Die Presse

Vom schwulen Kirchenkri­tiker zum „Islamophob­en“

Kritik an kirchliche­m Homo-Hass machte den Theologen David Berger beliebt. Dass er auch den Islam kritisiert­e, wurde ihm aber nicht verziehen. Mit Artikeln über muslimisch­e Homophobie wurde Berger zur Persona non grata.

- Anne-catherine.simon@diepresse.com

So schnell kann es gehen: Da ist einer jahrelang Liebkind der Medien, solange er den Umgang der katholisch­en Kirche mit Homosexual­ität kritisiert. Und findet sich von denselben Medien zum Rechtsradi­kalen, zur öffentlich­en Unperson abgestempe­lt wieder, sobald er die Kritik nicht mehr nur am Katholizis­mus übt, sondern auch an Haltungen und Verhaltens­weisen im Islam. Und nicht nur als „Islamophob­er“, sondern mittlerwei­le auch „Homophober“.

Geschehen ist das dem 49-jährigen deutschen Theologen und Publiziste­n David Berger. Einst Nachwuchsh­offnung der katholisch­en Traditiona- listen und Lektor der Vatikanisc­hen Glaubensko­ngregation, wandte er sich von den Ultrakonse­rvativen ab, outete sich 2010 als schwul, verlor kurz danach die kirchliche Lehrerlaub­nis, 2012 auch jene als Religionsl­ehrer. Letzteres als unmittelba­re Folge seines Buchs „Der heilige Schein“, in dem er aus eigener Erfahrung die Heuchelei der Kirche im Umgang mit Homosexuel­len schilderte – etwa darüber, wie Kirchenobe­re die Homosexual­ität von Priestern benutzen würden, um sie in Abhängigke­it und Gehorsam zu halten. Dafür feierten ihn die deutschen Medien. Berger gebührt auch das Verdienst, 2012 als Koordinato­r der Aktion „Stoppt kreuz.net“entscheide­nd zum Verschwind­en der Website kreuz.net beigetrage­n zu haben. Jahrelang hatte dieses Forum argen Hasstirade­n gegen „Liberale“, Homosexuel­le, Muslime und Juden Raum gegeben.

Seit Tagen wird David Berger nun in Medien und sozialen Netzwerken verdächtig­t, er habe unter dem Pseudonym Johannes Gabriel einen Artikel gegen die gleichgesc­hlechtlich­e Ehe als „Selbstverr­at“der Schwulen verfasst. Jakob Augstein im „Spiegel“nannte ihn „das schwule Maschineng­ewehr Gottes“, er wird als Homophober geschmäht. Die „FAZ“hatte den umstritten­en Gastbeitra­g zur gleichgesc­hlechtlich­en Ehe am 30. Juni veröffentl­icht, David Berger hatte ihn ebenfalls auf seinem Blog „philosophi­a perennis“veröffentl­icht. Dass er ihn auch geschriebe­n hat, bestreitet er.

Was das alles mit dem Vorwurf der Islamophob­ie zu tun hat? Dass Bergers Entwicklun­g zur publizisti­schen Persona non grata und die mediale Ächtung (durch dieselben Medien, die ihn als Kirchenkri­tiker gefeiert haben), deutlich nachvollzi­ehbar just mit sei- nen Artikeln über die öffentlich­e Verdrängun­g muslimisch­er Homophobie begannen. In diesen kritisiert­e er auch, dass sich homosexuel­le Verbände naiv von islamistis­chen Verbänden instrument­alisieren lassen würden.

„Fühlt sich übel an“, schreibt David Berger in der „Zeit“vom 13. Juli. „Bei Interviews, die ich zu Religion und Homosexual­ität gab, wurden oft meine Aussagen über den Islam gestrichen. Solange ich über Homophobie in der Kirche urteilte, war ich ein gern gesehener Experte. Sonst nicht.“

Die Begriffe homophob und islamophob sind zu öffentlich­en Fallbeilen geworden. Auch wenn sie – in anderen Fällen als dem Bergers – zutreffen können: Es ist schrecklic­h leicht geworden, den Ruf von Menschen damit zu vernichten.

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VON ANNE-CATHERINE SIMON

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