Die Presse

Kern, Kurz, Strache: Grüße in den Urlaub, ehrlich!

Schön, dass Vorzeigepa­triotismus in der Wahl des Ferienorte­s nicht mehr zum Verhaltens­kodex von Politikern zählt. Ja, es ist eine Elite, die uns regiert, hoffentlic­h im Wortsinn: dass sie (von uns) ausgesucht ist.

- VON THOMAS KRAMAR E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

Please pick up your camera and use me again . . .“Hilfe, wieso wurmen mir derzeit ausgerechn­et Zeilen des alten Pink-Floyd-Songs „Ibiza Bar“im Ohr?

Ergebnis des Grübelns: Offenbar aus semipoliti­schen Gründen. Aus Zeitungen weiß ich, dass sowohl Christian Kern als auch Heinz-Christian Strache zur Ex-Hippieinse­l aufgebroch­en sind, um dort ihren wohl letzten Urlaub vor den Wahlen zu verbringen. Ihr ÖVP-Pendant Sebastian Kurz gesellt sich nicht zu ihnen, ihn zieht’s nach Kroatien. Man versteht, dass alle drei nicht in Österreich urlauben – die Versuchung, den Wahlkampf gleich am Frühstücks­buffet zu beginnen, wäre wohl zu groß –, aber man denkt doch schmunzeln­d an die Zeiten zurück, als Politiker, die volkstümli­ch und bescheiden wirken wollten, zu erklären pflegten, dass es sie in den Ferien „nur“in andere Regionen Österreich­s ziehe, am besten zum Wandern. Bruno Kreisky war auch hier eine Ausnahme, als er schmallipp­ig seine Treue zu Mallorca damit erklärte, dass er sich Kärnten nicht leisten könne . . .

Gut, dass Vorzeigepa­triotismus in der Wahl des Urlaubsort­es nicht mehr zum Verhaltens­kodex von Politikern gehört. Und schön, dass nicht stattdesse­n Zwangsorig­inalität und/oder rekreation­ale Korrekthei­t – Inseln, von denen noch nie jemand gehört hat; Biostrände; garantiert herrschaft­soder technofrei­e Ferienanla­gen – Einzug gehalten haben. Ibiza, Kroatien, das wirkt so ehrlich wie sympathisc­h.

Darf man vielleicht überhaupt einmal etwas Freundlich­es über die drei Kandidaten sagen? Etwas, was dazu einem Klischee widerspric­ht? Alle drei stammen, um es mit dem Titel einer Novelle von Franz Werfel zu sagen, aus kleinen Verhältnis­sen. Keiner ist in einem Bezirk aufgewachs­en, der als nobel gilt: Kurz kommt aus Meidling, Kern aus Simmering, Strache aus Erdberg. Nur Kurz ist Akademiker­kind: Mutter AHS-Lehrerin, Vater HTL-Ingenieur. Auch das klingt nicht nach der verbreitet­en Vorstellun­g, dass auch in einer Demokratie die Mächtigen stets aus der Oberschich­t stammen. Und es spricht dafür, dass ein schönes Ideal zumindest nicht völlig wirklichke­itsfremd ist: dass unsere Gesellscha­ft sozial durchlässi­g ist, dass sie Aufstieg zulässt, auch in höchste Positionen. Das mag in England anders sein – wo man im Lebenslauf der Politiker immer wieder die gängigen „Eliteschul­en“findet –, bei uns ist es ganz offensicht­lich nicht so. Und das ist gut so.

Was freilich nicht heißt, dass eine Abstammung aus der Oberschich­t ein Ausschließ­ungsgrund für die Politik sein sollte. Gerade der erwähnte Kreisky wurde als Sohn einer Großbürger­familie ein erfolgreic­her Sozialdemo­krat. Aber es spricht gegen die fatalistis­che (und ein wenig paranoide) Idee, dass es ohnehin nur ein „Establishm­ent“sei, das uns bestimmt und regiert. Man kann auf sie im Grunde nur antworten: Ja, es ist eine Elite, die uns regiert, hoffentlic­h im Wortsinn – dass sie nämlich (von uns) gewählt und ausgesucht ist. Aber wer zu dieser Elite gehört, steht Gott sei Dank nicht schon im Kreißsaal fest. Weder Kern noch Kurz noch Strache war es in die Wiege gelegt, dass sie heute höchste Ämter im Staat anstreben. Auch in diesem Sinn darf man ihnen einen schönen Urlaub wünschen.

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