Velociraptor hätte uns erwischt, T. rex nicht
Biologie. Nicht die Größten sind die Schnellsten, sondern die Mittelgroßen, das gilt im gesamten heutigen Tierreich, am Land, im Wasser, in der Luft. Es wird bei den Dinos nicht anders gewesen sein.
Als die Erde zitterte unter den Schritten von Tyrannosaurus rex, da wurde einem Angst um die heranwachsenden Helden im „Jurassic Park“, und die steigerte sich, als dann noch Velociraptor wuselte. Vor dem gab es kein Wegrennen, nur Verstecken, der war zu rasch. Und T. rex? Der war riesengroß, aber auch schnell? Darüber gab es unter Forschern viel Streit, man versuchte, die mögliche Höchstgeschwindigkeit aus dem Körperbau zu kalkulieren, man kam auf stark divergierende Werte, von 39,6 bis 72 km/h.
Woher soll man es auch wissen? Man bräuchte ein Gesetz bzw. eine Skalierung, die die Höchstgeschwindigkeit ins Verhältnis setzt etwa zur Körpergröße. Da liegt ein Ansatz nahe: Je größer einer ist, desto mehr Muskeln hat er, desto schneller kann er sein. Dass das nicht stimmt, merkte man rasch, die Schnellsten sind die mittlerer Größe, und zwar allerorten: Zu Lande die Geparden (mit einer Maximalgeschwindigkeit von 120 km/h), im Wasser die Schwarzen Marline (130), in der Luft die Falken (110), allerdings kennt die Literatur für Tauben stark differierende Werte (60 bis 160). In jedem Fall könnten Elefanten (40), Blauwale (37,08) und andere Riesen nicht mithalten.
Denn sie haben zwar mehr Muskeln, aber die müssen auch mehr Masse in Bewegung bringen, und das entscheidet: die Beschleunigung. Für die sorgt ein besonderer Muskeltyp, MHC II, er heißt auch der „schnell zuckende“, und er kann seinem Namen Ehre machen, weil er chemische Energie – Zucker – unter Sauerstoffabschluss extrem rasch in mechanische umsetzt. Aber die Vorräte an Zucker sind auch rasch erschöpft. Der andere Typ kann die Geschwindigkeit nur halten, nicht mehr steigern, er bezieht seine Energie aus einem anderen Stoffwechsel, der mit Sauerstoff läuft.
Darin sieht Myriam Hirt (Leipzig) eine so verblüffend einfache wie generell gültige Lösung: Die gesuchte Skalierung ist die eines auf den Kopf gestellten U, und zwar unabhängig vom Medium und der Bewegungsweise, sie gilt für alle, laufen, fliegen, schwimmen: Ab der mittleren Größe wird es mit dem Beschleunigen der Masse immer schwerer (Nature Ecology 17. 7.).
Ausnahme: Ausgerechnet der Mensch
Da überrascht es, dass das Gesetz ausgerechnet auf einen Mittelgroßen nicht zutrifft, den Menschen: Usain Bolt brachte es beim Weltrekord 2009 in Berlin auf 44,72 km/h. Vielleicht berücksichtigt Hirts Skalierung zu wenig die Lebensweise: Menschen können zwar nicht rasch, aber ausdauernd laufen, unsere Ahnen hetzten stundenlang Gazellen zu Tode – die überhitzen irgendwann, weil sie nicht schwitzen können wie wir –, manche Jäger und Sammler tun es heute noch.
In jedem Fall wäre zumindest Bolt rasch genug gewesen, einem T. rex zu entlaufen, gegen einen Velociraptor hätte jedoch nicht einmal er eine Chance gehabt: Der brachte es nach Hirts Formel auf bis zu 54,56 km/h, T. rex schaffte kaum die Hälfte, 27,07.