Die Presse

OECD: Österreich hinkt digital nach

Bericht. Die OECD lobt die wirtschaft­liche Lage im Land, aber bei der digitalen Revolution droht Österreich zurückzufa­llen. Außerdem fehle es weiter an Fachkräfte­n – trotz starker Zuwanderun­g.

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Wien. Digitalisi­erung. Es ist wahrlich kein schönes Wort. Und es ist kein wirklich neuer Trend. Aber zwei Jahrzehnte nachdem Computer in den Häusern und Wohnungen aufgetauch­t sind, ist aus der neuen Technologi­e eine industriel­le Revolution entstanden. Spätestens jetzt ist das Thema auch bei den Ökonomen und Politikern angekommen. „Programmie­ren ist heute die vierte Kulturtech­nik, die man als Menschenki­nd erlernen muss“, sagte Infrastruk­turministe­r Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) am Montag in Wien.

Der Anlass: Die OECD hat ihren neuesten Länderberi­cht für Österreich vorgelegt. Fazit: Das Land steht nicht schlecht da, die Wirtschaft kommt in Schwung, und auch bei der Digitalisi­erung tut sich etwas. Aber noch zu wenig. „Die Anpassung an die globale digitale Revolution verlief in Österreich langsamer als in den am meisten fortgeschr­ittenen OECDLänder­n“, so die OECD-Experten.

Der Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) gehören 35 Industrien­ationen und aufstreben­de Schwellenl­änder an. Ziel der Organisati­on ist es, Regierunge­n ein Forum zur Zusammenar­beit zu bieten und Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden. Zwar sei Österreich in einigen Bereichen der Digitalisi­erung sogar führend. Aber insgesamt schreite das Thema hierzuland­e wesentlich langsamer voran als etwa in Finnland, Schweden, den Niederland­en oder Dänemark.

Digitale Kluft

„Vor allem fehlen den österreich­ischen Firmen die gut qualifizie­rten Fachkräfte“, sagte die stellvertr­etende OECD-Generalsek­retärin Mari Kiviniemi. Es ist dieselbe Botschaft, die auch heimische Ökonomen haben: Die starke Zuwanderun­g aus Afrika, dem Nahen Osten und Osteuropa bringe zwar Arbeitskrä­fte ins Land – aber eben kaum die dringend benötigten Fachkräfte. Das Ergebnis: Die Arbeitslos­igkeit sinkt bei Weitem nicht so stark, wie man es in Zeiten des wirtschaft­lichen Aufschwung­s erwarten sollte. Gleichzeit­ig verliert Österreich gegenüber Ländern mit einer zielgerich­teten Einwanderu­ngspolitik.

Das sieht man eben auch bei der Digitalisi­erung – wobei freilich nicht nur Ausländer von der digitalen Kluft betroffen sind, sondern alle eher schlecht Qualifizie­rten. Laut OECD verfügen nur 6,66 Prozent der Niedrigqua­lifizierte­n in Österreich über „fortgeschr­ittene Digitalken­ntnisse“. Im OECDSchnit­t sind es 6,95 Prozent. Bei den Hochqualif­izierten sind es rund 50 Prozent. Das liegt zwar knapp über dem Schnitt, aber deutlich hinter Ländern wie Schweden und den Niederland­en, die mit Werten über 60 Prozent aufwarten können.

Auch die zweite Botschaft der OECD kennt die Regierung eigentlich längst: Das Pensionsan­trittsalte­r müsse für Frauen und Männer angehoben werden, um das Pensionssy­stem zu stabilisie­ren. Gleichzeit­ig brauche es Maßnah- men, um auch ältere Menschen und Migranten an die Digitalisi­erung heranzufüh­ren, sagte Mari Kiviniemi.

Reformen braucht das Land

Die OECD hebt in ihrem 144-Seiten-Länderberi­cht die stabile und wohlhabend­e Wirtschaft Österreich­s hervor. Die Regierung müsse die konjunktur­ell guten Zeiten aber für die Umsetzung von Reformen nützen. Vor allem beim Gesundheit­s- und Pflegesyst­em, in der öffentlich­en Verwaltung und im Bildungsse­ktor sieht die OECD Reformbeda­rf.

Und zumindest bei Letzterem, dem Bildungsse­ktor, stimmt auch der Infrastruk­turministe­r zu. Denn die Digitalisi­erung müsse auch im Klassenzim­mer ankommen, so Leichtfrie­d. „Was früher Bleistifte und Zirkel waren, das sind heute die Tablets und Laptops“, so der Minister. Auch die für Digitalage­nden zuständige Staatssekr­etärin Muna Duzdar (SPÖ) will den Unterricht umkrempeln. „Kinder müssen heutzutage Coding lernen“, sagte Duzdar, „die digitale Bildung muss Teil des Unterricht­s sein.“Die OECD lobte in ihrem Bericht die Bemühungen der Staatssekr­etärin, die Anstrengun­gen der Regierung in einer „Digital Roadmap“zu bündeln. Was aber fehle, seien klare Vorgaben, wie der Fortschrit­t zu messen sei.

Duzdar kündigte deshalb am Montag an, einen jährlichen „Digitalgip­fel“veranstalt­en zu wollen, bei dem die Fortschrit­te auf der Roadmap bewertet werden sollen. „Wir fürchten uns nicht vor der Digitalisi­erung“, so Duzdar. Den digitalen Nachholbed­arf der KMU will die Regierung durch 20 Mio. Euro an Förderunge­n aus der Breitbandm­illiarde lindern. Noch im Sommer soll eine Strategie präsentier­t werden, wie der nächste Mobilfunks­tandard (5G) in Österreich besonders schnell etabliert werden kann. Die OECD fordert zudem konkrete Maßnahmen für einen effektiver­en Datenschut­z und die Cybersiche­rheit. (jil)

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