„SP soll Kommissar stellen“
Interview. Evelyn Regner, Chefin der SPÖ-Europamandatare, fordert eine stärkere Rolle ihrer Partei in der Europapolitik Österreichs.
Die Presse: Sie haben etwas geschafft, was, so die Finanzminister mitspielen, viele Menschen fordern: eine Pflicht für Großkonzerne, in jedem Land offenzulegen, wie viel Ertragssteuer sie zahlen. Doch das kommt bei den Bürgern kaum an. Ist das die Tragik der Europaparlamentarierin? Evelyn Regner: Das Parlament hat hier seine Arbeit geleistet. Jetzt muss der Rat seine Arbeit leisten. Die Finanzminister sind bekannt dafür, dass sie sich nicht in die Karten schauen lassen möchten. Unser Finanzminister will das nicht. Aber Gott sei Dank ändert sich da auf europäischer Ebene etwas. Wenn große Unternehmen global handeln, tun die Staaten gut daran, zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass sie ihre Steuern bekommen. Globalisierung ist theoretisch etwas Wunderbares, aber viele Menschen fühlen sich abge- hängt. Die untere Mittelschicht zahlt drauf.
Warum kommt Ihre Arbeit nicht zu Hause bei den Menschen an? Muss man auf dem Heldenplatz mit einem großen Starbucks-Becher den Clown machen, um durchzudringen, wie Sie es unlängst taten? Für einen Bürger, der im täglichen Leben steht, ist es schwer nachzuvollziehen, wie die europäische Gesetzgebung funktioniert. Und selbst wenn etwas national umgesetzt wird, wird von den nationalen Stellen nicht dazugeschrieben, dass das eine europäische Richtlinie ist. Sondern es heißt: Endlich gibt es ein Abkommen zwischen Guernsey und Österreich. Deshalb ist es durchaus angebracht, national vor Ort und wenn notwendig auch aktionistisch auf unsere Anliegen hinzuweisen.
Im Juli vor zehn Jahren sind zwei Bear-Stearns-Fonds über die Planke gegangen, was der Auslöser der Weltfinanzkrise war. Dann war die Rede davon, dass die Stunde der Sozialdemokraten schlägt. Das hat sich nicht erfüllt. Woran lag das? Schauen Sie in der Geschichte zurück: War es tatsächlich so, dass die Sozialdemokratie stärker geworden ist, wenn die großen Krisen ausbrachen? Inhaltlich wäre es logisch. Aber in der Geschichte gibt es dafür kaum Beispiele.
Wieso nicht? Die Menschen spüren: Es wird schwieriger, es wird enger. Die Sozialdemokratie ist eine Bewegung, die das Glas halb voll sieht: Wenn wir es anpacken, wird es besser, dann sieht man auch Ergebnisse. Angst und Unsicherheit sind aber nie gute Partner für die Sozialdemokratie. Laut einer neuen Umfrage ist Österreich an vierter Stelle weltweit bei der Lebensqualität. In Österreich nehme ich aber wahr, dass die tatsächliche Wirklichkeit besser ist als die gefühlte Realität.
2019 ist Europawahl. Österreich wird dann ein Vierteljahrhundert lang EU-Mitglied gewesen sein. Und der österreichische Kommissar wird stets von der ÖVP gekommen sein. Wenn die SPÖ die Nationalrats- und die Europawahl gewinnt, sollte sie dann den Kommissar stellen? Natürlich. Wieso ist die SPÖ in dieser Frage immer zurückgetreten? Ich betreibe jetzt keine Vergangenheitsbewältigung. Ich fände es höchst an der Zeit, dass die Sozialdemokratie einen Kommissar oder eine Kommissarin stellt. Ich würde das als Bereicherung der europäischen Arbeit betrachten. Allerdings sollte man sich grundsätzlich überlegen, wie die Szenarien 2019 ausschauen. Sollte man die Kommission nicht verkleinern? Das hätte durchaus Sinn. Brauchen wir wirklich so viele Kommissare? Oder sollen wir das institutionelle Gefüge verschlanken?
Was wäre die ideale Größe für die Kommission? Ein Drittel weniger würde nicht schaden. Wenn es die Hälfte ist, ist es auch okay.
Ein Gegenargument lautet, dass die Kommissare innerhalb des Kollegiums die Interessen ihrer Heimatländer vertreten. Da müsste man sich überlegen, wie das Gehör der nationalen Interessen gewahrt bleibt. Es kann nicht sein, dass die großen Staaten dann über die anderen drüberfahren: Vielleicht wäre so eine Art von Staatssekretären eine Möglichkeit, damit umzugehen.
Sie könnten Ihren Hut bei der Frage nach dem Kommissionsposten in den Ring werfen. Das ist alles Zukunftsmusik, und ich werfe meinen Hut nirgendwo hin. Ich denke mir nur, dass es gut ist, wenn die Sozialdemokratie einen starken Anteil hat, an europäischer Arbeit mitzuwirken. Denn trotz Präsident Junckers schöner Worte vernachlässigt die Kommission die Arbeit für die soziale Konvergenz, die Verteilung zwischen Arm und Reich innerhalb der EU, auf sträfliche Weise.