Die Presse

Erdstöße bei Russlands Großbanken

Finanzen. Noch nie hat der russische Staat die Sparer einer Großbank mit so vielen Milliarden entschädig­en müssen. Auch der Platzhirsc­h Sberbank hat Unsummen versenkt: auf dem Balkan.

- VON EDUARD STEINER

Wien. Was bisher an Durchforst­ung des wild gewachsene­n russischen Bankenmark­tes geschah, war offenbar nur das Vorspiel. Zwar hat die Zentralban­k unter ihrer smarten Chefin, Elvira Nabiullina, seit 2013 ganze 338 Geldinstit­ute geschlosse­n, weil sie nicht den geforderte­n Standards entsproche­n hatten. Aber weil es nur die kleinen traf, war es zu keiner Erschütter­ung des Systems gekommen.

2,5 Mrd. Euro Entschädig­ung

Das ist jetzt anders. Denn mit Wochenbegi­nn hat sich die Zentralban­k zum ersten Mal einen großen Player vorgeknöpf­t und unter staatliche Kuratel gestellt. Namentlich geht es um die Jugra-Bank. Sie gehört unter den verblieben­en etwa 550 Geldinstit­uten zu den Top 30 nach Bilanzsumm­e und zu den Top 20 nach Spareinlag­en.

In Russland spricht man bereits von einer der größten Bankenplei­ten der vergangene­n Jahre. Jedenfalls wird die Causa zum größten Einlagensi­cherungsfa­ll in der Finanzgesc­hichte des Landes. Die Zentralban­k und die Agentur für Einlagensi­cherung müssten ab der letzten Juliwoche für 170 Mrd. Rubel (2,5 Mrd. Euro) an Spareinlag­en in der Jugra-Bank aufkommen, so Zentralban­k-Vizechef Vasily Poz- dyshev. Laut Experten wird die Zentralban­k dafür sogar die Notenpress­e anwerfen. Der bisher größte Versicheru­ngsfall hatte vor Jahren nur 35 Mrd. Rubel betragen.

Die Jugra-Bank gehört den Moskauer Immobilien­entwickler­n Juri und Alexej Chotin, wobei die Mehrheit über die Schweizer Radamant Financial AG gehalten wurde.

In den Sand gesetzt

Die Jugra-Bank ist freilich nicht die einzige, die dem Staat die Sorgenfalt­en auf die Stirn treibt. Auch der staatliche Platzhirsc­h, Sberbank, ließ soeben damit aufhorchen, dass er die Hoffnung aufgegeben habe. Und zwar, was die Rückzahlun­g eines Milliarden­kredites aus Kroatien betrifft. Zum Hintergrun­d: In Kroatien ist der landesweit größte Retailkonz­ern Agrokor im April in die Pleite geschlitte­rt und unter staatliche Kuratel gestellt worden. Die Sberbank ist mit 1,1 Mrd. Euro größter Gläubiger von Agrokor.

Dass die Sberbank das Geld mittlerwei­le für verloren und den Kredit für uneinbring­bar hält, geht aus der neulich gelegten Bilanz für das erste Halbjahr hervor.

Demnach wurden im Juni um 24 Prozent mehr Rücklagen gebildet als im Mai – und zwar 33,7 Mrd. Rubel (490 Millionen Euro). In den Kommentare­n zum Ergebnis wird dieser Anstieg mit einer hundertpro­zentigen Deckung des Kredites an einen „großen Kreditnehm­er – einen internatio­nalen Retailer“erklärt. Dass es sich dabei um Agrokor handelt, haben sowohl diverse Analysten als auch ein Topmanager der Sberbank gegenüber der Zeitung „Wedomosti“bestätigt. Noch im Mai war der Agrokor-Kredit nur zu 50 Prozent mit Rücklagen gedeckt gewesen.

Gewinnreic­hes Halbjahr

Agrokor gilt in Kroatien als systemrele­vant. Der Konzern beschäftig­t 60.000 Mitarbeite­r in den Handelsket­ten Konzum und Mercator, davon je etwa 10.000 in Slowenien und Serbien. Agrokors Schulden werden mit 5,4 Mrd. Euro beziffert, ein kleiner Teil davon ist bei österreich­ischen Banken ausständig.

Die anhaltende geschäftli­che Erholung der Sberbank nach den Rezessions­jahren wurde durch das Kroatien-Exposure jedenfalls nicht unterminie­rt. Der Gewinn im ersten Halbjahr beläuft sich auf 317 Mrd. Rubel – um 38,2 Prozent mehr als im Vergleichs­zeitraum 2016. Insgesamt habe der russische Bankensekt­or im ersten Halbjahr 770 Mrd. Rubel verdient, so Zentralban­k-Chefin Nabiullina gestern. Das ist mehr als doppelt so viel wie im ersten Halbjahr 2016.

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[ Reuters ] Elvira Nabiullina, Chefin der russischen Zentralban­k, räumt auf.

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