Rekord und doch ein Schnäppchen
Analyse. 27,1 Millionen Euro Ablöse machen Marko Arnautovi´c zum teuersten ÖFB-Legionär und zu West Hams Rekordtransfer. In der Premier League irritiert diese Summe jedoch kaum.
London. Marko Arnautovic´ wird zum teuersten ÖFB-Transfer der Geschichte. Der Stürmer befand sich am Mittwoch – für den obligatorischen Medizincheck – in London. Er sollte die letzte Hürde dieses Deals sein. Der Wiener, 28, verlässt Stoke City nach vier Saisonen und wechselt für 27,1 Millionen Euro Ablöse zu Ligarivalen West Ham United.
Es wurde also weder Paris noch die Rückkehr nach Mailand für Arnautovic,´ sondern ein Wechsel in der Premier League von einem Mittelständler, den Potters (13.), zum anderen, den Hammers (11.). Sein Vertrag soll erneut vier Jahre Laufzeit ausweisen und ihm wöchentlich, rechnen englische Gazetten unisono vor, 100.000 Pfund (75.000 £ bislang laut Stoke Sentinel) einbringen.
Für viele Beobachter soll Geld der einzige Ausschlag gewesen sein, deshalb hatten der Stürmer und sein Berater, Bruder Daniel Arnautovic,´ den Transferwunsch schriftlich bei City-Manager Mark Hughes deponiert. Damit keinerlei Diskussionen aufkommen, ob er denn den „Wunsch nach Veränderung“wirklich ernst meine. Andere orten eher das dringende Verlangen nach einem anderen Klima, einer anderen Stadt. Statt Stoke und dem Trainingszentrum in Clayton Wood lockten Ostlondon, Stratford und das 60.000 Zuschauer fassende Olympiastadion von 2012.
Mit West Ham in Europa League?
Aber auch sportlich gab Trainer Slaven Bilic´ seinem Rekordtransfer – Arnautovic´ ist auch der teuerste Einkauf der Hammers-Historie – eine neue Perspektive. Bilic´ träumt von der Europa League, einem Titel in England (FACup oder Ligacup), und dafür braucht er Stürmer oder Typen, wie sie der Floridsdorfer verkörpern. Spieler, die motivieren, an- dere mitreißen können. Einen, der Tore schießt, sie anderen auflegt. 125 Spiele, 22 Tore, 27 Assists und nur eine Rote Karte hat der Wiener in der Liga vorzuweisen. Dass Spieler wie Arnautovic´ aber auch während einer Partie „verschwinden“zwischen 21 anderen Fußballern, Missmut ausstrahlen oder ihr Unbehagen offen zeigen können, mit diesem Umstand muss Bilic´ nun zurecht kommen. Es ist davon auszugehen, dass Kroatiens Ex-Teamchef den direkten Draht zum Wiener mit serbischen Wurzeln noch beim Trainingslager in Bad Waltersdorf suchen wird.
„Arni“sei der „absolute Wunschspieler“des West-Ham-Managers gewesen. Mit diesem Detail beginnt die Irritation bei West Ham, der auch den Irrsinn der Premier League dokumentiert, ausgelöst durch einen 6,9 Milliarden Euro starken TV-Vertrag. 2013 hatte der Klub aus Ostlondon bereits mit Arnautovic´ verhandelt. 2,6 Millionen Pfund hätte die Ablöse an Werder Bremen betragen – das ist knapp ein Zehntel dessen, was nun vier Jahre später fällig wurde.
Der Preis ist heiß im Fußballland
In England blüht das Zeitalter teurer und absurder Transfers, die Unverhältnismäßigkeit der Preise steht in keinerlei Relation mehr zur wahren Spielkunst. Warum West Ham für Torhüter Joe Hart, bei Manchester City, im Nationalteam und beim FC Turin wegen seiner Fehlergarantie aussortiert, fünf Millionen Euro (2,3 Mio. € Leihgebühr) für eine Saison ausgibt, ist rätselhaft. Das sind auch die 13 Millionen Euro, die Leverkusen für Javier Hernandez bekommen soll oder die 45 Mio. €, die sich Swansea für den Isländer Gylfi Sigurdsson erträumt. Unvorstellbar sind die 60,4 Mio. €, die Manchester City für Kyle Walker an Tottenham bezahlt hat. Walker, wer? Der 27-Jährige ist jetzt der teuerste Verteidiger der Welt – aber nicht der beste. Absoluter Rekord: Paul Pogba, der 2016 für 105 Millionen Euro Ablöse den Klub wechselte, jetzt bei Manchester United spielt.
Solcher „Deals“laufen in England sonder Zahl, Arnautovic´ mutet im Vergleich dazu eigentlich fast schon wie ein Schnäppchen an. Dennoch, jetzt ist der ÖFB-Legionär an einem Punkt in seiner Karriere angelangt, an dem er liefern muss, es keine Ausreden, Ausflüchte mehr gibt. Ein Rekordtransfer muss bei jedem Klub Leistung liefern. Und zwar auf Anhieb. (fin)