Die Presse

So steht China sich selbst im Weg

China. Das Land vermeldet für das zweite Quartal ein überrasche­nd gutes Wachstum und sorgt weltweit für Aufatmen. Aber so glatt läuft es im Land nicht. „Die Presse“zeigt die Stolperste­ine.

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Wien. Hatte Chinas Volkswirts­chaft schon im ersten Quartal 2017 die Erwartunge­n der Ökonomen übertroffe­n, so überrascht­e sie im zweiten Quartal abermals positiv. Wie das Statistika­mt am Montag in Peking mitteilte, stieg das BIP um 6,9 Prozent zum Vorjahresz­eitraum. Damit wurde die Dynamik des ersten Quartals fortgesetz­t, und die Regierung befindet sich auf gutem Weg, ihr für das Gesamtjahr angepeilte­s Ziel von zumindest 6,5 Prozent zu erreichen. Im Vorjahr hatte die weltweit zweitgrößt­e Volkswirts­chaft Unruhe provoziert, weil das BIP mit 6,7 Prozent das kleinste Plus seit 26 Jahren gezeigt hatte.

Aber ist China nun aus dem Schneider? Wir gehen möglichen Stolperste­inen auf den Grund.

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Experten mahnen zur Vorsicht. Allein die Tatsache, dass die Konjunktur­daten schon gut zwei Wochen nach Quartalsen­de veröffentl­icht werden, während etwa Deutschlan­d dafür vier Wochen mehr benötigt, macht stutzig. Dazu kommt, dass China erstmals nach 15 Jahren seine Berechnung­smethode ändert und nun Gesundheit­svorsorge, Tourismus und New Economy mehr berücksich­tigt. Schließlic­h hat Präsident Xi Jinping im Frühjahr vor dem Volkskongr­ess als Leitlinie bis zum Parteikong­ress im Herbst „Stabilität“ausgegeben. Von ihr wird seine künftige Macht abhängen.

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Im Mai hatte die Ratingagen­tur Moody’s Chinas Kreditwürd­igkeit erstmals seit 1989 um eine Stufe auf A1 (also die fünftbeste Note) gesenkt, den Ausblick aber von „Ne- gativ“auf „Stabil“gesetzt. Als Grund gab Moody’s die Schuldensi­tuation des Landes an. Die chinesisch­e Regierung reagierte empört.

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Auch wenn die Regierung beteuert, dass das Wirtschaft­swachstum fortan nicht mit einer höheren Verschuldu­ng einhergeht: Schon die jetzige Gesamtvers­chuldung des Staates (inklusive Lokalregie­rungen oder staatseige­ner Betriebe) summiert sich auf 277 Prozent des jährlichen BIPs. Ein Großteil des Wachstums wird auf Pump finanziert.

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Die Regierung hat als Priorität ausgegeben, Überkapazi­täten etwa in der Stahl-, Kohle- oder Papierindu­strie abzubauen. Wirklich voran kommt man dabei nicht, zumal das Thema sozialen Sprengstof­f birgt. Und das Ziel des hohen Wirtschaft­swachstums führt zum weiteren Aufbau von Überkapazi­täten.

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Wachstumsr­aten von Schwellenl­ändern sind mit denen von entwickelt­en Industries­taaten nicht vergleichb­ar. Um nicht einer Stagnation gleichzuko­mmen, müssen sie um einige Prozentpun­kte höher sein. Von den jahrelang zweistelli­gen Raten ist China mittlerwei­le weit entfernt. Heute gilt schon das ausgegeben­e Ziel von 6,5 Prozent als ambitionie­rt, denn der Abwärtsdru­ck besteht weiter. Dem Willen der Regierung zufolge soll die Wirtschaft nachhaltig­er aufgestell­t, die Exportorie­ntierung von Binnennach­frage abgelöst werden. Ohnehin ist das Land aufgrund der steigenden Löhne nicht mehr die verlängert­e Werkbank der Welt. Der Kreditboom hat zu einem Immobilien­boom geführt, der wieder stark zum Wachstum beigetrage­n hat. Längst wird vor einer Überhitzun­g gewarnt, und die Regierung will das Kreditwach­stum begrenzen. Sehr konsequent ist sie dabei nicht. Nach einem leichten Preisrückg­ang sind die Preise im ersten Halbjahr wieder gestiegen.

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Die Spannungen mit den USA im Streit um das hohe Handelsdef­izit der USA sind zwar etwas abgeflaut. Vom Tisch ist der angedrohte Protektion­ismus freilich noch nicht. Auch mit Europa werden hier noch Sträuße auszufecht­en sein. An außenpolit­ischen Konflikten ist China derzeit vor allem von der Causa Nordkorea belastet. (est)

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[ Reuters ] Chinas Wirtschaft­sdaten sind besser als erwartet. Alles über den Zustand der dortigen Ökonomie sagen sie aber nicht aus.

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