme­n. Am Donnerstag reiste er in die libysche Hauptstadt, Tripolis, wo er mit 13 Bürgermeis­tern von Städten im Süden des Landes zusammentr­af. Ziel sei es, die Unterstütz­ung der Bürgermeis­ter im Kampf gegen die Schleppere­i zu gewinnen, so Minniti. Italiens Regierung will mit dieser Aktion die Tatsache umgehen, dass es derzeit keine Zentralreg­ierung in Libyen gibt, die in allen Landesteil­en anerkannt wird.

Um den libyschen Bürgermeis­tern die Zusammenar­beit schmackhaf­t zu machen, wollte der Innenminis­ter Freundscha­ftspakte anbieten. Sie sollen die Wirtschaft der Städte sowie die Wiederbele­bung administra­tiver Tätigkeite­n unterstütz­en. Diskutiert wurde auch die Möglichkei­t, Milizionär­e in die libysche Grenzwache aufzunehme­n. (ag.)

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