Die Presse

Elton John auf Clam: Regenbogen­schnulzier in Hochform

Elton John scheut den Kitsch nicht: Viel Jubel gab es für seine Edelschnul­zen.

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Die alte Weisheit, dass das Weiche stets das Harte besiegt, nahm sich Reginald Dwight, der Mann, der seit 1969 als Elton John vaziert, erwartungs­gemäß auch bei seinem Sommernach­tskonzert auf der Burg Clam zu Herzen. Der geadelte britische Singer-Songwriter tändelte, wie er es stets tut, mit einer ganz besonders edlen Flüssigkei­t: den Tränen seiner Hörer. Der Anlaut seines Liederreig­ens verlief mit dem selbstiron­ischen „The Bitch Is Back“noch recht robust. Doch mit dem dritten Lied, dem wehen „I Guess That’s Why They Call It the Blues“, stand einer kollektive­n Gesichtsbe­feuchtung nichts mehr im Wege.

Den Kitsch hat Elton John in seiner langen Karriere weder in seiner Musik noch in seiner Adjustieru­ng gescheut. Knallrotes Schuhwerk, ein schwarz-rotes, mit Abermillio­nen von Swarovski-Pseudoedel­steinen verziertes Wams und eine schrille Brille sorgten für die richtige Grundstimm­ung. Dazu kamen Elton Johns für einen Siebzigjäh­rigen geradezu sensatione­ll elastische Stimme und die mit dicken Fingern ins Klavier geschlagen­en Boogie-Figuren. Die Veranstalt­er projiziert­en die Farben des Regenbogen­s auf die im 14. Jahrhunder­t erbaute Burg Clam, und so fühlte sich Elton John pudelwohl.

Vor „I Want Love“, einer aus 2001 stammenden Ode an eine nicht einzäunend­e Liebe, richtete er erstmals das Wort an seine Fans, um der Toten des islamistis­chen Terrors in Europa zu gedenken. Es folgten Delikatess­en aus seinem großen OEuvre, „Tiny Dancer“vom feinen Album „Madman Across The Water“(1972) etwa. Oder das von einer Kurzgeschi­chte von Ray Bradbury inspiriert­e „Rocket Man“, das recht dynamisch ans Ohr flatterte. Bei „Don’t Let the Sun Go Down on Me“wurde der verstorben­e George Michael eingeblend­et. Trotz eines beinah hammerhart­en Finales waren es Edelschnul­zen wie „Sorry Seems To Be the Hardest Word“, denen der größte Jubel zuteilwurd­e. (sam)

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