Neue Richterin für Grasser und Co.?
Justiz. Die Prozessleitung im Buwog-Verfahren wackelt: Die Verteidigung meint, die jetzige Richterin hätte den Fall gar nicht bekommen dürfen. Und zieht vor den Verfassungsgerichtshof.
Wien. Der 39 Seiten starke Antrag hat es in sich: Gibt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) diesem Antrag statt, muss es im BuwogVerfahren um Karl-Heinz Grasser und Co. zu einem Richterwechsel kommen. Zudem könnte der extrem umfangreiche UntreueProzess um die von Korruptionsvorwürfen begleitete Privatisierung von Bundeswohnungen (Buwog) und die Einmietung der Finanz in den Linzer Terminal Tower wohl kaum – wie derzeit geplant – Ende November starten.
Stoßrichtung des Antrags: Die aktuelle Richterin, Marion Hohenecker vom Straflandesgericht Wien, sei aufgrund verfassungswidriger Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) zum Zug gekommen. Die betreffenden Gesetzesstellen würden das Recht auf ein faires Verfahren verletzen. Und seien daher aufzuheben.
Zur Erklärung: Hohenecker bekam den Fall, weil sie ein (von der Buwog-Sache völlig unabhängiges) Strafverfahren gegen Ex-Immofinanz-Boss Karl Petrikovics und andere Angeklagte geleitet hatte. Weil aber Petrikovics auch einer der nunmehrigen BuwogAngeklagten ist, kam es – wie dies die Strafprozessordnung vorsieht – zu einer Verbindung der beiden Verfahren. Kurzum: Weil Hohenecker bereits Petrikovics-Richterin war und weiterhin ist, „erbte“sie den gesamten Buwog-Akt.
Zu Unrecht, wie Michael Rohregger, der Anwalt des in Sachen Buwog ebenfalls angeklagten Immobilienmaklers Ernst Plech, sagt. Rohregger ist Verfassungsrechtsexperte. Er war es, der in Kooperation mit der Kanzlei Böhmdorfer/ Schender den Großteil der Anfechtungsschrift verfasst hatte, die zur Aufhebung der Bundespräsidentschaftswahl geführt hatte.
Rohregger zur „Presse“: „Wenn der Verfassungsgerichtshof unserer Argumentation folgt, wäre Hohenecker für das Buwog-Verfahren nicht zuständig. Dann wäre vermutlich die ursprüngliche Richte- rin, Nicole Rumpl, für die Hauptverhandlung zuständig.“Tatsächlich war vor der Verbindung der beiden Prozesse (April 2017) eben Rumpl als Buwog-Richterin aktiv. Sie war es, die den Beschuldigten die Anklageschrift zustellte.
Der OGH greift ein
Zu den Argumenten im VfGH-Antrag: Petrikovics war in dieser alten Strafsache – es ging um die Finanzierung eines Nobelfitness-Ressorts nahe Monaco – wohlgemerkt nicht allein angeklagt. Etwa auch der ehemalige Thomas-MusterManager Ronald Leitgeb war beschuldigt. Er wurde von Hohenecker auch verurteilt. Doch dieses Urteil wurde vom Obersten Gerichtshof (OGH) aufgehoben. Leitgeb (für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung) bekommt also einen neuen Prozess. Dafür muss zwingend ein neuer Richter bestimmt werden. Hohenecker kommt nicht mehr infrage.
Und Petrikovics? Er kam wegen Krankheit nicht zu seinem Monaco-Prozess. Daher wurde sein Verfahren bis zur Genesung „ausgeschieden“, wie es im Juristendeutsch heißt. Bemerkenswert: Für Petrikovics bleibt somit Hohenecker zuständig. Obwohl der OGH ihre Leitgeb-Verurteilung kritisiert und aufgehoben hat. Somit wird der Monaco-Fall nun quasi zweigleisig, nämlich von zwei verschiedenen Richtern, behandelt.
Rohregger erklärt, die „Befangenheit“, die man bei Hohenecker in Bezug auf Leitgeb annehmen müsse (weshalb hier ja auch ein neuer, unbefangener Richter zum Zug kommt), hänge nicht an den einzelnen Personen, sondern an der Strafsache insgesamt. Aus dem VfGH-Antrag (abstrakt gemeint): „Selbst wenn das Urteil schließlich bloß zu einem Mittäter ergeht, so wird sich der Richter dennoch bereits eine Meinung zum zweiten Mittäter gebildet haben.“Somit dürfe Hohenecker nicht über Petrikovics urteilen. Und damit sei auch das Buwog-Verfahren passe.´
Zudem wird in dem Antrag auch dargelegt, dass jene Stelle der Strafprozessordnung (StPO), die das Verbinden zweier Verfahren (Petrikovics-Verfahren alt plus Petrikovics-Verfahren neu) regelt, gegen das Prinzip der fixen RichterGeschäftsverteilung verstoße. Denn das Verbinden zweier Verfahren funktioniere erst dann, wenn die Anklage in der neuen Strafsache rechtskräftig wird. Dieses Kriterium lasse sich aber „beliebig beeinflussen“. Je nachdem, ob Angeklagte ihre Anklage beeinspruchen oder rechtskräftig werden lassen.
Brisanter Entscheid im Herbst
Es liege auch „in der Hand des zur Einbeziehung (der neuen Strafsache, Anm.) verpflichteten Gerichts, (. . .) auf den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richter Einfluss zu nehmen“. Eine „Ausscheidung“eines Angeklagten (siehe Petrikovics) zur richtigen Zeit könne zu einem Zusammenfall mit einem zweiten Verfahren führen. Insofern sei die – zu möglichen Tricksereien geeignete – StPO zu korrigieren. Der VfGH könnte im Oktober entscheiden.