Netanjahus Reise zu Orb´an stößt in Israel auf Kritik
Ungarn. Der israelische Premier, Netanjahu, trifft heute zu einem Freundschaftsbesuch bei Ungarns Regierungschef ein. Oppositionspolitiker und einige Zeitungen in Israel sind dagegen. Sie werfen der Orb´an-Regierung Antisemitismus vor.
Jerusalem. Benjamin Netanjahu war in großer Vorfreude auf seinen Budapest-Besuch am heutigen Dienstag. Denn von seinem Amtskollegen Viktor Orban´ musste Israels Premier keine Kritik gegen die Siedlungspolitik befürchten. Und beide Regierungschefs sind sich einig im Kampf gegen Islamismus.
Die erste Visite eines israelischen Premiers in Ungarn seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist freilich nicht ganz ungetrübt – und dies hat vor allem mit einer Hetzkampagne gegen den Milliardär George Soros zu tun. Der ungarischstämmige 86-jährige Holocaust-Überlebende, der in die USA emigrierte, spendet große Summen an Organisationen, die sowohl die Politik Israels als auch Ungarns kritisieren. Um den Umtrieben seines Gegners ein Ende zu machen, lancierte Orban´ eine 20 Millionen Euro teure Plakatkampagne: „Lasst nicht zu, dass Soros zuletzt lacht!“
In Ungarn geht es bei den regierungskritischen Organisationen, die Soros unterstützt, um Hilfe für Flüchtlinge. In Israel gehört Adalah, eine Bürgerrechtsorganisation, die sich auf die arabische Minderheit im Land konzentriert, zu den Nutznießern des Philanthropen. So fordert Adalah die Autopsie dreier arabisch-israelischer Attentäter, die am Freitag zwei Polizisten auf dem Tempelberg in Jerusalem ermordeten, bevor sie selbst von Polizisten erschossen wurden.
Netanjahu, so schreibt Allison Kaplan Sommer in der Tageszeitung „Haaretz“, „mag sich selbst als Anführer des jüdischen Volkes betrachten, aber es gibt doch Juden, die er mit ausgesprochen wenig Enthusiasmus repräsentiert. Und So- ros steht vermutlich ganz oben auf dieser Liste.“Netanjahu bremste den israelischen Botschafter in Budapest, Yossi Amrani, als dieser die Plakatkampagne gegen Soros verurteilte, weil sie „nicht nur traurige Erinnerungen wachrüttelt, sondern auch Hass und Angst schürt“. So scharf wollte man die Kritik in Jerusalem nicht formulieren.
Opposition fordert Absage
„Der Staat Israel kämpft gegen jede Form von Antisemitismus“, so der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Emmanuel Nahshon, zur „Presse“. „Auf der anderen Seite darf das nicht als Zustimmung zu Soros verstanden werden.“Auf keinen Fall wolle Israel die Kritik der ungarischen Regierung an Soros delegitimieren.
Auf der Facebook-Seite der Ungarn in Israel sind die Reaktionen eindeutig. „Bravo Israel“, lobt einer, und ein anderer beschimpft Soros als „Judenhasser“und „Nazi-Kollaborateur“. Völlig konträr fallen dagegen die Zeitungskommentare aus. „Wenn Antisemitismus legitim wird“, lautet der Titel einer Analyse in „Haaretz“: Netanjahu und Orban´ teilten eine „antidemokratische Vision“gegenüber Medien und Minderheiten, so die Zeitung. Beide bauen auf Kooperation. Die Ungarn wollen sich von Israel über die Abwehr afrikanischer Flüchtlinge und über Grenzzäune beraten lassen. Netanjahu hofft umgekehrt auf Rückendeckung der Osteuropäer gegen Israel-Kritiker in der EU.
Für Netanjahu wiegen die Interessen schwerer als der Streit wegen Soros und Orbans´ Lob für den Nazi-Kollaborateur Miklos´ Horthy. Oppositionsführer Yair Lapid, Nachkomme ungarischer Juden, forderte Netanjahu vergeblich zur Absage des Budapest-Besuchs auf.