Die Presse

Terror: Sieben Jahre Haft

Gericht. Terrormord wurde einem Tschetsche­nien-Flüchtling angelastet. Das Urteil erging aber „nur“wegen Mitgliedsc­haft in einer Terrorgrup­pe.

- VON MANFRED SEEH

Wien. Unter Beobachtun­g des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und unter strenger Bewachung wurde am Donnerstag der Tschetsche­nien-Flüchtling Magomed I. (38) erneut einem Wiener Strafsenat vorgeführt. Die Anklagevor­würfe wiegen schwer. Als Befehlshab­er eines Kampftrupp­s der radikal-islamistis­chen Gruppierun­g Emirat Kaukasus soll I. für den Tod von drei georgische­n Uniformier­ten verantwort­lich sein. Dreifacher Terrormord sowie der Versuch weiterer Morde wurden I. zur Last gelegt. Doch die Belastungs­zeugen blieben aus.

Hatte es bei Beginn der Verhandlun­g (der Auftakt fand, wie berichtet, Anfang Juni statt) so ausgesehen, als würde mit I. erstmals in Österreich ein radikal-islamistis­cher Angeklagte­r wegen eines oder mehrerer vollendete­r Terrormord­e verurteilt, so hatte Staatsanwa­lt Leopold Bien am Mittwoch mit einer Zeugenflau­te zu kämpfen. Die sieben Männer, die er unter Mithilfe der georgische­n Behörden gern im Verhandlun­gssaal gehabt hätte, fehlten. Allesamt. Auch ihre Einvernahm­e per Videokonfe­renz kam nicht zustande.

„Nicht bereit zur Rechtshilf­e“

Richter Andreas Böhm fasste diese mehr als unbefriedi­gende Situation einigermaß­en nüchtern und unverblümt zusammen: Georgien sei offensicht­lich „nicht bereit, das ergangene Rechtshilf­eersuchen zu erledigen“. Mehr noch: Es existiere „kein offizielle­s Schreiben, dass das Feuergefec­ht überhaupt stattgefun­den hat“.

Laut Anklage sei I. – der 38-Jährige lebt seit 2005 in Wien, seit 2009 ist er anerkannte­r Flüchtling – im August 2012 zwecks Terrorakti­onen in das Grenzgebie­t zwischen Georgien und der russischen Teilrepubl­ik Dagestan gezogen. Ziel sei es gewesen, Anschläge bzw. Überfälle auf russischem Gebiet zu verüben. Den Islamisten sei es darum gegangen, einen Gottesstaa­t zu errichten, erläuterte der Staatsanwa­lt.

I. gab nun zwar zu, mit dem Kampftrupp unterwegs gewesen zu sein, doch sei er zuvor von Tschetsche­niens despotisch­em Machthaber, Ramsan Kadyrow, unter Druck gesetzt worden. Daher habe er gleichsam als Spion für Kadyrow gearbeitet und die Marschrout­e der bewaffnete­n Gruppe verraten. So sei es zu erklären, dass die Männer von georgische­n Soldaten abgefangen und in ein Feuergefec­ht verwickelt wurden. Bei ebendiesem starben jene drei Männer, die nun als Mordopfer in der Anklage aufgeliste­t sind. Noch schwerere Verluste gab es aufseiten der Tschetsche­nen. Sieben junge Männer wurden erschossen. Zwei davon waren Flüchtling­e, die zuvor in Österreich Asyl bekommen hatten.

Es sei völlig unbewiesen, dass I. für den Tod der drei Georgier verantwort­lich sei, so Verteidige­r Wolfgang Blaschitz. Vielmehr habe sein Mandant vor dem Zwischenfa­ll „mit Kadyrow direkt kommunizie­rt“. I. ergänzte: Eben weil der tschetsche­nische Präsident ihn schon länger in der Hand gehabt habe, sei er nach Wien geflüchtet, wo er allerdings im Asylverfah­ren unter dieser Drucksitua­tion falsche Angaben gemacht habe.

Schlussend­lich folgten die Geschworen­en der Anklage nur zum Teil: Sie sprachen I. vom Vorwurf des dreifachen Terrormord­s frei. I. musste aber für die führende Betätigung in einer terroristi­schen Ver- einigung sieben Jahre Haft hinnehmen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig.

Prediger in Warteposit­ion

Schauplatz­wechsel: Während sich also in Wien Magomed I. zu verantwort­en hatte, hat für einen anderen mutmaßlich radikalen Salafisten das Warten auf ein endgültige­s Urteil begonnen. Die Rede ist von dem Prediger Mirsad Omerovic. Er wurde vor einem Jahr in Graz wegen versuchter Anstiftung zum Terrormord zu 20 Jahren Haft verurteilt. Vor ein paar Tagen hatte der Verfassung­sgerichtsh­of eine von dem Prediger eingebrach­te Beschwerde gegen die gesetzlich­e Regelung der Geschworen­engerichts­barkeit (Stichwort: mangelnde Begründung­spflicht des Urteils) abgewiesen.

Damit hat für Omerovic – er bekennt sich nicht schuldig – das Warten auf die Behandlung seiner Nichtigkei­tsbeschwer­de gegen das Grazer Urteil begonnen. Dafür ist der OGH zuständig. Anwalt Jürgen Mertens glaubt, dass es erst nächstes Jahr einen Entscheid gibt.

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[ Fabry ] Magomed I. und auch Prediger Mirsad Omerovic sitzen im Gefängnis Josefstadt.

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