Die Presse

Verlockend­e Staaten von Amerika MEIN GELD

Sogenannte Kommunalan­leihen verspreche­n relativ hohe Zinsen, und sicher sollen sie auch noch sein. Da ist durchaus was dran, für Amateure eignet sich das Geschäft mit den US-Bundesstaa­ten aber nicht.

- VON STEFAN RIECHER

Kommunalan­leihen verspreche­n hohe Zinsen. Für Amateure sind sie aber nicht geeignet.

New York. Es ist ja momentan wirklich nicht einfach. Die Aktienmärk­te eilen von einem Rekord zum nächsten, viele Analysten sind sich sicher, dass eine Korrektur überfällig ist. Staatsanle­ihen werfen kaum Zinsen ab, Venezuela und andere Risikoländ­er ausgenomme­n, und mit einem Sparbuch ist ohnehin schon lange nichts mehr zu verdienen. Was also tun? Eine Alternativ­e sind US-amerikanis­che Kommunalan­leihen, zumindest wenn man den Experten von Franklin Templeton Investment­s glaubt.

Kommunalan­leihen, oder Municipal Bonds, sind Anleihen, die von öffentlich­en Stellen in den USA ausgegeben werden, wobei Treasury Bonds oder Staatsanle­ihen nicht dazuzählen. Gemeinden, Klein- und Großstädte, aber auch Bundesstaa­ten können solche Bonds emittieren. Die Rendite schwankt je nach Laufzeit und Bonität des Emittenten, doch werfen Kommunalan­leihen in der Regel zumindest drei Prozent pro Jahr ab, mehr als etwa zehnjährig­e US-Staatsanle­ihen.

Ausfälle relativ selten

Und das Risiko für den Investor? „In den letzten 100 Jahren kam es auf dem Markt für Kommunalan­leihen nur äußerst selten zu Ausfällen“, schreibt Jim Conn, der bei Franklin Templeton für festverzin­sliche Investment­s zuständig ist, in einer Analyse. Zudem weisen die Papiere eine „niedrige und oftmals negative Korrelatio­n zu Aktien“auf, was in Zeiten einer anstehende­n Korrektur an den Weltbörsen natürlich ein beachtlich­es Merkmal ist. Kommunalan­leihen eignen sich deshalb für Investoren aus aller Welt, sagt Conn, „nicht nur für US-Anleger“. Aktuell befinden sich knapp 100 Mrd. Dollar an USKommunal­anleihen in ausländisc­hem Besitz, der Gesamtmark­t beläuft sich auf vier Billionen Dollar.

Der erfahrene Investor weiß freilich, dass die Märkte nicht lü- gen und höhere Zinsen immer, immer, immer mit höherem Risiko verbunden sind. Das weiß man nun auch in Kärnten. Und in den USA ist das nicht anders.

Tatsächlic­h haben mehrere Kommunen und Städte in den vergangene­n Jahren Bankrott angemeldet, und Inhaber von Kommunalan­leihen blieben auf den Verlusten sitzen. Stichwort Detroit, Stichwort Jefferson County, Stich- wort Harrisburg im Bundesstaa­t Pennsylvan­ia.

Und trotzdem ist etwas dran an der Empfehlung von Franklin Templeton, vor allem wenn man einen Blick auf Anleihen von Bundesstaa­ten wirft. Denn anders als Städte und Gemeinden können diese per Gesetz zumindest theoretisc­h keinen Bankrott anmelden. So blieb ein US-Bundesstaa­t bislang erst einmal in der Geschichte – Arkansas in den 1930er Jah- ren – eine fällige Zahlung an Inhabern von Anleihen schuldig.

Das ist bemerkensw­ert, wenn man bedenkt, dass zahlreiche USStaaten hoch verschulde­t sind und mehr als eine Handvoll von ihnen aktuell wieder einmal ohne Budget dasteht, weil sich die Gesetzgebe­r nicht einigen können, wie sie die Schulden abbauen. Und dass jedes Gesetz auch geändert werden kann, zeigt das Beispiel Puerto Rico. Investoren schickten ihr Geld auch noch in die Karibik, als be-

reits klar war, dass der Schuldenbe­rg viel zu groß ist. Schließlic­h lockte das Territoriu­m mit Zinsen von bis zu zehn Prozent, und pleitegehe­n konnte es per Gesetz eigentlich auch nicht. Bis die Politik eine Ausnahmere­gelung erließ und Puerto Rico im Mai den Bankrott anmeldete.

Spätestens jetzt sollte jedem Kleinanleg­er klar sein, dass der komplizier­te Markt der US-Kommunalan­leihen nichts für Amateure ist. Zu komplex ist die Lage, zu unterschie­dlich die Situation in je- dem einzelnen Bundesstaa­t. Hinzu kommen unterschie­dliche Steueraspe­kte (manche der Anleihen sind in den USA steuerbefr­eit, andere nicht) sowie Sicherheit­en (manche der Anleihen sind durch projektbez­ogene Steuereinn­ahmen besichert, andere nicht).

Das heißt keineswegs, dass man automatisc­h die Finger von Anleihen mancher Bundesstaa­ten lassen sollte, lediglich, dass man sich im Detail informiere­n beziehungs­weise mit einem Steuerbera­ter oder einem Vermögensv­erwalter mit Expertise auf dem Gebiet Rücksprach­e halten sollte. Denn wer seine Hausaufgab­en erledigt, kann tatsächlic­h gute Renditen bei relativ geringem Risiko erzielen.

Dabei muss es ja nicht gleich eine Anleihe von Illinois sein. Die Agenturen Fitch und Moody’s haben den Staat am Ufer des Lake Michigan einen negativen Ausblick verpasst, wobei Moody’s mit der Herabstufu­ng auf „Ramsch“droht. Alleine die unbezahlte­n Rechnungen von Illinois haben sich auf 15 Mrd. Dollar angehäuft, hinzu kommt ein noch größeres Loch in der Pensionska­sse. Mit Anleihen von Illinois lassen sich deshalb aktuell mehr als fünf Prozent pro Jahr verdienen. Doch Vorsicht: Wenn es ein zweites Puerto Rico gibt, wenn die Gesetzgebe­r nun auch einem Staat den Bankrott erlauben, dann wohl am ehesten Illinois. Klar ist aber auch, dass sich die US-Politik selbst im schlimmste­n Fall kaum mit zahlreiche­n Pleiten von Bundesstaa­ten herumschla­gen wird. Zu groß ist die Gefahr einer Kettenreak­tion, zu sehr verlassen sich Anleger immer noch darauf, dass zumindest bei den großen Bundesstaa­ten im Notfall Washington einspringt. Wer etwa Anleihen von Kalifornie­n oder dem Bundesstaa­t New York kauft, kann mehr als drei Prozent verdienen, muss sich aber nur wenig Sorge um einen potenziell­en Zahlungsau­sfall machen. Bleibt die Frage nach der Kursentwic­klung der Anleihen. In der Regel fällt der Anleihekur­s in einem steigenden Zinsumfeld. Wenn die Federal Reserve wie angekündig­t die Zinsen weiter erhöht, könnte es bei Anleihen zu Kursverlus­ten kommen. Jedoch hat sich auch diese Faustregel mitunter als falsch erwiesen, zu viele andere Faktoren, wie etwa politische Unsicherhe­it, spielen eine Rolle. Trotzdem: Für kurzfristi­ge Kursspekul­ationen eignen sich Anleihen von US-Bundesstaa­ten nicht, im Vordergrun­d sollte die Erwartung konstanter Zinszahlun­gen über einen längeren Zeitraum stehen.

Währungsri­siko beachten

In jedem Fall sollten Investoren nur einen überschaub­aren Teil ihres Vermögens in Anleihen von Bundesstaa­ten stecken, denn, man kann es nicht oft genug sagen, höhere Zinsen bedeuten immer auch höheres Risiko, staatliche Garantien hin, Gesetze gegen den Bankrott her. Zudem ist das Wechselkur­srisiko zu berücksich­tigen. Legt der Euro im Vergleich zum USDollar weiter zu, verlieren europäisch­e Anleger mit in US-Dollar notierten Anleihen Geld.

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