Land der Berge, Land der Blockchain
Technologie. Wirtschaftsminister Harald Mahrer will Österreich als Blockchain-Nation etablieren – und hat auch einen Fahrplan: Statt neuer Regeln sollen zuerst Freiräume geschaffen werden.
Wien. Am Wochenende gab es ein Blutbad – wie so oft an den verrückten Kryptomärkten, wo mit Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Co. spekuliert wird. König Bitcoin ist zwischenzeitlich um 1000 Euro im Wert gefallen. Seither geht es mit dem Kurs zwar wieder bergauf – aber die Episode zeigt, wie jung und hektisch die Blockchain-Industrie noch ist. Der potenzielle Wert der Technologie wird von den Anlegern extrem hoch bewertet, Bitcoin ist in den vergangenen Jahren um tausende Prozent gestiegen. Aber wenn die Panik einsetzt, geht es auch rasch wieder runter.
Dabei sind Währungen nur ein Teil dieses Sektors, der über Bitcoin hinaus bisher noch kaum bekannt ist. Auch wenn man dank einer Kooperation mit der Plattform BitPanda inzwischen Bitcoin und andere Kryptowährungen sogar bei der Post kaufen kann. Ethereum, die Nummer zwei im Markt, ist auch mehr als eine Währung - und zwar eine Plattform, auf der dezentrale Anwendungen gestartet werden können. Die Technologie verspricht nicht weniger als die Neuerfindung des Internets. Aber das steht an seinem Anfang. So fühlt es sich auch an. Der Sektor ist blutjung und kaum reguliert. Das bietet Gefahren und Chancen.
Das Wirtschaftsministerium hat in Kooperation mit der heimischen Bitcoin- und Blockchain-Industrie eine „Blockchain Roadmap“für Österreich ausgearbeitet. Das Papier liegt der „Presse“vor. Dieser Fahrplan soll den Weg Österreichs in eine Zukunft ebnen, in der das kleine Land in der Mitte Europas sich als „Web 3.0“-Standort etablieren kann. „Wir wollen uns für Start-Ups attraktiver machen. Aber es geht gar nicht nur um Neugründungen, sondern auch um Projekte von etablierten Unternehmen“, sagt Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP).
Die Blockchain kann man sich als dezentral gespeicherte Datenbank vorstellen, die theoretisch ganze Produktions- und Lieferketten revolutionieren könnte. Die ersten Sektoren, die auf die neue Technologie aufmerksam geworden sind, sind der Finanz- und Energiesektor, sowie die Logistik und der Nahrungsmittelbereich. Letzterer interessiert sich vor allem für die Möglichkeiten lückenloser Dokumentation der Lieferkette. Theoretisch könnte jedermann einmal in einer transparenten Blockchain die Reise seines Fair-TradeKaffees aus Afrika nach Österreich nachverfolgen.
Spielen in der Sandkiste
Aber das ist Zukunftsmusik. Noch hindert die Rechtsunsicherheit viele Unternehmen. Das will die Regierung ändern. Das Zauberwort der „Blockchain Roadmap“heißt deshalb „Sandbox“– also Sandkiste. „Wenn etwa ein großer Stromanbieter zu uns kommt und eine Idee für ein Projekt hat, das die aktuelle Regulierung verhindert, dann können wir so eine Sandbox einrichten“, sagt Mahrer. Da wird dann gespielt – unter den Augen der Aufsicht. Die soll aber noch nicht eingreifen – sondern lernen.
„Das ist eine Win-Win-Situation. Die Regulatoren lernen und sehen was passiert und die experimentierenden Firmen können den Behörden Feedback geben.“Mahrer sieht in diesen Projekten mögliche Motoren für das Wirtschaftswachstum von morgen: „Die Blockchain bietet gigantisches Potenzial. Abwarten und Tee trinken ist da keine Option.“In einem ersten Schritt will das Wirtschaftsministe- rium die Einrichtung der „Sandboxes“selbst übernehmen und die betroffenen Behörden miteinander vernetzen. Aber der Fahrplan geht noch weiter: So soll es einen eigenen „Kryptoreport“geben, der die Lage der Blockchain-Nation zusammenfasst. Eine Infoplattform soll eingerichtet werden und später auch eine Task Force, die das Ministerium entlastet. Auch bei der Forschung und Ausbildung will Mahrer Anreize setzen, die Blockchain-Technologie einzubinden. Schon jetzt mangelt es ja an Informatikern in Österreich.
Dass ein Großteil der bereits bestehenden Blockchain-Industrie sich bisher um die Lokomotive Bitcoin versammelt, ist Mahrer aber auch nicht entgangen: „Ich hab null Berührungsängste bei Kryptowährungen. Als Wirtschaftsressort muss man das sowieso aufmerksam beobachten. Natürlich wird da auch Schindluder getrieben.“Ziel müsse es sein, etwaigen Betrügern das Handwerk zu legen, während die Vorteile der Technologie für die Bürger nutzbar gemacht werden. „Da steckt großes Potenzial für die Sicherung der Freiheiten der Bürger drinnen. Anonymität beim Zahlen gehört da dazu.“