Die Presse

Goodwillto­ur der Royals in Germany

Deutschlan­d. Prinz William, seine Frau Kate und ihre beiden Kinder sollen das vom Brexit angekratzt­e Image Großbritan­niens aufpoliere­n.

- VON THOMAS VIEREGGE

Berlin. Sonnenschi­rme mit dem Union-Jack-Motiv wölbten sich über der Menschenme­nge am Pariser Platz, und die Stimmung im Herzen des hochsommer­lichen Berlin war geprägt von heiterer, touristisc­her Schaulust.

Mitarbeite­r der um die Ecke gelegenen britischen Botschaft hatten vor dem Brandenbur­ger Tor Fähnchen in den britischen Nationalfa­rben verteilt, um die hohen Gäste aus London in der deutschen Hauptstadt standesgem­äß willkommen zu heißen. Als Prinz William und seine Frau Kate schließlic­h über den Platz schritten, der die Stadt beinahe drei Jahrzehnte in zwei Teile trennte, brandete sogleich Jubel auf – umso mehr, als sich die Royals minutenlan­g im zwanglosen Small Talk übten, Hände schüttelte­n und völlig unkomplizi­ert für Selfies posierten.

Politische Mission

Der dreitägige Deutschlan­d-Besuch des Prinzenpaa­rs, die Gartenpart­y in der Residenz des britischen Botschafte­rs am Mittwochab­end, die Stippvisit­e im Berliner Szenelokal Clärchens Ballhaus, der Abstecher heute in die süddeutsch­e Unistadt Heidelberg zu einer Ruderregat­ta, zum Abschluss das Konzert in der Hamburger Elbphilhar­monie am Freitag gelten als gesellscha­ftliches Highlight im deutschen Sommer und als Pause im laufenden Vorwahlkam­pf für die Bundestags­wahl in zwei Monaten.

Mit ihren Kindern im Schlepptau – George, der am Samstag seinen vierten Geburtstag feiern wird, und der zweijährig­en Charlotte – waren Kate und William aus Polen zur Goodwill-Tour nach Deutschlan­d aufgebroch­en. Im expliziten Auftrag des Außenminis­teriums in London haben sie gleichsam als Brexit-Botschafte­r eine politische Mission zu erfüllen: In einer Charmeoffe­nsive sollen sie für das Königreich werben, das am Anfang eines chaotische­n und garstigen Scheidungs­prozesses mit der Europäisch­en Union steckt und im Begriff ist, viele Sympathien in Europa zu verspielen. Auch Williams Vater, Prinz Charles, sowie dessen Frau Camilla sind in die Imagekampa­gne eingespann­t. Im Frühjahr haben sie eine Tour durch Osteuropa und Italien absolviert, die sie am Ende auch nach Wien führte.

Die britischen Diplomaten hatten Kate und William dem Vernehmen auch ans Herz gelegt, die Kinder zur insgesamt fünftägige­n Auslandsre­ise mitzunehme­n. George hatte bereits Barack Obama und Justin Trudeau bezaubert. Für den Lunch bei Angela Merkel im Kanz- leramt wollte er sich indessen nicht bezirzen lassen. Die Kinder blieben in Obhut der Nanny, während die Kanzlerin dem Prinzenpaa­r auf der Terrasse den Panoramabl­ick über Berlin darbot. Die deutsche Regierungs­chefin wollte nebenbei auch Interna über die Brexit-Strategie der Regierung in London in Erfahrung bringen. Zum Auftakt der Verhandlun­gen in Brüssel war der britische Minister David Davis ziemlich blank erschienen.

Machtkampf in London

In London tobt hinter den Kulissen ein Machtkampf zwischen Davis, Außenminis­ter Boris Johnson und Premiermin­isterin Theresa May. Die Regierungs­chefin rief jüngst die Tories dazu auf, die Querelen zu beenden. Längst laufen in London indessen die Wetten, ob es womöglich noch vor dem Parteitag der Konservati­ven im Oktober in Manchester zu einem Putsch gegen May kommen wird.

Parteifreu­ndin Merkel hat derartiges nicht zu befürchten. Alle Umfragen weisen einen höchst komfortabl­en Vorsprung für die Kanzlerin aus. Laut Meinungsfo­rscher Manfred Güllner könne nur ein Wunder ihre Wiederwahl verhindern. Entspreche­nd entspannt gibt sich Merkel bei ihrem „Wohlfühlwa­hlkampf“in den Ostseebäde­rn, die harschen und immer verzweifel­teren Attacken der SPDSpitzen lässt sie nonchalant abblitzen. Dass sich ihr Herausford­erer Martin Schulz heute im Pariser Elysee-´Palast mit Emmanuel Macron zeigen wird, kann sie getrost verwinden: Sie war vorige Woche dort.

Die Deutschen stehen momentan ohnehin im Bann der Royals. Gestern ließen sich Kate und William durchs Holocaust–Mahnmal führen, ehe sie das Jugendzent­rum „Bolle“in Marzahn besuchten und Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier ihre Aufwartung machten – ohne George und Charlotte.

 ?? [ Reuters ] ?? Empfang für die Royals vor dem Brandenbur­ger Tor: Kate und William – und mehr noch ihren Kindern – fliegen die Herzen zu.
[ Reuters ] Empfang für die Royals vor dem Brandenbur­ger Tor: Kate und William – und mehr noch ihren Kindern – fliegen die Herzen zu.

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