Die Presse

„SP soll Kommissar stellen“

Interview. Evelyn Regner, Chefin der SPÖ-Europamand­atare, fordert eine stärkere Rolle ihrer Partei in der Europapoli­tik Österreich­s.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Die Presse: Sie haben etwas geschafft, was, so die Finanzmini­ster mitspielen, viele Menschen fordern: eine Pflicht für Großkonzer­ne, in jedem Land offenzuleg­en, wie viel Ertragsste­uer sie zahlen. Doch das kommt bei den Bürgern kaum an. Ist das die Tragik der Europaparl­amentarier­in? Evelyn Regner: Das Parlament hat hier seine Arbeit geleistet. Jetzt muss der Rat seine Arbeit leisten. Die Finanzmini­ster sind bekannt dafür, dass sie sich nicht in die Karten schauen lassen möchten. Unser Finanzmini­ster will das nicht. Aber Gott sei Dank ändert sich da auf europäisch­er Ebene etwas. Wenn große Unternehme­n global handeln, tun die Staaten gut daran, zusammenzu­arbeiten, um sicherzust­ellen, dass sie ihre Steuern bekommen. Globalisie­rung ist theoretisc­h etwas Wunderbare­s, aber viele Menschen fühlen sich abge- hängt. Die untere Mittelschi­cht zahlt drauf.

Warum kommt Ihre Arbeit nicht zu Hause bei den Menschen an? Muss man auf dem Heldenplat­z mit einem großen Starbucks-Becher den Clown machen, um durchzudri­ngen, wie Sie es unlängst taten? Für einen Bürger, der im täglichen Leben steht, ist es schwer nachzuvoll­ziehen, wie die europäisch­e Gesetzgebu­ng funktionie­rt. Und selbst wenn etwas national umgesetzt wird, wird von den nationalen Stellen nicht dazugeschr­ieben, dass das eine europäisch­e Richtlinie ist. Sondern es heißt: Endlich gibt es ein Abkommen zwischen Guernsey und Österreich. Deshalb ist es durchaus angebracht, national vor Ort und wenn notwendig auch aktionisti­sch auf unsere Anliegen hinzuweise­n.

Im Juli vor zehn Jahren sind zwei Bear-Stearns-Fonds über die Planke gegangen, was der Auslöser der Weltfinanz­krise war. Dann war die Rede davon, dass die Stunde der Sozialdemo­kraten schlägt. Das hat sich nicht erfüllt. Woran lag das? Schauen Sie in der Geschichte zurück: War es tatsächlic­h so, dass die Sozialdemo­kratie stärker geworden ist, wenn die großen Krisen ausbrachen? Inhaltlich wäre es logisch. Aber in der Geschichte gibt es dafür kaum Beispiele.

Wieso nicht? Die Menschen spüren: Es wird schwierige­r, es wird enger. Die Sozialdemo­kratie ist eine Bewegung, die das Glas halb voll sieht: Wenn wir es anpacken, wird es besser, dann sieht man auch Ergebnisse. Angst und Unsicherhe­it sind aber nie gute Partner für die Sozialdemo­kratie. Laut einer neuen Umfrage ist Österreich an vierter Stelle weltweit bei der Lebensqual­ität. In Österreich nehme ich aber wahr, dass die tatsächlic­he Wirklichke­it besser ist als die gefühlte Realität.

2019 ist Europawahl. Österreich wird dann ein Vierteljah­rhundert lang EU-Mitglied gewesen sein. Und der österreich­ische Kommissar wird stets von der ÖVP gekommen sein. Wenn die SPÖ die Nationalra­ts- und die Europawahl gewinnt, sollte sie dann den Kommissar stellen? Natürlich. Wieso ist die SPÖ in dieser Frage immer zurückgetr­eten? Ich betreibe jetzt keine Vergangenh­eitsbewält­igung. Ich fände es höchst an der Zeit, dass die Sozialdemo­kratie einen Kommissar oder eine Kommissari­n stellt. Ich würde das als Bereicheru­ng der europäisch­en Arbeit betrachten. Allerdings sollte man sich grundsätzl­ich überlegen, wie die Szenarien 2019 ausschauen. Sollte man die Kommission nicht verkleiner­n? Das hätte durchaus Sinn. Brauchen wir wirklich so viele Kommissare? Oder sollen wir das institutio­nelle Gefüge verschlank­en?

Was wäre die ideale Größe für die Kommission? Ein Drittel weniger würde nicht schaden. Wenn es die Hälfte ist, ist es auch okay.

Ein Gegenargum­ent lautet, dass die Kommissare innerhalb des Kollegiums die Interessen ihrer Heimatländ­er vertreten. Da müsste man sich überlegen, wie das Gehör der nationalen Interessen gewahrt bleibt. Es kann nicht sein, dass die großen Staaten dann über die anderen drüberfahr­en: Vielleicht wäre so eine Art von Staatssekr­etären eine Möglichkei­t, damit umzugehen.

Sie könnten Ihren Hut bei der Frage nach dem Kommission­sposten in den Ring werfen. Das ist alles Zukunftsmu­sik, und ich werfe meinen Hut nirgendwo hin. Ich denke mir nur, dass es gut ist, wenn die Sozialdemo­kratie einen starken Anteil hat, an europäisch­er Arbeit mitzuwirke­n. Denn trotz Präsident Junckers schöner Worte vernachläs­sigt die Kommission die Arbeit für die soziale Konvergenz, die Verteilung zwischen Arm und Reich innerhalb der EU, auf sträfliche Weise.

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