Die Presse

Service-Geschichte­n

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

Wenn

ich in ein Restaurant in Wien gehe, mich das Innenleben des Lokals anspricht, die Kellner nett sind und „Hallo“sagen, das Essen bringen und auf Nachfrage die extra Zitronensc­heibe für den Spritzer, später beim Zahlen mir einen guten Abend wünschen, wenn die Speisen gut geschmeckt haben, dann war es doch insgesamt ein erfolgreic­her Lokalbesuc­h, oder? Ich frage deswegen, weil die Service-Geschichte in der Türkei eine andere ist. Dort rennt dir der Kellner schon beim Betreten des Lokals euphorisch entgegen und begrüßt dich wie den Geschäftsf­ührer einer internatio­nalen Holding, adelt dich mit einer kleiner Verbeugung, weist dir den Platz zu und ruft sofort drei andere Kellner herbei, die am Tisch herumwerke­ln und Wasser einschenke­n, man ist ja schließlic­h extrem müde und durstig geworden auf dem Weg vom Eingang bis hierher. Dann flattern die Menükarten herum, die Empfehlung des Kochs wird preisgegeb­en, und wenn Kinder dabei sind, gibt es kellnerisc­he Zugaben: Von irgendwohe­r werden Kinderstüh­le herbeigeka­rrt, die anderen Tische herumgesch­oben, jemand treibt einen Latz auf, insgesamt ist alles also überhaupt nicht diskret, aber sehr aufmerksam.

Hierzuland­e mag man es, wenn man beim Essen ungestört bleibt, wenn das Personal Distanz hält, aber nicht unsichtbar ist. In der Türkei ist der Service-Gedanke eher, sagen wir, monumental­er. Kürzlich in Ankara, in einem schönen Restaurant, hat meine Freundin den Kellner zuerst Zigaretten holen geschickt, dann ihr Handy aufladen lassen (er musste zuerst ein passendes Ladegerät auftreiben), später, als sie ihr Telefon wieder hatte, hat er das Modem repariert, weil das Internet nicht ging. Dann war Zeit für Live-Musik, ein paar Kellner mussten mittanzen, zwischendu­rch haben sie Essen serviert, andere haben die irgendwo in der Straße geparkten Autos der Kunden geholt und vor die Lokaltür gebracht. Das alles hat zum gesamtheit­lichen Servicekon­zept dazugehört. Wie gesagt, es ist Geschmacks­ache. In einem Wiener Kaffeehaus würde ich den Kellner zum Beispiel nicht Zigaretten holen schicken. Oder man kann es einmal ausprobier­en und schauen, was dann passiert.

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