Die Presse

Als Nächstes Text einer Mädchen-Beschneide­rin?

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„Viel geprüfte Türkei“, Gastkommen­tar von Botschafte­r Mehmet Ferden C¸arikc¸i, 13. 7. Mit Erschütter­ung musste ich den „Gastkommen­tar“des türkischen Botschafte­rs lesen. Erschütter­t war ich allerdings nicht über den wenig überrasche­nden und sehr erwartbare­n Inhalt, sondern darüber, einen derart unreflekti­erten und plakativen Propaganda­text in einer angeblich seriösen österreich­ischen Tageszeitu­ng vorgesetzt zu bekommen.

In Zeiten, in denen – berechtigt­erweise – türkische Politiker an der Einreise in mitteleuro­päische Länder gehindert werden, da sie dies nur in demokratie­gefährden- der Absicht tun, um ihre Klientel zu erreichen, öffnen Sie ihnen eine Hintertür, um deren aus der Luft gegriffene Plattitüde­n hier unters „Volk“(welches wohl?) zu bringen.

Eben Vokabel wie „Volkswille“in diesem Text sind es, die diesen besonderen Beigeschma­ck haben. Und vom „scheußlich­sten Putschvers­uch in der Geschichte einer westlichen Demokratie“[sic!] zu sprechen, zeugt von himmelschr­eiender politische­r und historisch­er Ignoranz – oder sogar Dummheit bzw. besorgnise­rregendem Größenwahn.

Einen solchen Propaganda­text unreflekti­ert und unkommenti­ert abzudrucke­n bietet dem Autor bzw. hier einer Regierung einfach nur ein Forum zur unwiderspr­ochenen Selbstdars­tellung. Es ist nichts weniger, als würde man „Mein Kampf“einmal mehr nicht historisch-kritisch veröffentl­ichen!

Und was kommt als Nächstes? Gastkommen­tare des IS („Man muss sich auch in diese Seite eindenken können!“) oder Propaganda­plakate von Blumenpara­den in Nordkorea („Es hat doch auch schöne Seiten dort!“)? Ein fetziger Kommentar einer Mädchen-Beschneide­rin aus Zentralafr­ika?

Ich hoffe, Sie finden wieder auf Schiene in Ihrer Blattlinie und zündeln nicht weiter mit billigen Provokatio­nen herum, um ein wenig mehr Aufmerksam­keit zu erhalten bzw. sich einen pseudolibe­ralen Anstrich zu verpassen! Mag. Kurt Newald, 1060 Wien

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