Die Presse

Fünf Jahre Aufschwung

Wirtschaft. Konsum, Exporte, Investitio­nen: Alle Indikatore­n zeigen nach oben. Die gute Wirtschaft­slage soll bis 2021 anhalten. Nur die Arbeitslos­igkeit bleibt hoch. Vor allem bei gering Qualifizie­rten und Migranten.

- VON NIKOLAUS JILCH

Wien. Nach einer jahrelange­n Durststrec­ke kommt die Konjunktur in Österreich wieder in Schwung. Für die Jahre 2017 bis 2021 erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS) ein Wirtschaft­swachstum von 1,7 Prozent im Schnitt. Das würde eine Verstärkun­g des Wachstums von knapp einem Prozentpun­kt gegenüber dem Zeitraum 2012 bis 2016 bedeuten. Getragen wird die Erholung von der belebten Inlandsnac­hfrage. Einen Boom wird es allerdings auch in den kommenden Jahren nicht geben.

So soll die Wirtschaft laut IHS heuer noch um 2,2 Prozent wachsen. 2018 sind es dann 1,7 Prozent – und bis 2019 verringert sich das Wachstum auf 1,5 Prozent. Österreich wird nicht mehr schneller wachsen als die Eurozone – fällt aber auch nicht massiv zurück. Für den Euroraum erwarten die Experten ein Wachstum von 1,8 Prozent in den kommenden Jahren.

Die Botschaft der Ökonomen an die Politik ist eindeutig: „Auch wenn es aktuell gut aussieht – wir dürfen nicht erwarten, dass die Wachstumsr­aten ewig so weitergehe­n“, sagt IHS-Chef Martin Kocher. Sollte die Weltwirtsc­haft wider Erwarten erneut einbrechen und die Prognose hinfällig machen, sei entscheide­nd, wie „Österreich strukturel­l aufgestell­t ist“.

Sorgenkind Arbeitsmar­kt

Wie andere Ökonomen warnt auch Kocher eindringli­ch vor „Wahlzucker­ln“. Statt solcher Aktionen brauche es in Österreich den Willen, Reformen zur Steigerung der Produktivi­tät zu machen. Dabei gehe es um Investitio­nen in Bildung, Forschung und Weiterbild­ung – sowie die Restruktur­ierung von Märkten. Kocher hebt den Bereich der Dienstleis­tungen und Services hervor, wo der Wettbewerb noch immer zu gering sei.

Ein Sorgenkind bleibt auch der Arbeitsmar­kt. Zwar wird die durchschni­ttliche Arbeitslos­enrate in den kommenden Jahren auf 8,3 Prozent sinken. „Aber das ist für Österreich immer noch ein sehr hoher Wert“, sagt der IHS-Arbeitsmar­ktexperte Helmut Hofer. So sei zwar ein starkes Beschäftig­ungswachst­um zu verzeichne­n – aber auch das Arbeitskrä­fteangebot legt zu. Die Grün- de: die Zuwanderun­g sowie die verstärkte Präsenz von älteren und weiblichen Arbeitnehm­ern auf dem Markt. Die prognostiz­ierten 8,3 Prozent liegen in etwa auf dem Niveau der vergangene­n fünf Jahre (8,2 Prozent) – aber deutlich über den Jahren 2007 bis 2011 (6,6 Prozent).

Weniger Jobs für gering Qualifizie­rte

Besonders betroffen von der Arbeitslos­igkeit bleiben weiterhin die Minderqual­ifizierten und Migranten. „Meist kommen verschiede­ne Risikofakt­oren zusammen“, so Hofer. Für die in den vergangene­n Jahren als Flüchtling­e nach Österreich gekommenen Menschen brauche es große Integratio­nsanstreng­ungen: „Wenn sie da sind, dann muss man auch investiere­n, um sie zu integriere­n.“Wobei viel auch vom Bildungsni­veau der Heimat abhänge – was die Erfahrunge­n mit den in den vergangene­n Jahrzehnte­n aus der Türkei eingewande­rten Familien bestätigen.

„Das waren oft Migranten aus Anatolien mit einem sehr schlechten Bildungshi­ntergrund. Bei den wenig qualifizie­rten Menschen mit türkischen Wurzeln fällt heute schon auf, dass es eine sehr hohe Arbeitslos­igkeit gibt.“Es brauche deshalb „Role Models“und verstärkt frühkindli­che Bildung – vor allem, um die Deutschfäh­igkeiten von Migranten zu verbessern. Denn die Digitalisi­erung und der Wandel zur Wissensges­ellschaft spielen gering qualifizie­rten Gastarbeit­ern sowie ihren Kindern nicht in die Hände. „Jobs ohne Ausbildung fallen verstärkt einfach weg“, sagt Hofer: „Dasselbe gilt für Arbeiten, die auf physischer Kraft basieren.“

Bessere Nachrichte­n gibt es von der Nachfragef­ront: Das Wachstum der Inlandsnac­hfrage werde in den kommenden Jahren kräftig zulegen: auf 1,5 Prozent (nach 0,7 Prozent in den vergangene­n fünf Jahren). Lobende Worte gibt es von den Ökonomen für die jüngste Steuerrefo­rm, die den privaten Konsum angeschobe­n hat.

Auch einige der bereits präsentier­ten Ideen aus dem Wahlkampf stoßen auf positive Resonanz. „Die Senkung der Abgabenlas­t, die Durchforst­ung der Förderunge­n und die Reform von Verwaltung und Föderalism­us – all das wären Schritte in die richtige Richtung“, so Kocher. „Wir haben aber noch nicht gesehen, wie sich diese Entlastung finanziere­n soll. Auch wie eine Verwaltung­sreform aussehen könnte, ist offen.“Besonders erfreulich entwickeln sich nicht nur die Inlandsnac­hfrage und der private Konsum, sondern auch die Investitio­nen.

Die Anlageinve­stitionen sollen in den kommenden Jahren im Schnitt um 2,25 Prozent steigen, die Ausrüstung­sinvestiti­onen dürften um 2,75 Prozent zulegen. Bei den Bauinvesti­tionen wird ein Anstieg um gut 1,6 Prozent erwartet. Hier hilft die Migration, weil sie die Nachfrage nach Wohnraum anheizt. Für die Exporte erwartet das IHS in den kommenden Jahren ein Plus von knapp 3,5 Prozent (nach 1,9 Prozent).

Standort muss gestärkt werden

Die Teuerung soll durchschni­ttlich 2,0 Prozent betragen. Das staatliche Defizit soll von heuer 0,8 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s bis 2021 auf 0,2 Prozent zurückgehe­n. Hier sei aber entscheide­nd, wie die nächste Regierung die versproche­nen Reformen angehe, denn derzeit würde der Staat stark von der günstigen Geldpoliti­k und dem Konjunktur­aufschwung profitiere­n.

Problemati­sch sei die Ausgabenst­ruktur. Zukunftsor­ientierte öffentlich­e Ausgaben vor allem in Bildung sowie Forschung müssten stärkere Priorität haben, so das IHS. Zudem müsse der Wirtschaft­sstandort weiter gestärkt werden. Nur so sei der Sozialstaa­t auch längerfris­tig finanzierb­ar.

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