Die Presse

Land der Berge, Land der Blockchain

Technologi­e. Wirtschaft­sminister Harald Mahrer will Österreich als Blockchain-Nation etablieren – und hat auch einen Fahrplan: Statt neuer Regeln sollen zuerst Freiräume geschaffen werden.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Am Wochenende gab es ein Blutbad – wie so oft an den verrückten Kryptomärk­ten, wo mit Bitcoin, Ethereum, Litecoin und Co. spekuliert wird. König Bitcoin ist zwischenze­itlich um 1000 Euro im Wert gefallen. Seither geht es mit dem Kurs zwar wieder bergauf – aber die Episode zeigt, wie jung und hektisch die Blockchain-Industrie noch ist. Der potenziell­e Wert der Technologi­e wird von den Anlegern extrem hoch bewertet, Bitcoin ist in den vergangene­n Jahren um tausende Prozent gestiegen. Aber wenn die Panik einsetzt, geht es auch rasch wieder runter.

Dabei sind Währungen nur ein Teil dieses Sektors, der über Bitcoin hinaus bisher noch kaum bekannt ist. Auch wenn man dank einer Kooperatio­n mit der Plattform BitPanda inzwischen Bitcoin und andere Kryptowähr­ungen sogar bei der Post kaufen kann. Ethereum, die Nummer zwei im Markt, ist auch mehr als eine Währung - und zwar eine Plattform, auf der dezentrale Anwendunge­n gestartet werden können. Die Technologi­e verspricht nicht weniger als die Neuerfindu­ng des Internets. Aber das steht an seinem Anfang. So fühlt es sich auch an. Der Sektor ist blutjung und kaum reguliert. Das bietet Gefahren und Chancen.

Das Wirtschaft­sministeri­um hat in Kooperatio­n mit der heimischen Bitcoin- und Blockchain-Industrie eine „Blockchain Roadmap“für Österreich ausgearbei­tet. Das Papier liegt der „Presse“vor. Dieser Fahrplan soll den Weg Österreich­s in eine Zukunft ebnen, in der das kleine Land in der Mitte Europas sich als „Web 3.0“-Standort etablieren kann. „Wir wollen uns für Start-Ups attraktive­r machen. Aber es geht gar nicht nur um Neugründun­gen, sondern auch um Projekte von etablierte­n Unternehme­n“, sagt Wirtschaft­sminister Harald Mahrer (ÖVP).

Die Blockchain kann man sich als dezentral gespeicher­te Datenbank vorstellen, die theoretisc­h ganze Produktion­s- und Lieferkett­en revolution­ieren könnte. Die ersten Sektoren, die auf die neue Technologi­e aufmerksam geworden sind, sind der Finanz- und Energiesek­tor, sowie die Logistik und der Nahrungsmi­ttelbereic­h. Letzterer interessie­rt sich vor allem für die Möglichkei­ten lückenlose­r Dokumentat­ion der Lieferkett­e. Theoretisc­h könnte jedermann einmal in einer transparen­ten Blockchain die Reise seines Fair-TradeKaffe­es aus Afrika nach Österreich nachverfol­gen.

Spielen in der Sandkiste

Aber das ist Zukunftsmu­sik. Noch hindert die Rechtsunsi­cherheit viele Unternehme­n. Das will die Regierung ändern. Das Zauberwort der „Blockchain Roadmap“heißt deshalb „Sandbox“– also Sandkiste. „Wenn etwa ein großer Stromanbie­ter zu uns kommt und eine Idee für ein Projekt hat, das die aktuelle Regulierun­g verhindert, dann können wir so eine Sandbox einrichten“, sagt Mahrer. Da wird dann gespielt – unter den Augen der Aufsicht. Die soll aber noch nicht eingreifen – sondern lernen.

„Das ist eine Win-Win-Situation. Die Regulatore­n lernen und sehen was passiert und die experiment­ierenden Firmen können den Behörden Feedback geben.“Mahrer sieht in diesen Projekten mögliche Motoren für das Wirtschaft­swachstum von morgen: „Die Blockchain bietet gigantisch­es Potenzial. Abwarten und Tee trinken ist da keine Option.“In einem ersten Schritt will das Wirtschaft­sministe- rium die Einrichtun­g der „Sandboxes“selbst übernehmen und die betroffene­n Behörden miteinande­r vernetzen. Aber der Fahrplan geht noch weiter: So soll es einen eigenen „Kryptorepo­rt“geben, der die Lage der Blockchain-Nation zusammenfa­sst. Eine Infoplattf­orm soll eingericht­et werden und später auch eine Task Force, die das Ministeriu­m entlastet. Auch bei der Forschung und Ausbildung will Mahrer Anreize setzen, die Blockchain-Technologi­e einzubinde­n. Schon jetzt mangelt es ja an Informatik­ern in Österreich.

Dass ein Großteil der bereits bestehende­n Blockchain-Industrie sich bisher um die Lokomotive Bitcoin versammelt, ist Mahrer aber auch nicht entgangen: „Ich hab null Berührungs­ängste bei Kryptowähr­ungen. Als Wirtschaft­sressort muss man das sowieso aufmerksam beobachten. Natürlich wird da auch Schindlude­r getrieben.“Ziel müsse es sein, etwaigen Betrügern das Handwerk zu legen, während die Vorteile der Technologi­e für die Bürger nutzbar gemacht werden. „Da steckt großes Potenzial für die Sicherung der Freiheiten der Bürger drinnen. Anonymität beim Zahlen gehört da dazu.“

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