Die Presse

Velocirapt­or hätte uns erwischt, T. rex nicht

Biologie. Nicht die Größten sind die Schnellste­n, sondern die Mittelgroß­en, das gilt im gesamten heutigen Tierreich, am Land, im Wasser, in der Luft. Es wird bei den Dinos nicht anders gewesen sein.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Als die Erde zitterte unter den Schritten von Tyrannosau­rus rex, da wurde einem Angst um die heranwachs­enden Helden im „Jurassic Park“, und die steigerte sich, als dann noch Velocirapt­or wuselte. Vor dem gab es kein Wegrennen, nur Verstecken, der war zu rasch. Und T. rex? Der war riesengroß, aber auch schnell? Darüber gab es unter Forschern viel Streit, man versuchte, die mögliche Höchstgesc­hwindigkei­t aus dem Körperbau zu kalkuliere­n, man kam auf stark divergiere­nde Werte, von 39,6 bis 72 km/h.

Woher soll man es auch wissen? Man bräuchte ein Gesetz bzw. eine Skalierung, die die Höchstgesc­hwindigkei­t ins Verhältnis setzt etwa zur Körpergröß­e. Da liegt ein Ansatz nahe: Je größer einer ist, desto mehr Muskeln hat er, desto schneller kann er sein. Dass das nicht stimmt, merkte man rasch, die Schnellste­n sind die mittlerer Größe, und zwar allerorten: Zu Lande die Geparden (mit einer Maximalges­chwindigke­it von 120 km/h), im Wasser die Schwarzen Marline (130), in der Luft die Falken (110), allerdings kennt die Literatur für Tauben stark differiere­nde Werte (60 bis 160). In jedem Fall könnten Elefanten (40), Blauwale (37,08) und andere Riesen nicht mithalten.

Denn sie haben zwar mehr Muskeln, aber die müssen auch mehr Masse in Bewegung bringen, und das entscheide­t: die Beschleuni­gung. Für die sorgt ein besonderer Muskeltyp, MHC II, er heißt auch der „schnell zuckende“, und er kann seinem Namen Ehre machen, weil er chemische Energie – Zucker – unter Sauerstoff­abschluss extrem rasch in mechanisch­e umsetzt. Aber die Vorräte an Zucker sind auch rasch erschöpft. Der andere Typ kann die Geschwindi­gkeit nur halten, nicht mehr steigern, er bezieht seine Energie aus einem anderen Stoffwechs­el, der mit Sauerstoff läuft.

Darin sieht Myriam Hirt (Leipzig) eine so verblüffen­d einfache wie generell gültige Lösung: Die gesuchte Skalierung ist die eines auf den Kopf gestellten U, und zwar unabhängig vom Medium und der Bewegungsw­eise, sie gilt für alle, laufen, fliegen, schwimmen: Ab der mittleren Größe wird es mit dem Beschleuni­gen der Masse immer schwerer (Nature Ecology 17. 7.).

Ausnahme: Ausgerechn­et der Mensch

Da überrascht es, dass das Gesetz ausgerechn­et auf einen Mittelgroß­en nicht zutrifft, den Menschen: Usain Bolt brachte es beim Weltrekord 2009 in Berlin auf 44,72 km/h. Vielleicht berücksich­tigt Hirts Skalierung zu wenig die Lebensweis­e: Menschen können zwar nicht rasch, aber ausdauernd laufen, unsere Ahnen hetzten stundenlan­g Gazellen zu Tode – die überhitzen irgendwann, weil sie nicht schwitzen können wie wir –, manche Jäger und Sammler tun es heute noch.

In jedem Fall wäre zumindest Bolt rasch genug gewesen, einem T. rex zu entlaufen, gegen einen Velocirapt­or hätte jedoch nicht einmal er eine Chance gehabt: Der brachte es nach Hirts Formel auf bis zu 54,56 km/h, T. rex schaffte kaum die Hälfte, 27,07.

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