Die Presse

Ist Österreich zu korrupt?

Vorsorgeka­ssen. Die Fair Finance hat sich der ethischen Veranlagun­g verschrieb­en. Ihr Chef, Markus Zeilinger, erzählt von Tücken im Detail.

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Wien. „Der Ausschluss von Staaten mit Atomkraft tut am meisten weh“, sagt Fair-Finance-Chef Markus Zeilinger. Die Vorsorgeka­sse hat sich der Nachhaltig­keit in der Veranlagun­g verschrieb­en und legt das sehr streng aus. Sie kauft nicht nur keine Anleihen von Staaten, die die Todesstraf­e anwenden, korrupt sind oder die Umwelt zerstören, sondern auch keine von Ländern mit einem gewissen Anteil an Atomenergi­eerzeugung. In französisc­he oder slowakisch­e Staatsanle­ihen investiert man daher nicht, in solche aus den USA sowieso nicht.

Österreich­ische Staatsanle­ihen kommen infrage. Doch selbst das war nicht sicher. Über die Veranlagun­gsregeln im Detail entscheide­t der Kundenbeir­at mit, erklärt Zeilinger. „Die Kunden sind oft strenger als wir.“Etwa bei der Korruption. In Anleihen von Staaten, die im Korruption­sindex von Transparen­cy Internatio­nal weniger als 70 Punkte erreichen, wollten die Kunden gar nicht investiere­n. Österreich schaffte 2013 aber nur 69 Punkte. „Auch die baltischen Staaten würden rausfallen“, sagt Zeilinger. Schließlic­h einigte man sich, dass bei Anleihen, die man bis Laufzeiten­de hält, ein Wert von 70 Voraussetz­ung sei, bei anderen Anleihen reiche 50, sofern sich das Land verbessere.

Auch bei Immobilien legt man Wert auf Nachhaltig­keit. Das Problem dabei: Neue Gebäude spielen in Sachen Energieeff­izienz oft alle Stückerln, doch wäre es nicht energieeff­izient, jedes Altgebäude abzureißen. Also investiert man auch in Altgebäude, die ökologisch­e Mindestkri­terien erfüllen. Die Mieter müssen ebenfalls ethischen Standards entspreche­n. So habe man ein Haus erworben, in dem eine Tabaktrafi­k einquartie­rt sei. Wenn deren Mietvertra­g auslaufe, werde er nicht verlängert, berichtet Zeilinger.

Bei Aktien gibt es ebenfalls Negativ- und Positivkri­terien für die Unternehme­n. Waffen, Alkohol, Glücksspie­l und Tabak stehen auf der No-go-Liste, aber auch Unternehme­n, die durch unethische Verhaltens­weisen wie Bilanzfäls­chung oder kontrovers­es Umweltverh­alten aufgefalle­n sind. Die Titelauswa­hl nimmt die Vorsorgeka­sse nicht selbst vor, sondern überträgt diese Aufgabe externen Fondsmanag­ern, die sich an die Vorgaben halten müssen.

12,63 Mrd. Euro werden in Österreich nachhaltig veranlagt, wie aus Daten des Forums Nachhaltig­e Geldanlage­n hervorgeht. Fast die Hälfte davon wird von den Vorsorgeka­ssen verwaltet, die für die Gelder der „Abfertigun­g neu“zuständig sind. (b. l.)

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