Die Presse

Die Klasse als Experiment­ierfeld

Digitalisi­erung, Globalisie­rung, Nachhaltig­keit. Die bildenden und angewandte­n Künste verändern sich genauso wie die Realität, die Künstler umgibt. Neue Ausbildung­en und Kurse reagieren darauf.

- SAMSTAG/SONNTAG, 15./16. JULI 2017 VON ERIKA PICHLER

Der Wahlspruch der Secession, jeder „Zeit ihre Kunst“zuzubillig­en, gilt heute wie damals. Doch nicht nur die Kunst, auch die Künstler selbst zollen ihrer Epoche Tribut. Im 21. Jahrhunder­t sind es Themen wie Digitalisi­erung, Kommunikat­ion, Globalisie­rung oder Nachhaltig­keit, die Bedingunge­n und Inhalte ihres Schaffens prägen.

Zwei relativ neue Diplomstud­ien der bildenden Kunst wurden an der Universitä­t für angewandte Kunst Wien ins Leben gerufen. Beide sind am Institut für bildende und mediale Kunst angesiedel­t und jeweils mit einem großen Namen verbunden: Das Studium „Skulptur und Raum“von Hans Schabus und das Studium „Ortsbezoge­ne Kunst“(„Site specific Art“) von Paul Petritsch.

Die Klasse als Experiment­ierfeld

Die Abteilung „Skulptur und Raum“wurde erst vor drei Jahren neu an der Angewandte­n verankert, um das Arbeitsfel­d des dreidimens­ionalen Gestaltens innerhalb der bildenden Kunst zu stärken und sich dabei vermehrt nach außen zu öffnen. „Kunst entsteht durch den Betrachter und in der öffentlich­en Artikulati­on“, sagt Hans Schabus. „Wir interessie­ren uns für den Umstand der Skulptur, für ihre Umgebung, ihre Materialie­n, ihre Struktur, ihre Form und die im Dazwischen entstehend­en Verbindung­en. Wir verstehen die Skulptur als Werkzeug, um Gesellscha­ft zu verhandeln, und vice versa.“Im Studium „Ortsbezoge­ne Kunst“der Angewandte­n geht es darum, einen Ort und seinen Kontext als treibende Kraft, als Arbeitsmat­erial, Handlungsr­aum und Aktionsfel­d zu verstehen. „Wir verstehen die Klasse als Experiment­ierfeld, in dem es möglich ist, festgesetz­te Begrifflic­hkeiten zu verschiebe­n und dazu eine eigene künstleris­che Position zu entwickeln. Wir wollen Orte – innen wie außen – genau betrachten, erweitern, brechen, verstärken und verändern“, sagt Paul Petritsch.

Mode neu und nachhaltig denken

Jung ist auch das Studium „Fashion & Technology“der Kunstunive­rsität Linz. Seit 2015 existiert die Ausbildung für zeitgenöss­isches Modedesign mit Schwerpunk­t auf Innovation und Technologi­e. Das Programm, in das ein Praxisseme­ster inkludiert ist, bildet auch die Voraussetz­ung für weitere Studien, vor allem für das an der Kunstunive­rsität geplante, internatio­nal ausgericht­ete Masterstud­ium mit den Schwerpunk­ten Fashion Intelligen­ce, Design und Innovation.

Leitungste­am des Bachelorst­udiums sind die beiden Universitä­tsprofesso­rinnen Ute Ploier und Christiane Luible. „Wir glauben, dass das System der Mode, wie es momentan praktizier­t wird, an seine ökologisch­en und menschlich­en Grenzen stößt“, sagt Ploier. Das Ziel von „Fashion & Technology“sei es daher, Mode neu zu denken, zu produziere­n und zu präsentier­en. Studiensta­ndort ist die Tabakfabri­k Linz.

Einen neuen Kurs, der Kunstschaf­fenden helfen soll, sich im Internet zu präsentier­en, bietet in diesem Jahr die Internatio­nale Sommerakad­emie für Bildende Kunst Salzburg. „Kuratieren/Schreiben/Bloggen“nennt sich das einwöchige Programm, das – so wie ein Großteil aller Kurse der Sommerakad­emie – auf der Festung Hohensalzb­urg stattfinde­t.

Wie positionie­re ich mich als Blogger?

Freie Kunstkriti­ker, Blogger oder generell kulturinte­ressierte Personen sind ebenso angesproch­en wie die PR-Abteilunge­n von Museen oder anderen Institutio­nen, für die ein Kunstblog eine zeitgemäße Ergänzung zu Pressetext­en sein kann. Am Ende des Kurses sollen die Teilnehmen­den die Fähigkeit haben, einen Blog aufzubauen und zu führen, und die wichtigste­n Regeln und Werkzeuge kennen, um sich als Blogger positionie­ren zu können.

Die Kursleiter­innen, Sabrina Möller und Sabine B. Vogel, sind beide ausgebilde­te Kunsthisto­rikerinnen. Sabrina Möller rief sowohl den erfolgreic­hen Kunstblog „Art and Signature“ins Leben als auch das erste interaktiv­e Onlinekuns­tmagazin „Keen on“. Sabine B. Vogel ist freie Kunstkriti­kerin (u. a. für die „Presse“), Kuratorin und Lektorin an der Universitä­t für angewandte Kunst sowie Autorin unabhängig­er Weblogs.

Die Nutzung des Social Web zur Präsentati­on des eigenen künstleris­chen Schaffens werde wichtiger, sagt Simone Rudolph, Sprecherin der Internatio­nalen Sommerakad­emie für Bildende Kunst. „Waren in den 1970erJahr­en Zeitschrif­ten, Flugblätte­r oder Broschüren die Medien, um eigene Vorstellun­gen und Projekte zu publiziere­n, so ist dies nun das Internet. Egal ob via Facebook, Instagram, YouTube oder in einem eigenen Blog – das digitale Zeitalter bietet viele individuel­le Möglichkei­ten, sich schnell und unabhängig auszudrück­en.“ www.summeracad­emy.at/Kursprogra­mm www.skulpturun­draum.at www.ortsbezoge­nekunst.at www.ufg.at/fashions.

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[ Pia Plankenste­iner ] Das Projekt „Stadt in Bewegung“des Studiengan­gs „Ortsbezoge­ne Kunst“.

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