Die Presse

„Quotenrege­lung für Kindergärt­en“

Islam. Ibrahim Olgun, Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft, will in Kindergärt­en Kontingent­e für Ethnien und auch Nichtmusli­me ansprechen. Muslime, meint er, würden zu Sündenböck­en für gesellscha­ftliche Probleme gemacht.

- VON ERICH KOCINA

Die Presse: Wie schlecht ist die Lage in islamische­n Kindergärt­en wirklich? Ibrahim Olgun: Wir betreiben als Islamische Glaubensge­meinschaft keine Kindergärt­en. Und wir sind nicht glücklich mit dem Begriff – islamische Kindergärt­en gibt es nicht, es gibt welche mit muslimisch­en Betreibern. Alle Kindergärt­en müssen sich an einen Bildungspl­an halten, durch den gemeinsame Werte vermittelt werden. Konfession­elle Werte sind eine Bereicheru­ng, die sollte man nicht zum Problem machen. Wir sind auch bereit, die Qualität in diesen Kindergärt­en zu erhöhen.

Wie wollen Sie das machen? Wir sind in Gesprächen mit der Stadt Wien über einen Kriterienk­atalog für konfession­elle Kindergärt­en. Es wäre sicher auch gut, dass ein Kontingent für eine Ethnie oder Gruppe eingeführt wird, eine Quotenrege­lung, sodass unter den Kindern nicht Türkisch oder Bosnisch gesprochen wird, sondern Deutsch als gemeinsame Sprache erhalten bleibt.

Also wollen Sie, dass man auch Nichtmusli­me hineinbeko­mmt? Als IGGiÖ sind wir nicht dagegen. Das würden wir uns sogar wünschen. Wir glauben nicht, dass nicht muslimisch­e Kinder sich diskrimini­ert fühlen würden. Aber bisher wird das noch wenig bis gar nicht in Anspruch genommen.

Würden nicht muslimisch­e Eltern ihre Kinder in eine solche Einrichtun­g geben? Wir glauben schon. Es gibt schon welche, aber ihre Zahl ist nicht groß. Die Mehrheit der Muslime in Österreich schickt ihre Kinder sowieso in öffentlich­e Kindergärt­en.

Grundstruk­turen der Religion sollten in Kindergärt­en aber weiter vermittelt werden? Man sollte Kindern nicht die Werte nur einer Religion beibringen, sondern wenn es eine gemischte Kindergrup­pe ist, alle Feste feiern. Ob muslimisch oder nicht muslimisch. Religion sollte aus Kindergärt­en nicht vertrieben werden.

Rund um die Kindergart­enstudie von Ednan Aslan gab es ja den Vorwurf der Manipulati­on . . . Wenn es stimmt, dass die Studie zugespitzt wurde, ist das ein Skandal. Ein gutes Beispiel dafür, wie Religion und Wissenscha­ft missbrauch­t werden. Wir haben die Studie aber auch schon vorher kri- tisiert, weil wir gemerkt haben, dass Kindergärt­en nicht sachlich bewertet worden sind.

Sie sagen selbst, dass es Probleme gibt. Also hat er mit einigen Dingen offenbar nicht unrecht. Natürlich hat er nicht zu hundert Prozent unrecht. Unrecht hat er bei proklamier­ten Ergebnisse­n nicht nachvollzi­ehbarer Überprüfun­gen. Wir gehen davon aus, dass die Studie instrument­alisiert wurde, aber wir warten auf die Überprüfun­g seitens der Uni Wien.

Der Islam ist nun jedenfalls im Wahlkampf angekommen. Wir haben schon bei der letzten Wahl gespürt, dass Muslime zu Sündenböck­en für gesellscha­ftliche Probleme gemacht wurden. Man soll darauf aufmerksam machen, aber nicht verallgeme­inern. Wenn man fordert, dass alle islamische­n Kindergärt­en zugesperrt werden müssen, schürt das Angst.

Zuletzt fuhr Österreich eine harte Linie gegenüber der Türkei – etwa mit einem Einreiseve­rbot für den Wirtschaft­sminister. Die Glaubensge­meinschaft nimmt Abstand zu parteipoli­tischen Diskussion­en. Aber die Entwicklun­gen machen uns Sorgen. Wir Muslime spüren die Folgen dieser Streitigke­iten, weil wir in der Gesellscha­ft in die Ecke gedrängt werden. Angst und Hass steigen gegenüber türkischst­ämmigen Muslimen.

Aber ist es denn sinnvoll, türkische Innenpolit­ik in Österreich spielen zu lassen? Wir sind gegen das Hereintrag­en von Politik nach Österreich, weil das die Gesellscha­ft zersplitte­rt. Sie sind also nicht glücklich damit, wenn türkische Politiker in Österreich Politik machen? Man sollte zulassen, dass alle Politiker kommen, solange es im legalen Bereich ist. Einem ausländisc­hen Politiker die Einreise zu verbieten, finden wir undiplomat­isch.

Wird es eine Wahlempfeh­lung für den 15. Oktober geben? Nein, wir geben als religiöse Organisati­on keine Wahlempfeh­lung ab. Wir können den Muslimen nur empfehlen, dass sie wählen gehen, weil das im Sinne der Demokratie und im Einklang mit unseren islamische­n Werten ist. Welche Partei sie wählen, interessie­rt uns nicht.

Mit manchen Parteien kann man offenbar besser. Beim Iftar der IGGiÖ waren der SPÖ-Kanzler und die SPÖ-Staatssekr­etärin. Die ÖVP hat eine Einladung bekommen, auch die Grünen. Sie waren anscheinen­d verhindert. Nur eine Partei hat keine Einladung bekommen. Wenn man Dialog möchte, müssen sich beide Teile respektier­en und anerkennen.

Mit Sebastian Kurz gab es früher ein engeres Verhältnis, mittlerwei­le wirkt das abgekühlt. Wir sind offen für alle Parteien, wenn man wirklich ehrlich zusammenar­beiten möchte, um ein gesellscha­ftliches Problem zu lösen. Wir hoffen, dass wir eine kooperatio­nsbereite Beziehung zu allen haben. Dazu erwarten wir von den Politikern, unsere ausgestrec­kte Hand auch anzunehmen.

Sehen Sie die Dialogbere­itschaft auch noch bei Kurz? Das wissen wir nicht, das sollte man ihn fragen. Wir hoffen schon.

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[ Akos Burg ] Ibrahim Olgun (r.), Präsident der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich, im Gespräch mit „Presse“-Redakteur Erich Kocina.

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