Der genaue Blick für die Einzelheiten
Führungskräfte zeichnen sich durch Beobachtungsgabe aus. Sie signalisiert Interesse, Nähe, Beziehung.
Es war ein rauschendes Fest. 200 geladene Gäste vergnügten sich bei kulinarischen und kulturellen Genüssen, sangen miteinander Lieder und tanzten, hörten lobenden Reden und Gratulationen zu, staunten über überraschende Gäste und originelle Geschenke. Der Chef einer großen Firma feierte seinen 70. Geburtstag.
Was aber als Reaktion auf dieses Fest in den Wochen danach folgte, war eine noch größere Überraschung. Als guter Freund durfte ich in seinem Büro bei der Beantwortung der vielen Glückwunschschreiben, E-Mails, Briefe, Karten, Videobotschaften dabei sein. Es wurde eine unvergessliche Lernstunde.
Keine vorgedruckten Karten, keine vorgefertigten Sätze, keine immer gleich lautenden Dankesworte: Nein, hier eine einfühlsame Frage nach der Gesundheit der Mutter, da die Erinnerung an ein gemeinsames Erlebnis, hier ein beratendes Wort zur Wahl des Studienfaches, da ein tröstendes Wort angesichts eines jüngst erlebten Verlusts.
Hier ein dankbares Staunen über das Geschenk einer langen Freundschaft, da die Freude über eine überraschende neue Beziehung, hier ein humorvolles Zitat, da ein besinnlicher Vers, hier die Beilage eines Fotos vom Fest, da ein vorbereiteter kleiner Zettel mit einer Zeitungsnotiz.
Für einen kurzen Moment vergegenwärtigte der Chef jeden Menschen, jede Familie, jede Gruppe, bevor er seiner Antwort eine Form gab. Immer eine Kleinigkeit erwähnend, auf etwas Besonderes hinweisend. Ein unglaublicher Blick für die Details, ein schöpferischer Aus- druck einer Beziehung, einer Bindung, einer Liebe. Das Geheimnis seiner Führungsstärke leuchtete darin auf.
Die Erschließung des Grabes Jesu geschieht schrittweise. Maria aus Magdala, die Geliebte, sieht den Stein vor dem Grab weggewälzt, sie wird zur Zeugin dieser Entdeckung und bringt ihre zwei wichtigsten Partner im gemeinsamen Werk zum Laufen. Der Lieblingsschüler Jesu – nach der Tradition ist es ein Johannes – beugt sich in das Grab und sieht Jesu Todeskleid.
Petrus, den Jesus zum „Chef“seiner Gründung gemacht hat, geht in das Grab hinein. Dort sieht er Genaueres, Details: Das Kleid, das Jesu Leichnam umhüllt, und das Schweißtuch, das Jesu blutendes Haupt umschlossen hat; beide liegen geordnet da, zusammengelegt, an verschiedenen Plätzen.
Kein Grabraub, kein Chaos, kein gewaltsamer oder ungeordneter Aufbruch oder Ausbruch aus der Totenwelt, sondern beides Zeichen und Zeugen eines von den Totenkleidern befreiten Jesus.
Sein Leib ist frei, sein Kopf ist frei. Das genaue Hinschauen des Petrus wird später zur Tradition des Turiner Grabtuchs und zum legendären Schweißtuch der heiligen Veronika führen.
Führungskräfte zeichnen sich durch genaue Beobachtungsgabe aus. Sie signalisiert Interesse, Nähe, Beziehung und macht stark.
Petrus sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte . . . Joh 19,6–7