Kern, Kurz, Strache: Grüße in den Urlaub, ehrlich!
Schön, dass Vorzeigepatriotismus in der Wahl des Ferienortes nicht mehr zum Verhaltenskodex von Politikern zählt. Ja, es ist eine Elite, die uns regiert, hoffentlich im Wortsinn: dass sie (von uns) ausgesucht ist.
Please pick up your camera and use me again . . .“Hilfe, wieso wurmen mir derzeit ausgerechnet Zeilen des alten Pink-Floyd-Songs „Ibiza Bar“im Ohr?
Ergebnis des Grübelns: Offenbar aus semipolitischen Gründen. Aus Zeitungen weiß ich, dass sowohl Christian Kern als auch Heinz-Christian Strache zur Ex-Hippieinsel aufgebrochen sind, um dort ihren wohl letzten Urlaub vor den Wahlen zu verbringen. Ihr ÖVP-Pendant Sebastian Kurz gesellt sich nicht zu ihnen, ihn zieht’s nach Kroatien. Man versteht, dass alle drei nicht in Österreich urlauben – die Versuchung, den Wahlkampf gleich am Frühstücksbuffet zu beginnen, wäre wohl zu groß –, aber man denkt doch schmunzelnd an die Zeiten zurück, als Politiker, die volkstümlich und bescheiden wirken wollten, zu erklären pflegten, dass es sie in den Ferien „nur“in andere Regionen Österreichs ziehe, am besten zum Wandern. Bruno Kreisky war auch hier eine Ausnahme, als er schmallippig seine Treue zu Mallorca damit erklärte, dass er sich Kärnten nicht leisten könne . . .
Gut, dass Vorzeigepatriotismus in der Wahl des Urlaubsortes nicht mehr zum Verhaltenskodex von Politikern gehört. Und schön, dass nicht stattdessen Zwangsoriginalität und/oder rekreationale Korrektheit – Inseln, von denen noch nie jemand gehört hat; Biostrände; garantiert herrschaftsoder technofreie Ferienanlagen – Einzug gehalten haben. Ibiza, Kroatien, das wirkt so ehrlich wie sympathisch.
Darf man vielleicht überhaupt einmal etwas Freundliches über die drei Kandidaten sagen? Etwas, was dazu einem Klischee widerspricht? Alle drei stammen, um es mit dem Titel einer Novelle von Franz Werfel zu sagen, aus kleinen Verhältnissen. Keiner ist in einem Bezirk aufgewachsen, der als nobel gilt: Kurz kommt aus Meidling, Kern aus Simmering, Strache aus Erdberg. Nur Kurz ist Akademikerkind: Mutter AHS-Lehrerin, Vater HTL-Ingenieur. Auch das klingt nicht nach der verbreiteten Vorstellung, dass auch in einer Demokratie die Mächtigen stets aus der Oberschicht stammen. Und es spricht dafür, dass ein schönes Ideal zumindest nicht völlig wirklichkeitsfremd ist: dass unsere Gesellschaft sozial durchlässig ist, dass sie Aufstieg zulässt, auch in höchste Positionen. Das mag in England anders sein – wo man im Lebenslauf der Politiker immer wieder die gängigen „Eliteschulen“findet –, bei uns ist es ganz offensichtlich nicht so. Und das ist gut so.
Was freilich nicht heißt, dass eine Abstammung aus der Oberschicht ein Ausschließungsgrund für die Politik sein sollte. Gerade der erwähnte Kreisky wurde als Sohn einer Großbürgerfamilie ein erfolgreicher Sozialdemokrat. Aber es spricht gegen die fatalistische (und ein wenig paranoide) Idee, dass es ohnehin nur ein „Establishment“sei, das uns bestimmt und regiert. Man kann auf sie im Grunde nur antworten: Ja, es ist eine Elite, die uns regiert, hoffentlich im Wortsinn – dass sie nämlich (von uns) gewählt und ausgesucht ist. Aber wer zu dieser Elite gehört, steht Gott sei Dank nicht schon im Kreißsaal fest. Weder Kern noch Kurz noch Strache war es in die Wiege gelegt, dass sie heute höchste Ämter im Staat anstreben. Auch in diesem Sinn darf man ihnen einen schönen Urlaub wünschen.