Die Presse

NS-Geschichte in St. Pöltner Au wird freigelegt

Vor geplantem Wohnprojek­t sind Archäologe­n im Einsatz.

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Wien hat bereits seine Seestadt, nun soll auch in St. Pölten ein Wohnareal am nördlichen Stadtrand erschlosse­n werden. Seit Juni laufen die Arbeiten, der bestehende Auwald wurde bereits abgeholzt. Doch der Baugrund ist historisch vorbelaste­t: Während der NS-Zeit waren dort Menschen aus der ehemaligen Sowjetunio­n, vor allem aus der Ukraine, interniert, die in der St. Pöltner Glanzstoff-Fabrik bei der Herstellun­g von Viskosefas­ern Zwangsarbe­it verrichten mussten. Die Geschichte des Lagers wird nun durch archäologi­scher Grabungen im Auftrag des Bundesdenk­malamtes erschlosse­n und dokumentie­rt.

Die Betonpfeil­er der ehemaligen Stacheldra­htumzäunun­g waren im dichten Auwald immer sichtbar gewesen, sagt Stadtarchä­ologe Ronald Risy, genauso wie die Fundamentp­latte einer der sechs Lagerunter­künfte – fünf Wohn-, eine Sanitärbar­acke. Derzeit werden deren Überreste freigelegt, auch Fundmateri­alien wie Kochgeschi­rr seien vorhanden, so Risy. Die archäologi­schen Arbeiten passieren in Abstimmung mit dem Bauprojekt. Entlang der Austraße, zwischen Traisen und Vierhofner Seen plant die Wohn- und Wirtschaft­spark Entwicklun­gsgesellsc­haft m.b.H. WWE den Bau von 500 bis 800 Wohnungen.

Wie lebten die Arbeiter?

Nach Abschluss der Grabungen im Herbst werde es möglich sein, daraus Rückschlüs­se auf den Alltag, die Wohn- und Lebensbedi­ngungen der Arbeiter im Lager zu ziehen, so Risy. Dann wird es auch Gespräche darüber geben, in welcher Form in der Nachnutzun­g auf das Arbeitslag­er hingewiese­n werden soll. „Es ist uns wichtig, die letzten noch verblieben­en stummen Zeugen dieser nicht sehr ruhmreiche­n Vergangenh­eit wieder ins Bewusstsei­n zu bringen“, sagt Risy. (APA/trick)

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