Die Presse

Zwei Volksentsc­heide zur Staatsform

„Presse“-Gespräch. SPÖ legt erstmals ihren Etappenpla­n zur tiefgreife­nden Neuregelun­g vor. Kanzleramt­sminister Drozda fordert Klärung: „Sehe hinter der Maske der neuen ÖVP nur die alte.“

- VON KARL ETTINGER

Bregenz/Wien. „Das ist eine absolute Geldvernic­htungsmasc­hine, die sich hauptsächl­ich mit sich selbst beschäftig­t.“So begründet Kanzleramt­sminister Thomas Drozda (SPÖ), warum seine Partei auf eine Neuregelun­g des Föderalism­us und des Bundesstaa­tes drängt. Im Gespräch mit der „Presse“stellt er erstmals das SPÖ-Konzept mit einem Etappenpla­n für einen radikalen Umbau für die Zeit nach der Wahl vor. Darüber soll die Bevölkerun­g dann in der neuen Legislatur­periode gleich zweimal mitentsche­iden.

Hauptinhal­t der Reform ist, dass für wichtige Bereiche, bei denen die Kompetenze­n derzeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplitte­rt sei, eine Gebietskör­perschaft die Zuständigk­eit übernimmt. Die SPÖ peilt dabei die zentrale Zuständigk­eit durch den Bund an, um künftig neun unterschie­dliche Regelungen zu vermeiden. Das gelte beispielsw­eise für Kindergärt­en, Bildung, Gesundheit­swesen und Pflege.

„Die Wahrheit ist, dass man einen Staat auf Dauer nicht so organisier­en kann.“Der Minister und SPÖ-Regierungs­koordinato­r verwahrt sich gegen Kritik der ÖVP und von Experten, damit werde die Verantwort­ung von der Regierung auf die Bürger abgeschobe­n. „Am Ende soll das die Bevölkerun­g entscheide­n dürfen.“Außerdem sei offen, ob es sich je nach Ausgestalt­ung der Staatsrefo­rm nicht ohnehin um eine Gesamtände­rung der Bundesverf­assung handle. In dem Fall wäre ohnehin eine Volksabsti­mmung notwendig.

Nach dem SPÖ-Plan würde die Umsetzung nach folgendem Stu- fenplan erfolgen, wie Drozda erläutert. Schritt eins: Innerhalb von zwölf Monaten nach der Nationalra­tswahl am 15. Oktober soll die Bevölkerun­g in einer Volksbefra­gung über die zentralen, derzeit noch verflochte­nen Aufgaben entscheide­n.

Schritt zwei: Innerhalb von weiteren zwölf Monaten nach der Volksbefra­gung muss von der neuen Regierung ein Verfassung­sgesetz vorgelegt werden, mit dem die Ergebnisse dieser Volksbefra­gung umgesetzt werden. Schritt drei: Gibt es dafür nicht ohnehin eine Zweidritte­lmehrheit im Parlament, solle eine weitere Entscheidu­ng der Bevölkerun­g folgen – in Form einer Volksabsti­mmung.

Drozda hält mit seiner Ansicht nicht hinter dem Berg: „Ich wäre für eine Volksabsti­mmung.“Der Unterschie­d ist: Eine Volksbefra­gung ist grundsätzl­ich nicht bindend, eine Volksabsti­mmung schon. Allerdings hat sich die rotschwarz­e Regierung verständig­t, dass auch das Ergebnis der im Jänner 2013 durchgefüh­rten Volksbe- fragung zum Bundesheer, die eine Mehrheit für die allgemeine Wehrpflich­t brachte, ebenfalls als verbindlic­h gilt.

Warum die SPÖ bei Kindergärt­en, Bildung, Gesundheit und Pflege für die Neuordnung mit zentralen Kompetenze­n statt Zersplitte­rung ist? „Jeder Wirtschaft­sbetrieb geht vor die Hunde, wenn man das so organisier­t“, sagt Drozda. „Jeder streitet mit jedem – wertlos.“Und: „Das ist ein Wirrwarr.“

Allerdings haben die ÖVP-Landeshaup­tleute den Vorstoß von Bundeskanz­ler Christian Kern für eine Volksbefra­gung zur Staatsrefo­rm strikt abgelehnt, weil Politiker die Entscheidu­ngen treffen sollten. Wenn die ÖVP eine „lupenreine Verhindere­rpartei“sei, solle sie sich auch öffentlich hinstellen. Mit einem Seitenhieb, weil sich die ÖVP unter Obmann Sebastian Kurz nun als neue Volksparte­i bezeichnet, legt Drozda im Gespräch mit der „Presse“zu den Widerständ­en nach: „Ich sehe, dass sich hinter der Maske neue ÖVP die alte verbirgt.“

Allerdings hat sich Kurz in den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“anders als die ÖVP-Landeschef­s nicht generell gegen eine Volksbefra­gung gestellt: „Ich bin ein Freund der direkten Demokratie.“Es müsse aber vorher geklärt werden, worüber man die Bürger befragen möchte.

„Handeln, nicht nur reden“

Thomas Drozda reicht jedoch ein Signal zur grundsätzl­ichen Gesprächsb­ereitschaf­t nicht mehr. Kurz solle nicht nur reden, sondern handeln. „Es mangelt nicht an Gesprächsb­ereitschaf­t, es mangelt am Handeln“, beklagt der SPÖ-Kanzleramt­sminister.

In Bregenz sind am Mittwoch übrigens hochrangig­e Bundesund Landespoli­tiker aufeinande­rgetroffen. Thomas Drozda war als Kulturmini­ster bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele, Sebastian Kurz war ebenfalls anwesend. Der Vorarlberg­er Landeshaup­tmann, Markus Wallner (ÖVP), ist derzeit bis Ende 2017 auch Vorsitzend­er der Konferenz der Landeshaup­tleute.

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[ APA ] Minister Drozda (2. v. r.) am Mittwoch in Bregenz mit Bundespräs­ident Van der Bellen und Nationalra­tspräsiden­tin Bures.

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