Zwei Volksentscheide zur Staatsform
„Presse“-Gespräch. SPÖ legt erstmals ihren Etappenplan zur tiefgreifenden Neuregelung vor. Kanzleramtsminister Drozda fordert Klärung: „Sehe hinter der Maske der neuen ÖVP nur die alte.“
Bregenz/Wien. „Das ist eine absolute Geldvernichtungsmaschine, die sich hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.“So begründet Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ), warum seine Partei auf eine Neuregelung des Föderalismus und des Bundesstaates drängt. Im Gespräch mit der „Presse“stellt er erstmals das SPÖ-Konzept mit einem Etappenplan für einen radikalen Umbau für die Zeit nach der Wahl vor. Darüber soll die Bevölkerung dann in der neuen Legislaturperiode gleich zweimal mitentscheiden.
Hauptinhalt der Reform ist, dass für wichtige Bereiche, bei denen die Kompetenzen derzeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zersplittert sei, eine Gebietskörperschaft die Zuständigkeit übernimmt. Die SPÖ peilt dabei die zentrale Zuständigkeit durch den Bund an, um künftig neun unterschiedliche Regelungen zu vermeiden. Das gelte beispielsweise für Kindergärten, Bildung, Gesundheitswesen und Pflege.
„Die Wahrheit ist, dass man einen Staat auf Dauer nicht so organisieren kann.“Der Minister und SPÖ-Regierungskoordinator verwahrt sich gegen Kritik der ÖVP und von Experten, damit werde die Verantwortung von der Regierung auf die Bürger abgeschoben. „Am Ende soll das die Bevölkerung entscheiden dürfen.“Außerdem sei offen, ob es sich je nach Ausgestaltung der Staatsreform nicht ohnehin um eine Gesamtänderung der Bundesverfassung handle. In dem Fall wäre ohnehin eine Volksabstimmung notwendig.
Nach dem SPÖ-Plan würde die Umsetzung nach folgendem Stu- fenplan erfolgen, wie Drozda erläutert. Schritt eins: Innerhalb von zwölf Monaten nach der Nationalratswahl am 15. Oktober soll die Bevölkerung in einer Volksbefragung über die zentralen, derzeit noch verflochtenen Aufgaben entscheiden.
Schritt zwei: Innerhalb von weiteren zwölf Monaten nach der Volksbefragung muss von der neuen Regierung ein Verfassungsgesetz vorgelegt werden, mit dem die Ergebnisse dieser Volksbefragung umgesetzt werden. Schritt drei: Gibt es dafür nicht ohnehin eine Zweidrittelmehrheit im Parlament, solle eine weitere Entscheidung der Bevölkerung folgen – in Form einer Volksabstimmung.
Drozda hält mit seiner Ansicht nicht hinter dem Berg: „Ich wäre für eine Volksabstimmung.“Der Unterschied ist: Eine Volksbefragung ist grundsätzlich nicht bindend, eine Volksabstimmung schon. Allerdings hat sich die rotschwarze Regierung verständigt, dass auch das Ergebnis der im Jänner 2013 durchgeführten Volksbe- fragung zum Bundesheer, die eine Mehrheit für die allgemeine Wehrpflicht brachte, ebenfalls als verbindlich gilt.
Warum die SPÖ bei Kindergärten, Bildung, Gesundheit und Pflege für die Neuordnung mit zentralen Kompetenzen statt Zersplitterung ist? „Jeder Wirtschaftsbetrieb geht vor die Hunde, wenn man das so organisiert“, sagt Drozda. „Jeder streitet mit jedem – wertlos.“Und: „Das ist ein Wirrwarr.“
Allerdings haben die ÖVP-Landeshauptleute den Vorstoß von Bundeskanzler Christian Kern für eine Volksbefragung zur Staatsreform strikt abgelehnt, weil Politiker die Entscheidungen treffen sollten. Wenn die ÖVP eine „lupenreine Verhindererpartei“sei, solle sie sich auch öffentlich hinstellen. Mit einem Seitenhieb, weil sich die ÖVP unter Obmann Sebastian Kurz nun als neue Volkspartei bezeichnet, legt Drozda im Gespräch mit der „Presse“zu den Widerständen nach: „Ich sehe, dass sich hinter der Maske neue ÖVP die alte verbirgt.“
Allerdings hat sich Kurz in den „Vorarlberger Nachrichten“anders als die ÖVP-Landeschefs nicht generell gegen eine Volksbefragung gestellt: „Ich bin ein Freund der direkten Demokratie.“Es müsse aber vorher geklärt werden, worüber man die Bürger befragen möchte.
„Handeln, nicht nur reden“
Thomas Drozda reicht jedoch ein Signal zur grundsätzlichen Gesprächsbereitschaft nicht mehr. Kurz solle nicht nur reden, sondern handeln. „Es mangelt nicht an Gesprächsbereitschaft, es mangelt am Handeln“, beklagt der SPÖ-Kanzleramtsminister.
In Bregenz sind am Mittwoch übrigens hochrangige Bundesund Landespolitiker aufeinandergetroffen. Thomas Drozda war als Kulturminister bei der Eröffnung der Bregenzer Festspiele, Sebastian Kurz war ebenfalls anwesend. Der Vorarlberger Landeshauptmann, Markus Wallner (ÖVP), ist derzeit bis Ende 2017 auch Vorsitzender der Konferenz der Landeshauptleute.