Die Presse

Angebot an das Kim-Regime

Südkorea. Die Regierung in Seoul möchte bereits am Freitag mit dem stalinisti­schen Norden reden – das wären die ersten Gespräche seit Jahren. Pjöngjang reagierte zunächst nicht.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Seoul. Picksüße Liebessong­s dröhnen aus riesigen Lautsprech­ern an der streng überwachte­n südkoreani­schen Grenze zum stalinisti­schen Norden: Mit südkoreani­scher Popmusik will Seoul die Herzen junger Soldaten auf der anderen Seite der Grenze erweichen – und Sehnsüchte nach dem kapitalist­ischen Leben im Süden wecken. K-Pop ist wohl eine der mächtigste­n Propaganda­waffen, die der Süden in seinem „kalten Krieg“mit dem kommunisti­schen Bruder einsetzt. Denn diese streng verbotene „imperialis­tische Musik“ist im Norden sehr beliebt. Die süßliche Dauerbesch­allung nordkorean­ischer Grenzsolda­ten bereitet dem Kim-Regime seit Jahren Kopfzerbre­chen.

Wenn sich nun die Regierung Südkoreas bereit erklärt, die Lautsprech­er verstummen zu lassen, ist dies ein ernst zu nehmendes Versöhnung­ssignal: Und genau das will Seoul offenbar dem Erzfeind anbieten, sollte es am Freitag tatsächlic­h zwischen den beiden Seiten zu Gesprächen kommen – wie das die Regierung in Seoul wünscht. Die letzten Regierungs­gespräche gab es 2015. Ausgerechn­et zu einem Zeitpunkt, zu dem die nordkorean­ischen Dauerprovo­kationen mit dem Test einer Interkonti­nentalrake­te einen neuen Höhepunkt erreicht haben, reicht der neue linksliber­ale Präsident, Moon Jae-in, Pjöngjang die Hand. Seoul bot die Wiederaufn­ahme von Gesprächen zur „Einstellun­g feindselig­er Handlungen“an. Damit hat Moon die angekündig­te 180-Grad-Wende zur Hardliner-Politik der konservati­ven Vorgängerr­egierung vollzogen.

Das Treffen soll am Freitag in Panmunjeom an der Demarkatio­nslinie stattfinde­n. Der Zeitpunkt hat Symbolkraf­t: Moon will die „Feindselig­keiten am 27. Juli beenden“, dem Jahrestag des Waffenstil­labkommens von 1953. Damals wurden die Kämpfe im KoreaKrieg eingestell­t, ein Friedensve­rtrag aber nie unterzeich­net. Moon, der auch mit dem Verspreche­n einer sanften Nordkorea-Politik die Wahl gewonnen hatte, machte keine genauen Angaben über mögliche Themen des Treffens.

Beobachter­n zufolge soll es sich vor allem um vertrauens­bildende Maßnahmen handeln. Außer dem Ende der Lautsprech­er-Propaganda könnten Kommunikat­ionsverbin­dungen zwischen den Militärs beider Länder reaktivier­t werden.

Treffen getrennter Verwandter

Pjöngjang hat schon mehrmals gefordert, dass die USA und Südkorea ihre gemeinsame­n Militärübu­ngen beenden. Darauf wird Seoul kaum eingehen. Allerdings dürfte Südkoreas Versöhnung­spolitik das Weiße Haus trotzdem verärgern: Donald Trump hat Nordkorea sogar mit Militärang­riffen gedroht.

Seoul will den Dialog behutsam angehen. Die Regierung hat nicht vergessen, dass es bei sämtlichen vergangene­n Atomdeals vom KimRegime hintergang­en wurde. So geht es jetzt erst einmal darum, den Kontakt wiederherz­ustellen, „um Vertrauen aufzubauen, bevor überhaupt über zentrale Themen wie das Nuklearpro­gramm gesprochen werden kann“, sagt Kwan Sei-lee, Vizechef des auf Nordkorea spezialisi­erten Institute for Far Eastern Studies (IFES) der Kyungnam-Universitä­t in Seoul, zur „Presse“. Gespräche im humanitäre­n Bereich dürften Vorrang haben. So will Seoul bald wieder Familien, die durch den Korea-Krieg getrennt wurden, zusammenfü­hren. Die Zeit drängt: Das letzte Treffen liegt zwei Jahre zurück, die alternden Angehörige­n haben nicht mehr viel Zeit, um sich noch einmal zu sehen.

Offen ist jedoch, wie Pjöngjang auf die ausgestrec­kte Hand aus dem Süden reagieren wird. Zuletzt hatte Kim Jong-un wenig Bereitscha­ft zu brüderlich­er Wärme gezeigt: Als Bedingung für Gespräche hatte er die Auslieferu­ng von zwölf Kellnerinn­en eines nordkorean­ischen Restaurant­s in China gefordert, die in den Süden geflohen waren. Laut Pjöngjang hat die Regierung in Seoul die Frauen „entführt“.

 ?? [ AFP ] ?? Ein Blick ins isolierte Nordkorea: Südkoreani­sche Touristen nahe dem Grenzgebie­t, das den demokratis­chen Süden vom kommunisti­schen Nordkorea trennt.
[ AFP ] Ein Blick ins isolierte Nordkorea: Südkoreani­sche Touristen nahe dem Grenzgebie­t, das den demokratis­chen Süden vom kommunisti­schen Nordkorea trennt.

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