Die Presse

Danke, Sozialpart­ner, aber euer Projekt ist seit Jahren beendet

Es sind die Unternehme­n, die den Wohlstand in diesem Land generieren.

- VON ANDREAS GNESDA Andreas Gnesda ist Unternehme­r, seit 1985 im Bereich Office Consulting tätig und Lektor an Universitä­ten und Fachhochsc­hulen. Seit 2014 ist er Präsident des Österreich­ischen Gewerbever­eins (ÖGV), der ältesten Unternehme­rvereinigu­ng Öste

Drei von fünf Studenten wollen in ihrem Berufslebe­n unabhängig vom Arbeitsort und von Arbeitszei­t arbeiten. Nach der unlängst veröffentl­ichten Market-Studie würden 90 Prozent der Österreich­er phasenweis­e bis zu zwölf Stunden arbeiten, wenn sie einen zusätzlich­en freien Tag und mehr Freizeit gewinnen könnten. 87 Prozent der Arbeitnehm­er sind überzeugt, dass flexiblere Arbeitszei­ten ihren Job sichern.

In Österreich entscheide­t der Gesetzgebe­r über die Gestaltung unseres Arbeitsleb­ens. Zehn Stunden am Tag sind das Maximum. Damit sind wir mit Portugal europäisch­es Schlusslic­ht, was Flexibilit­ät betrifft. In Belgien und der Schweiz sind es elf Stunden, in den Niederland­en zwölf, in Italien, Irland, Großbritan­nien und Dänemark 13. In Finnland, Kroatien, Spanien und Schweden sind die Menschen wohl noch reifer, denn dort gibt es keine tägliche Höchstarbe­itszeit. Nachbar Deutschlan­d lässt kollektivv­ertraglich­e Vereinbaru­ngen zu, die Anzahl der bezahlten Überstunde­n ist dort von 1106 Mio. im Jahr 2000 auf 764 Mio. im Jahr 2015 gesunken.

Entspricht es noch einem aufgeklärt­en Menschenbi­ld des 21. Jahrhunder­ts, dass man uns die „Freiheit“auf Arbeit nimmt?

Was die Sorgen betrifft. Die Wirtschaft boomt, aber nicht bei uns. Wen wundert’s? Sogenannte Interessen­vertreter, die über viel zu große finanziell­e Mittel verfügen, die aus Zwangsmitg­liedsbeitr­ägen stammen – wir können uns also nicht einmal aussuchen, ob wir unsere Interessen durch Arbeiterka­mmer, Wirtschaft­skammer und Co. vertreten lassen wollen –, machen politische Arbeit.

Blockierun­g des Wandels

Mit dem Geld und der politische­n Arbeit werden Vorschläge gemacht und alle Veränderun­gen blockiert, die Wirtschaft und Wohlstand fördern könnten. Die Folge sind Stagnation, schlechte Stimmung, Realeinkom­mensverlus­te und Ab- wanderung. Das gibt den Interessen­vertretern den Raum, sich artikulier­en zu können, Schuldige zu identifizi­eren und für die Interessen ihrer Mitglieder einzutrete­n.

Ein paradoxes System

Wenn sie stattdesse­n zielgerich­tet und konstrukti­v zusammenar­beiteten, wäre das alles nicht nötig. Ein paradoxes System, das sich selbst erhält und den Fortschrit­t blockiert. Die Sozialpart­nerschaft ist ein großes Projekt Nachkriegs­österreich­s. Ohne diese Zusammenar­beit wäre ein Aufbau des zerstörten Landes nie so rasch möglich gewesen. Dieses Projekt ist aber seit Jahren abgeschlos­sen, die Sozialpart­nerschaft muss neu definiert werden.

Falls es manche vergessen haben: Unternehme­rinnen und Unternehme­r sind zusammen mit ihren Mitarbeite­rn die Einzigen, die in diesem Land für Wertschöpf­ung sorgen und damit Wohlstand generieren. Staat und Interessen­vertreter geben uns ein Rechtssyst­em, sorgen für Gerechtigk­eit und sozialen Ausgleich, schaffen Infrastruk­tur, auf deren Boden sich Wirtschaft entwickeln kann.

Die vermeintli­che staatliche Förderung oder Zuwendung stammt immer aus den finanziell­en Mitteln anderer, die vorher brav eingezahlt haben; zugegeben um einen beträchtli­chen Teil reduziert durch die Kosten, die wir für die Erhaltung des Systems brauchen.

Zu guter Letzt: Auf betrieblic­her Ebene funktionie­rt die Zusammenar­beit zwischen Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern sehr gut – und damit viel besser als zwischen den Interessen­vertretern. Weil dort Menschen mit Augenmaß und Verantwort­ung am Werk sind. Ihnen gilt der Dank!

Newspapers in German

Newspapers from Austria