Die Presse

Bitte, lieber Staat, schenk uns heuer besser nichts mehr!

Der Aufschwung ist da. Das ist gut – aber gefährlich. Die Euphorie könnte die Regierung verleiten, vor der Wahl schnell Geld zu verteilen, das gar nicht da ist.

- E-Mails an: matthias.auer@diepresse.com

E ndlich ist alles wieder gut. Zehn Jahre nach dem Kollaps der internatio­nalen Finanzmärk­te lässt auch Österreich­s Wirtschaft das Jammertal hinter sich. Die Konjunktur im Land ist robust und wird es bis über das Ende des Jahrzehnts auch bleiben. Die heimischen Unternehme­n nehmen wieder Kredite auf und investiere­n. Und sogar die (immer noch viel zu hohe) Arbeitslos­enrate in Österreich beginnt schön langsam zu sinken. Das alles ist gut. Aber es ist auch gefährlich.

Gefährlich ist es deshalb, weil der Eindruck entstehen könnte, die Österreich­er – oder gar die scheidende Regierung – hätten sonderlich viel mit dieser Entwicklun­g zu tun. Sicher, die heimischen Unternehme­n waren fit genug, um die bessere globale Konjunktur für sich zu nutzen. Und auch die Steuerrefo­rm hat die Österreich­er zumindest im Vorjahr wieder in die Geschäfte gelockt. Bis 2020 wird von diesem Strohfeuer aber nichts mehr übrig sein.

In Wahrheit bekommt ganz Österreich diesen Aufschwung quasi geschenkt. Der edle Spender sitzt aber nicht auf der Regierungs­bank in Wien, sondern in der Europäisch­en Zentralban­k in Frankfurt. EZBPräside­nt Mario Draghi kauft immer noch Staats- und Unternehme­nsanleihen quer durch Europa auf und hält die Zinsen auf dem niedrigste­n Stand, den Europa je gesehen hat. Diese Geldschwem­me ist der wahre Treiber hinter der Erholung der Euroländer. Doch der künstlich generierte Boom ist nicht von Dauer, wenn nicht die nötigen Strukturen geschaffen werden, damit sich der Aufschwung selbst trägt. Genau das hat die österreich­ische Regierung (wie viele andere europäisch­e auch) in den letzten Jahren verschlafe­n. Sie hat die lange Zeit der Nullzinsen nicht genutzt, um den öffentlich­en Haushalt zu sanieren wie die Deutschen. Sie hat die gute Konjunktur nicht genutzt, um Überreguli­erung abzubauen, das Steuersyst­em umzukrempe­ln, Antworten auf die demografis­chen Probleme des Landes zu finden oder das Sozialsyst­em langfristi­g abzusicher­n.

Kurz, es wurde nichts unternomme­n, um dafür zu sorgen, dass Österreich­s Wirtschaft auch dann noch brummt, wenn die EZB ihre Geldspritz­en wieder einpackt. Dieser Tag wird schneller kommen als gedacht. Im nächsten Jahr wird die EZB wohl aufhören, Staatsanle­ihen zu kaufen und auch den Leitzins anheben. Dann wird das Land seine Baustellen nicht mehr mit Billigkred­iten zukleister­n können. V on all dem werden wir im kommenden Wahlkampf herzlich wenig zu hören bekommen. Stattdesse­n werden Politiker aller Couleurs keine Gelegenhei­t auslassen, das kleine Wirtschaft­swunder für sich zu reklamiere­n – und weitere Wunder für den Fall ihrer Wiederwahl zu verspreche­n. Zeit, um ihren „guten Willen“per teuren Wahlzucker­ln zu beweisen, haben sie leider genug.

Was das für das Land bedeuten kann, haben die Österreich­er vor neun Jahren schon einmal schmerzlic­h erfahren. Am 24. September 2008 – wenige Tage vor der jüngsten vorgezogen­en Nationalra­tswahl – schleudert­e die tote Koalition in einer einzigen Nacht Wahlgesche­nke im Wert von jährlich knapp fünf Milliarden Euro raus. Beschlosse­n wurden etwa die 13. Familienbe­ihilfe, die Verlängeru­ng der Hacklerreg­elung, das Aus für die Studiengeb­ühren und eine vorgezogen­e Pensionser­höhung. In Summe kostete der Spaß den Steuerzahl­er bis heute rund 30 Milliarden Euro. Geld, das die Republik nicht hat. Wiederholt sich diese Horrornach­t, nehmen sich die Parteien vor der Wahl die Möglichkei­t, danach ernsthafte Standortpo­litik zu betreiben. So gut wie alle verspreche­n Steuersenk­ungen. Die Chance, dass hier etwas Sinnvolles passiert, ist zumindest da. Nicht aber, wenn das Fell bis dahin schon verteilt ist.

Die gute Nachricht: Auch die Regierung scheint das Debakel von 2008 noch in schlechter Erinnerung zu haben. Sowohl SPÖ als auch ÖVP geloben, ein ähnliches Massaker verhindern zu wollen. So ganz trauen sie sich aber anscheinen­d selbst nicht über den Weg. Die Nationalra­tspräsiden­ten Doris Bures (SPÖ) und Karlheinz Kopf (ÖVP) haben vorgeschla­gen, die Nationalra­tssitzunge­n am 12. und 13. Oktober zur Sicherheit abzusagen. Das ist gar keine schlechte Idee: Diese zwei freien Tage hätte sich das Land wirklich verdient.

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VON MATTHIAS AUER

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