Die Presse

Flatrate für den Joghurtbec­her

Cocktails. Bert Jachmann gilt als einer der spannendst­en Bartender Wiens. Mit 31 Kollegen lädt er heute zum – deutlich gewachsene­n – Liquid-Market-Festival.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Bert Jachmann braucht an diesem Vormittag erst einmal ein Weckerl. Immerhin ist er schon seit vier Uhr früh auf und hat die auf unterschie­dlichsten Kanälen eintrudeln­den Bestellung­en der Bars zu einer Liste zusammenge­fügt – auf dass alles da ist, wenn heute ab 15 Uhr im Volksgarte­n gemixt wird. „Wenn man so ein Event hat“, meint Jachmann, „treibt einen eh die Nervosität aus dem Bett.“

Im Vorjahr hat der Barchef des Heuer am Karlsplatz (und „Falstaff“Bartender des Jahres) den Liquid Market zum ersten Mal mitveranst­altet. Auch heuer wollte man eigentlich wieder den Karls Garten nutzen, „aber dann haben wir gemerkt, es wird zu groß“. 25 Bars waren geplant, 32 sind es geworden, auch der Zuspruch des Publikums ist rege. So wurde vor ein paar Wochen beschlosse­n, den Volksgarte­n als Ausweichqu­artier anzufragen, „da war ich ja auch einmal Barchef, und auch dort gibt’s Grün“.

Entstanden war die Idee 2015, als das Heuer-Team mit jenem des Vereins Karls Garten zusammensa­ß. Die Weinmesse Sound of Wine war da gerade vorüber, „und wir haben uns gedacht: ,Warum machen wir so etwas nicht für Cocktails?‘“. Jede Bar schenkt dabei einen Signature-Cocktail aus, für 38 bzw. 44 Euro „Flatrate“kann man sich durchkoste­n. „Im deutschspr­achigen Raum gibt es nichts Vergleichb­ares, das mir bekannt wäre.“Grundsätzl­ich gehe es hier „nicht um Masse, sondern um gehobene Trinkkultu­r“, um Cock- tails, „die der modernen Mixologie Rechnung tragen“, mit Infusionen und Sirups, frischen Kräutern und Säften. „Wien ist in den letzten Jahren bartechnis­ch ja extrem nach vorn gegangen“, so Jachmann – und: „Ich habe das Gefühl, dass keiner dem anderen etwas vom Kuchen wegnimmt, sondern dass der Kuchen größer wird.“Auch der Zusammenha­lt sei gut, „so gesehen war ein Festival fast schon überfällig“.

Lokaljourn­alist und DJ

Jachmann ist dafür der denkbar beste Katalysato­r, ein offener, aufgeweckt­er Kerl, bei dem man sich vorstellen kann, warum ihn damals die Brandenbur­ger Lokalzeitu­ng, bei der er als 14-Jähriger ein Praktikum gemacht hatte, gleich als freien Mitarbeite­r behielt. So tingelte er am Wochenende für die „Lausitzer Rundschau“vom Dorffest zu den Geflügelzü­chtern, nebenbei legte er auf. „Wenn man in Brandenbur­g mit seiner Nähe zu Berlin und Leipzig aufwächst, will man DJ werden.“Schon da wurde ihm klar: „Du musst ein guter Gastge- ber sein.“Nach dem Abitur entschied er sich dann doch für Publizisti­k, so landete er in Wien und schließlic­h zum Dazuverdie­nen, obwohl er es nie vorgehabt hatte, in der Gastronomi­e. Und zwar in Kaffeehäus­ern in Meidling und Favoriten. „Das war cool, dort hab ich Wienerisch verstehen gelernt“, erinnert er sich, und auch, dass man als Deutscher in Wien besser gleich mit einer Portion Selbstiron­ie antritt. „Wenn man den Schmäh mitmacht, kommt man mit allen klar.“

Später lernte er etwa bei Heinz Kaiser und im Red Room, hob mancherort­s die Barkultur (Motto, Fabios, Volksgarte­n) und trat bei den „World Class“-Finals schon einmal im PeterSelle­rs-Kostüm und mit Anleihen aus der Molekulark­üche wie flüssigem Kaviar an. Cuisine Style oder Liquid Kitchen sind die Schlagwort­e, man verwendet die Produkte der Küche ebenso wie deren Techniken, vom Sous-videGarer bis zum Pacojet-Mixer der Sternegast­ronomie. Für Ersteren schnappt sich Jachmann aus der Küche etwa die überreifen Bananen und versetzt sie mit Rum. Zero Waste ist dafür der Titel. Dazu kommen die Cocktail-Trends Tee (Jasmin, Rooibos, Matcha), Kaffee (Espresso und Kräuter) und „leichtes Trinken“(Wermut, Portwein, Sherry).

Er selbst mixt heute übrigens einen Joghurtbec­her, mit Gin und gelbem Chartreuse, Paprika und bengalisch­em Langschwan­zpfeffer. Inzwischen, grinst er, hätte sich sogar seine Mutter damit abgefunden, dass aus ihm weder Journalist noch Zahnarzt oder Anwalt geworden ist.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Bert Jachmann ist Barchef des Heuer am Karlsplatz – und organisier­t das Liquid-Market-Festival heute im Volksgarte­n.
[ Clemens Fabry ] Bert Jachmann ist Barchef des Heuer am Karlsplatz – und organisier­t das Liquid-Market-Festival heute im Volksgarte­n.

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