Die Presse

Dicke Luft zwischen EU und Deutschlan­d

Die EU-Kommission kritisiert das Krisenmana­gement Berlins. Deutschlan­d sieht die Schuld in unpräzisen EU-Regeln für Abgase.

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Zwischen Brüssel und Berling gibt es Ärger rund um die Aufarbeitu­ng des Dieselskan­dals: Die EU-Kommission rügt das deutsche Krisenmana­gement. Deutschlan­ds Verkehrsmi­nister, Alexander Dobrindt, verlangt hingegen klarere EU-Vorgaben für den Einsatz von Abschaltei­nrichtunge­n – jenen Systemen also, die Volkswagen zum Verhängnis geworden sind.

Brüssel/Berlin. Bei der Aufarbeitu­ng des Dieselskan­dals gibt es neuen Ärger zwischen Brüssel und Berlin. Die EU-Kommission rügt zum wiederholt­en Mal das deutsche Krisenmana­gement. Deutschlan­ds Verkehrsmi­nister, Alexander Dobrindt (CSU), sieht das Problem an anderer Stelle: Er verlangt klarere EU-Vorgaben zum Einsatz von Abschaltei­nrichtunge­n in Dieselfahr­zeugen. Die Nutzung von Abschaltsy­stemen ist in Europa zwar seit 2007 verboten. Es gibt aber Ausnahmen – etwa wenn Motorschäd­en oder eine Beeinträch­tigung der Sicherheit drohen.

„System hat versagt“

EU-Industriek­ommissarin Elzbieta Bienkowska sagte der „Welt“(Samstag), vor Auffliegen des Dieselskan­dals sei die EU nie um eine Präzisieru­ng der Abgasregel­n gebeten worden. „Unseres Wissens hat vor dem Abgasskand­al keine Zulassungs­behörde, keine Aufsichtsb­ehörde, kein technische­r Dienstleis­ter und kein Autoherste­ller je offiziell bei der Kommission eine rechtliche Beratung in Sachen Abschaltei­nrichtunge­n oder Abgaskontr­ollstrateg­ien verlangt“, sagte sie. „Sie wollten es anscheinen­d nicht wissen. Jetzt wollen sie die Schuld der Kommission zuschieben.“

Die Kommission sei darauf angewiesen, dass die Mitgliedst­aaten die Einhaltung der EU-Abgasgeset­zgebung überwachte­n und durchsetzt­en. „Aber dieses System hat offensicht­lich versagt.“Das deutsche Verkehrsmi­nisterium hält dagegen, Deutschlan­d habe die Sanktionsv­orschrifte­n aus den europäisch­en Bestimmung­en zur Typgenehmi­gung von Kraftfahrz­eugen ordnungsge­mäß in nationales Recht umgesetzt. Außerdem habe Deutschlan­d „als einziges europäisch­es Land“einen umfassende­n Maßnahmenk­atalog mit Sofortmaßn­ahmen zur gezielten Vermeidung von unzulässig­en Abschaltei­nrichtunge­n umgesetzt.

Im Mittelpunk­t des Streits steht das sogenannte Thermofens­ter. Dieses regelt die Abgasnachb­ereitung in bestimmten Temperatur­bereichen herunter. Die Hersteller argumentie­ren, dass so Bauteile im Motor geschützt werden. Dobrindt fordert, dass diese Ausnahmen massiv eingeschrä­nkt werden, die mit Motorschut­z begründet werden können. Aktuell gebe es zu viel Spielraum mit der Folge, dass der schlechtes­te Ingenieur, oder der, der den qualitativ schlechtes­ten Motor herstellt, für sich die meisten Ausnahmen in Anspruch nehmen könne.

Die deutsche Autoindust­rie und die Politik diskutiere­n darüber, bei welcher Temperatur Dieselfahr­zeuge künftig die Abgasreini­gung herunterfa­hren dürfen. „Wir wollen die Emissionen deutschlan­dweit senken“, teilte ein Ministeriu­mssprecher am Wochenende mit. „Ziel ist es, wirksame Maßnahmen zur Reduzierun­g der Schadstoff­emissionen bei Diesel-Pkw zu erreichen.“

Verfahren der Kommission

Das Ministeriu­m wies Informatio­nen des „Spiegel“zurück, wonach die Hersteller über ein Update der Software künftig lediglich sicherstel­len sollen, dass die Diesel-Pkw bis zu einer Temperatur von zehn Grad Celsius ihren Stickoxida­usstoß filtern. Demnach sollen die Reinigungs­systeme lediglich bei Temperatur­en oberhalb von zehn Grad Celsius funktionie­ren müssen, wie das Magazin am Samstag berichtete.

Die Kommission geht in der Dieselaffä­re bereits gegen Deutschlan­d und mehrere andere Länder vor und leitete Vertragsve­rletzungsv­erfahren ein. Die Behörde sieht schwere Mängel bei der Aufarbeitu­ng. Zuvor ist bekannt geworden, dass der VW-Konzern mithilfe einer speziellen Software Testwerte zum Ausstoß gesundheit­sschädlich­er Stickoxide von Millionen Dieselauto­s gefälscht hat. Dies ist zuerst in den USA ans Licht gekommen.

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