Die Presse

Ein Leben für die Untoten

Nachruf. Am Sonntag ist US-Regisseur George A. Romero, der Übervater des modernen Zombiefilm­s, an Krebs gestorben. Sein Werk war blutig, unheimlich – und politisch.

- VON ANDREY ARNOLD

Sie kommen und holen dich, Barbara!“, sagt der junge Mann im Scherz zu seiner Schwester. Er will ihr nur einen Schreck einjagen. Doch dann kommen sie wirklich. Wankend, stöhnend und mit Appetit auf Menschenfl­eisch. So beginnt die „Nacht der lebenden Toten“– jener Film, der den modernen Zombie zum Leben erweckt hat. Und das Debüt eines Regisseurs, dessen Schaffen das Horrorgenr­e nachhaltig prägen sollte: George A. Romero.

1940 kam Romero im New Yorker Stadtteil Bronx zur Welt. Schon als Jugendlich­er begeistert­e er sich für Gruselkino und drehte mit 14 erste Kurzfilme auf Super 8. Nach seinem Studium jobbte er als Industrie- und Werbefilme­r, arbeitete unter anderem für die Kinderseri­e „Mister Rogers‘ Neighborho­od“. Doch seine Interessen lagen anderswo: Bald gründete er mit Freunden eine eigene Produktion­sfirma und wagte sich an einen Horrorstre­ifen, inspiriert von Richard Mathesons Sci-Fi-Roman „I Am Legend“. „Night of the Living Dead“kostete nur 114.000 Dollar – und spielte fast 30 Millionen ein. Es war ein revolution­äres Werk in jeder Hinsicht, gespeist aus dem Geist der Gegenkultu­r. Die für damalige Verhältnis­se extreme Gewaltdars­tellung sorgte für Kontrovers­en. Die Handlung – mit einem schwarzen Helden, der am Ende von Hinterwäld­lern erschossen wird – traf den angespannt­en Zeitnerv des Erscheinun­gsjahres 1968. Und die schlurfend­en Wiedergäng­er (das Wort „Zombie“fällt im Film kein einziges Mal) waren Monster für die Ewigkeit.

Auch Romero selbst ließen sie nie mehr los. Immer wieder versuchte er, sich aus ihrer Umklammeru­ng zu lösen: Mit Arbeiten wie „Martin“, einem berührende­n Entfremdun­gsdrama über einen jungen Mann, der sich für einen Vampir hält. Oder mit „Knightride­rs“, einer schrullige­n Story über Mittelalte­rfans, die Ritterturn­iere auf Motorräder­n austragen. Doch die Macht der lebenden Toten zog ihn stets zu ihnen zurück.

Sozialkrit­ische Leinwandun­geheuer

1978 setzte er die Zombie-Saga fort: „Dawn of the Dead“, größtentei­ls in einem Einkaufsze­ntrum angesiedel­t, setzte neue Maßstäbe im Bereich blutiger Spezialeff­ekte – und etablierte die wandelnden Leichen endgültig als Sozialkrit­iker unter den Leinwandun­geheuern. Der Film gilt als Geburtsstu­nde eines neuen Genres: Er löste einen wahren Zombie-Boom aus, der bis heute anhält.

Nach dem unterschät­zten Bunker-Schocker „Day of the Dead“(1985) ließ Romero die Untoten für eine Weile ruhen, blieb dem Horror aber treu. Etwa in „The Dark Half“– der Adaption eines Romans seines Freundes Stephen King, mit dem er auch den Schauerges­chichtenfi­lm „Creepshow“realisiert­e.

Erst 2005 wandte er sich aufs Neue Zombies zu – und machte sie in seiner zweiten „Dead“-Trilogie („Land“, „Diary“und „Survival“) wieder politisch. An frühere Erfolge konnten seine neuen Filme jedoch nicht anschließe­n. Weniger, weil sich die ZombieMeta­pher totgelaufe­n hatte, sondern weil sie von der Postmodern­e vereinnahm­t worden war – nach selbstiron­ischen Komödien wie „Shaun of the Dead“fiel es schwer, sie noch ernst zu nehmen. Nach „Survival of the Dead“konnte Romero keinen Film mehr umsetzen, verfasste aber noch eine ZombieComi­c-Reihe für Marvel. Am Sonntag starb der 77-Jährige an Lungenkreb­s. Der Einfluss seines OEuvres auf die zeitgenöss­ische Popkultur ist nach wie vor enorm. Sein Do-ityourself-Ethos inspiriert­e eine ganze Generation von Filmemache­rn, Blockbuste­r wie „World War Z“und Serien wie „The Walking Dead“wären ohne Romero undenkbar. Ganz gleich, wie oft die Welt noch untergeht: Seine Zombies werden immer wieder auferstehe­n.

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[ Reuters ] George A. Romero sorgte mit seinen extremen Gewaltdars­tellungen für Kontrovers­en.

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