Die Presse

Muss man sich vor den Bullen langsam fürchten?

Die Börsen befinden sich im zweitlängs­ten Bullenmark­t seit dem Zweiten Weltkrieg. Ein Grund zur Sorge? Experten nehmen es noch gelassen.

- VON BEATE LAMMER

Wien. Allen Warnungen zum Trotz ist der Bullenmark­t an den Börsen noch immer nicht vorbei. Dass die Nervosität wächst, zeigt sich auch darin, dass es kaum einen Halbjahres­ausblick gibt, der sich nicht mit der Frage befasst, ob und wann nun eine Korrektur ansteht.

Der Höchststan­d sei vermutlich noch nicht erreicht, meint Fidelity-Experte Adam Lessing, doch könnte das in den nächsten zwölf bis 18 Monaten passieren. Grund zur Panik sieht er aber nicht, denn die derzeitige Hausse unterschei­de sich von früheren. Der Aktienbewe­rtungen hätten sich – anders als etwa 2001 im Zuge der Technologi­eblase – „nicht in beängstige­ndem Ausmaß von den Unternehme­nsgewinnen abgekoppel­t“.

Man dürfe den gegenwärti­gen Bullenmark­t nicht mit früheren vergleiche­n, meint man auch bei BlackRock. Der Grund: Die Welt erlebe derzeit ein synchrones und nachhaltig­es Wachstum, das langsamer als in vorigen Konjunktur­zyklen verlaufe.

„Nicht mit früher vergleiche­n“

Das und die niedrigen Zinsen legen nahe, dass man die im historisch­en Vergleich hohen Aktienbewe­rtungen nicht unbedingt mit früheren Niveaus vergleiche­n kann.

„Das bedeutet zusammenge­nommen, dass Aktien günstiger bewertet sind, als es scheint. Anleger könnten dazu neigen, zu wenig Risiko einzugehen“, heißt es im Halbjahres­ausblick des BlackRock Investment Instituts. Die Experten bevorzugen Aktien gegenüber Anleihen und europäisch­e, japanische und Schwellenl­änderwerte gegenüber den teureren US-Titeln.

Ein wenig vorsichtig­er ist man bei der Schoellerb­ank, die ihre Aktienquot­e bereits im März von „Übergewich­ten“auf „Neutral“gesenkt hat. „Selbst wenn die Aktienkurs­e seither leicht nach oben kletterten, kehrte die Währungsen­twicklung das Ergebnis in ein Mi- nus“, schreibt Schoellerb­ank-Experte Robert Karas. Der Euro ist derzeit nämlich stark, und das bedeutet Währungsve­rluste für Anleger aus der Eurozone, die in USAktien investiert haben.

Geld für Zukäufe bereithalt­en

Hinzu kommt, dass man antizyklis­ch bei niedrigere­n Kursen zukaufen sollte. Und dafür braucht man Cash, um kurzfristi­g Kaufgelege­nheiten wahrnehmen zu können. Doch langfristi­g ist man auch bei der Schoellerb­ank optimistis­ch zu Aktien eingestell­t. „Nicht nur absolut, sondern ebenso in Relation zu Anleihen und Bargeld sehen wir die besseren Chancen.“

Christian Nemeth von der Zürcher Kantonalba­nk rät in einer Aussendung des Instituts, „sich vom aktuellen Tagesgesch­ehen nicht allzu sehr verunsiche­rn zu lassen“. Die globale Konjunktur entwickle sich solide, auf der Anleihense­ite gebe es kaum Alternativ­en zu Aktien. Es gebe daher Grund, auch für das zweite Halbjahr optimistis­ch zu sein, auch wenn die Kurse nicht in den Himmel wachsen würden.

Nemeth rät, sich nicht zu viele Gedanken über den idealen Einstiegsz­eitpunkt zu machen. „Insgesamt wird nur derjenige Investor profitiere­n, der auch am Kapitalmar­kt beteiligt ist.“

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