Die Presse

„Tatort“Wiener Krankenhäu­ser

Die Hirngespin­ste eines alten Primarius und das wahre Geschehen im heutigen Krankenhau­sbetrieb.

- VON JOHANNES POIGENFÜRS­T E-Mails an: debatte@diepresse.com

Vor Kurzem konnte man im Fernsehen staunend die Aussage eines Direktors der Allgemeine­n Unfallvers­icherungsa­nstalt vernehmen, in der er mitteilte, dass es sich um ein Dienstverg­ehen handle, wenn ein diensthabe­nder Arzt des Unfallkran­kenhauses Lorenz Böhler an einem Tag, an dem das Operieren verboten war, den Hörer des roten Rettungste­lefons abhebt, wenn es geläutet hat.

Viele schüttelte­n den Kopf und fragten nach dem Sinn dieser Maßnahme, weil sich ja schon seit Jahrzehnte­n gezeigt hat, dass alle Versuche scheitern, die Arbeitsbel­astung in Krankenhäu­sern durch Reduktion der Patienten- und Patientinn­enzahl zu mindern.

Aber man hat dazugelern­t und versucht es jetzt mit drastische­ren Methoden. So sollten eine Zeit lang nachts zwischen 22 Uhr und 6 Uhr des nächsten Morgens keine Verletzten aufgenomme­n werden, außer sie kommen per Rettung oder per Hubschraub­er. Damit dies aber nicht überhandni­mmt, sollen jetzt, wie berichtet wurde, auch diese Aufnahmen an Wochenende­n verboten werden; es dürfe auch nicht operiert werden.

Wo man noch sparen könnte

Zwar hat man ja an all diesen Tagen zu jeder Stunde entspreche­nde Dienstmann­schaften aller Arbeitsber­eiche vorgesehen. Die könnte man dann aber einsparen: die Sekretärin­nen, die zur ambulanten oder stationäre­n Aufnahme alle vorbereite­nden Arbeiten klaglos fehlerfrei erledigen; die Röntgenass­istentinne­n, die genau wissen, wie man das Röntgenbil­d für die Lunge, für das Knie oder das Sprunggele­nk einstellen muss; „Flott“und „Fröhlich“und alle anderen, die da zusammenar­beiten, die Schwestern, die Hilfskräft­e, die Laborantin­nen, die Heilgymnas­tinnen, die Ärztinnen und Ärzte. Sie sind alle zu teuer.

Man überlegt auch, das Röntgen von Freitag bis Montagfrüh nicht zu besetzen oder nur mini- mal. Wenn man ein dringendes Lungenrönt­gen bei einem Verletzten braucht, wird sicher ein Radiologe der Umgebung einspringe­n, oder man schickt den Verletzten gleich samt Bett in ein anderes Krankenhau­s.

Ansuchen an die Direktion

Der Routinier überlegt, ob man in solchen Fällen nicht schon vorher ein Ansuchen an die Direktion richten sollte, um Bosheitsfä­lle der Ärzte zu vermeiden. Dann bekäme man zwar die Erlaubnis, aber die Röntgenunt­ersuchung ist dann wahrschein­lich gar nicht mehr notwendig.

Es gab Zeiten, in denen nur die Opfer von Arbeitsunf­ällen in Unfallkran­kenhäusern aufgenomme­n werden durften. Die erste Frage an den Verletzten hieß also nicht, wo er Schmerzen hat, sondern wer für seine Behandlung zahlen würde. Die AUVA oder eine Krankenkas­sa?

Diese Maßnahmen sprechen sich herum. Die Sanitäter sagen dann den Polizisten und Verletzten schon, ob es sinnvoll ist, ins Unfallkran­kenhaus zu fahren oder nicht, weil man von dort eventuell weitergesc­hickt wird. Zitzerlwei­ses Ersticken eines Krankenhau­ses.

Da geht’s in den Wiener Gemeindesp­itälern anders zu. Dieses Krankenhau­s lebt! Ein anderes wird zugesperrt, weil es keine Gangbetten hat? Nein, sondern weil ein anderes Krankenhau­s, das schon seit einigen Jahren immer nächstes Jahr fertig wird, im Jahr 2019 mit allem, was der Mensch braucht, eröffnet werden soll – wenn man die richtigen Dübel verwendet hat und die Glasplatte­n nicht herunterfa­llen.

So ist es natürlich nicht. Das sind alles nur Hirngespin­ste eines alten Primarius, der den vielen Gerüchten nicht Glauben schenken kann. Man könnte aber am Sonntag einen „Tatort“daraus machen.

Univ.-Prof. Dr. Johannes Poigenfürs­t (*1929 in Wien) war jahrelang Leiter des Unfallkran­kenhauses Lorenz Böhler in Wien.

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